# taz.de -- 10 Jahre AfD: Von Blau zu Braun
       
       > Vor zehn Jahren gründeten ein paar ältere Herren die AfD. Seitdem hat sie
       > sich immer weiter radikalisiert. Welche Verantwortung tragen ihre
       > Gründer?
       
 (IMG) Bild: Aufmarsch von AfD-Anhängern in Berlin mit der Forderung: „Unser Land zuerst“
       
       Konrad Adam sitzt mit verschränkten Armen vor seiner prall gefüllten
       Bücherwand und sagt: „Ich bin nicht unzufrieden, dass ich die Partei
       gegründet habe. Es war richtig, das damals versucht zu haben.“ Dennoch
       bedauere er, was aus der AfD geworden sei. Aber ein Monster? Das habe er
       nicht erschaffen.
       
       Der ehemalige Parteisprecher wohnt im hessischen Oberursel, etwas abgelegen
       in einem Reihenhaus direkt am Wald. Im Wohnzimmer des 81-Jährigen stehen
       dunkle Biedermeier-Möbel vor Schränken mit dicken Hitler-Biografien, alter
       deutscher Literatur und vielbändigen Enzyklopädien. In einer Ecke, beinahe
       verschämt, ein kleiner Flachbildfernseher.
       
       Als die taz telefonisch bei dem ehemaligen FAZ-Feuilleton-Redakteur und
       Welt-Korrespondenten Adam anfragt, ob er Zeit für ein Gespräch über zehn
       Jahre AfD habe, fragt der zurück: „Sie wissen aber schon, dass Sie gerade
       mit dem Klassenfeind sprechen?“, lädt dann aber doch zu sich ins Wohnzimmer
       und redet anderthalb Stunden lang. Hin und wieder wird er etwas lauter –
       wenn es um die Migrationspolitik von Ex-Bundeskanzlerin Merkel geht etwa,
       oder den Gehorsam „der Deutschen“ bei der Maskenpflicht, die er als
       Ungeimpfter „zum Kotzen“ findet.
       
       Eingeladen zur Geburtstagsfeier der AfD im nahe gelegenen Königstein sei er
       nicht. Ob er trotzdem feiern werde? „Warum sollte ich feiern, die heutige
       AfD ist ja nicht mehr diejenige Partei, die wir seinerzeit gegründet
       hatten“, sagt Adam.
       
       ## Unter den Augen des Herrn
       
       Gegründet wurde die AfD von 18 überwiegend älteren Männern, die sich am 6.
       Februar 2013 in Oberursel trafen. Weil ein Konferenzraum in einem Hotel zu
       teuer war, traf man sich im Gemeindesaal der evangelischen Christuskirche.
       Den Raum hatte Adam organisiert, der bis heute Gemeindemitglied ist. Der
       schlichte, lang gestreckte Saal ist wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt.
       Eine große Glasfront gibt den Blick auf einen Busch, einen dahinter
       liegenden Spazierweg und eine Wiese frei.
       
       Im Saal steht noch immer eine große Jesus-Statue aus Holz, die wie zum
       Segen beide Hände ausbreitet. Vor rund zehn Jahren diskutierten die Gründer
       hier, wie die Partei heißen solle. Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke
       plädierte für den Namen „Alternative für Deutschland und Europa“, damit der
       Parteiname [1][nicht zu national konnotiert sei]. Letztlich setzte sich
       jedoch der Vorschlag „Alternative für Deutschland“ durch. Auch Adam stimmte
       dafür.
       
       Das Wort „Alternative“ war eine nicht ganz ungeschickte Replik auf den
       Politikstil von Merkel. Die hatte ihre Entscheidungen immer wieder als
       „alternativlos“ bezeichnet. Der Begriff wurde 2010 zum „Unwort des Jahres“,
       weil er Politikverdrossenheit fördere. Kurz vor der AfD-Gründung hatte die
       Kanzlerin behauptet, die Rettung des Euros sei „alternativlos“. Lucke und
       Co. waren gegen Merkels Euro-Politik und wollten die D-Mark zurück.
       
       Die öffentliche Debatte dieser Jahre war stark von Thilo Sarrazin geprägt.
       Damals noch SPD-Mitglied, hatte er 2010 „Deutschland schafft sich ab“
       veröffentlicht, eine ressentimentgetriebene Streitschrift, die schnell zum
       Bestseller wurde – und als Türöffner für die AfD verstanden werden kann.
       2013 war die Bundesregierung schwarz-gelb. Die FDP trug die Euro-Politik
       der Kanzlerin mit – zum Ärger vieler Wirtschaftsliberaler und
       Konservativer, die sich in verschiedenen Vereinen, Plattformen und
       Organisationen sammelten. In diesem Umfeld gründeten Adam, Lucke und
       Alexander Gauland im September 2012 die „Wahlalternative 2013“, aus der
       später die AfD hervorging. Zulauf kam fortan auch von ganz rechts.
       
       Adam war neben Lucke und der Chemikerin Frauke Petry einer von drei
       AfD-Bundessprechern, die wenig später auf dem ersten Parteitag in Berlin
       gewählt wurden. Petry hat sich mittlerweile aus der Politik weitgehend
       zurückgezogen, auch Lucke ist wieder als Wirtschaftsprofessor an der Uni
       Hamburg tätig und will sich nicht mehr zur AfD zitieren lassen – seine
       Positionen zur Entwicklung der Partei sind allerdings bekannt: Er sprach
       sich 2019 gar für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz aus, nannte
       die AfD eine „latent fremdenfeindliche, deutschnationale Partei mit
       rechtsradikalen Einsprengseln“, die er so [2][nicht noch einmal gründen
       würde].
       
       ## Vogelschiss und Wende
       
       Lucke wurde 2015 abgewählt und spaltete sich mit einem wirtschaftsliberalen
       Flügel ab, nachdem Petry sich mit rechtsextremen Kräften verbündete und ihn
       wegrechtsruckte. Sie selbst ereilte danach ein ähnliches Schicksal: Nach
       anhaltenden rechten Tabubrüchen diverser AfD-Politiker forderte Petry einen
       „realpolitischen Kurs“ und Mäßigung. Danach wurde sie selbst ausgegrenzt
       und trat schließlich aus. Was blieb, ist ein Mechanismus, der in der AfD
       danach stets griff: Wer versuchte, die Grenzen des Sagbaren innerhalb der
       Partei nach rechts abzustecken oder ernsthaft vom Kurs der
       Fundamentalopposition abwich, galt als Verräter. In der AfD ist seither die
       Wutbürger-Parole ein Grundprinzip: Das wird man doch wohl noch sagen
       dürfen.
       
       Adam ist derjenige unter den ersten Parteichefs, der es am längsten in der
       AfD ausgehalten hat. Er trat erst Ende 2020 aus. Warum er so lange blieb?
       Er erklärt das so: „Ich habe eine Zeit lang gewartet, obwohl ich die
       unschöne Entwicklung natürlich mitbekommen habe. Aber die Sache war mir
       wichtiger als Personen.“
       
       Letztlich hätten Aussagen wie die Forderung nach einer
       „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ von Björn Höcke oder das
       Alexander-Gauland-Zitat, Hitler und die Nazis seien „nur ein Vogelschiss in
       über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, die Erkenntnis
       wachsen lassen, dass es jetzt höchste Zeit sei, zu gehen. Die Äußerungen
       fielen allerdings mehrere Jahre vor Adams Austritt.
       
       Wenn Adam heute über die AfD spricht, klingt es teilweise so, als würde er
       sie noch immer verteidigen. Beim Reden über die Gründungszeit wird er
       euphorisch. Schwelgend erzählt er von der Dankbarkeit „normaler Bürger“
       beim Sammeln von Unterschriften vor dem Supermarkt. Oder vom Zuspruch von
       Mitgliedern beim geselligen „get together“ nach einer seiner
       Parteitagsreden. Es sei bei allen Fehlern eine schöne Zeit gewesen, sagt
       Adam.
       
       Unterm Strich allerdings wirkt er rückblickend durchaus bitter, wenn er
       sagt: „Alle drei Personen, die am 6. Februar große Reden zum Zehnjährigen
       schwingen, haben nichts mehr mit der Gründungsidee zu tun. Die Partei hat
       einige Umbrüche hinter sich gebracht, Sie kennen ja das antike Sprichwort:
       ‚Beim Umbruch kommt immer der größte Lump an die Spitze.‘“ Die Festreden
       zum AfD-Jubiläum werden die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino
       Chrupalla sowie der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland halten.
       
       ## Eine faschistische Rede
       
       Der größte Lump aber wäre in diesem Fall wohl Björn Höcke, Rechtsextremist
       und Chef der AfD Thüringen. Höcke steht zwar nicht an der Bundesspitze,
       gilt aber als der mächtigste Mann in der Partei. Alle, die den offenen
       Konflikt mit den Völkischen suchten, zogen langfristig den Kürzeren. Auch
       Adam hält Höckes Einfluss in der Partei „leider“ nicht für überbewertet:
       „Er sieht sich selbst als Heiland, aber der Heiland, ins Politische
       übersetzt, wird schnell zum Führer und von Führern halte ich nicht mehr
       viel.“
       
       Das erste Mal habe er Höcke 2014 erlebt, nach dem ersten Einzug in einen
       Landtag in Erfurt. Höcke sei bei der anschließenden Wahlparty mit erhobenen
       Armen in das Lokal gekommen und habe Goethe zitiert: „Von hier und heute
       geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus und ihr könnt sagen, ihr seid
       dabei gewesen“, zitiert Adam. „Ich fand es damals eher komisch, aber der
       meint das ernst.“
       
       Weniger komisch ist es, als Höcke am 3. Oktober 2022 in Gera vor rund 8.000
       aufgepeitschten Demonstrant*innen spricht. Die Angst vor der
       Energiekrise und dem später wieder abkühlenden Heißen Herbst macht die
       Runde, angesichts von wachsenden wöchentlichen Protesten von Rechtsextremen
       sehen einige Beobachter*innen im Osten bereits die Wiederauferstehung
       einer faschistischen Massenbewegung.
       
       Faschistisch ist jedenfalls Höckes Rede in Gera: Er spricht vom Kampf gegen
       „das Regenbogenimperium“, dem alle „Alt-Parteien“ angehörten. Es drohe das
       Versinken „in tödlicher Dekadenz“. Kernland des „Regenbogenimperiums“ sei
       die USA, die die Zerstörung der Nation durch Masseneinwanderung forciere.
       Er zeichnet ein Feindbild vom „globalen Imperialismus“ und raunt, dass auch
       die USA „auf eine andere Art als wir Deutschen“ eine „fremdbestimmte Macht“
       sei – der Antisemitismus scheint durch.
       
       Putins Russland nennt Höcke in der Rede den „natürlichen Partner für uns
       als Nation“, schließlich hätten „Deutsche und Russen eine ähnliche
       seelische Prägung“. Er sagt, wenn er sich zwischen „Regenbogenimperium“,
       „globalistischem Westen“ und dem „traditionellen Osten“ entscheiden müsste,
       wähle er den Osten. Es sind die Stichworte der sogenannten „Neuen Rechten“,
       wie man sie oft von Vertretern aus Höckes Lager hört, aber einige davon
       auch vom russophilen Gauland.
       
       ## Die Sprache der Mitte
       
       Die Weltanschauung der Neuen Rechten hat mit dem Aufstieg der AfD auf
       einmal einen parlamentarischen Arm. War neurechte Ideologie lange Zeit ein
       Nischenphänomen in rechsradikalen Zeitungen und Publikationen wie der
       Jungen Freiheit oder der Sezession des Ideologen Götz Kubitschek in
       Schnellroda, so bewegen sich nun Teile der Gesellschaft auf ihre Themen wie
       dem Verschwörungsmythos vom „Großen Austausch“ zu und normalisierten ihre
       Positionen.
       
       Das rechte Agenda-Setting der AfD im Kampf um kulturelle Hegemonie strahlt
       längst weit bis in die vermeintlich bürgerliche Mitte aus. In Thüringen
       brachte die CDU einen Antrag gegen geschlechtsneutrale Sprache [3][mit
       AfD-Stimmen durch], in Bautzen stimmte die Union gar einem AfD-Antrag zu,
       um [4][Mittel für Geflüchtete zu streichen]. CDU-Chef Friedrich Merz traute
       sich in einer Talkshow mit NPD-Vokabular vom „Sozialtourismus“ Geflüchteter
       zu fantasieren. Politiker*innen und Chefredakteur*innen großer
       Zeitungen polemisieren antiliberal gegen Minderheitenschutz und nutzen das
       Wort [5][„Wokeness“ als Kampfbegriff von rechts] – in Verkennung seiner
       historischen Bedeutung.
       
       Hinzu kommt, dass öffentliche rassistische Diskurse Alltagsrassismus und
       rechte Gewalt befördern. Der Aufstieg der AfD fällt wohl nicht zufällig in
       ein Jahrzehnt exzessiver rechter Gewalt. Seit 2014 gab es zahlreiche
       Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen, Angriffe auf Politiker
       bis hin zum Lübcke-Mord 2019 und rechtsterroristischen Anschlägen in
       München, Halle und Hanau. Zuletzt war eine Ex-AfD-Abgeordnete mutmaßlich an
       einem geplanten [6][Reichsbürger-Putsch beteiligt]. Der Lübcke-Mörder hing
       Plakate für die AfD auf und [7][demonstrierte in Chemnitz], wo die AfD den
       Schulterschluss mit Rechtsextremisten übte.
       
       Adam macht in seinem Wohnzimmer vor allem Mitgründer Alexander Gauland für
       das Abdriften der AfD verantwortlich, der stets seine schützende Hand über
       den völkischen Flügel der Partei gehalten habe. Adam hat sich spürbar mit
       Gauland überworfen, hält ihn für einen Strippenzieher, dem es nur um seinen
       Machtgewinn gegangen sei. Inhaltlich wirft er ihm wenig vor außer
       Profillosigkeit. Ruiniert habe die Partei letztlich die Kombination aus
       Radikalen und Opportunisten, ist Adam überzeugt.
       
       Gauland lebe in zwei Welten, sagt Adam, inhaltlich werde er nicht mehr
       schlau aus ihm: „Was ist von der Überzeugung eines Mannes zu halten, der
       ein Wahlprogramm mit Fontane-Zitaten schmückt, belesen ist, gute Reden
       hält, sich aber dann mit einem Kerl wie Kalbitz verbündet?“ Andreas Kalbitz
       gilt als Flügel-Netzwerker, wurde aber wegen seiner neonazistischen
       Vergangenheit vorerst aus der Partei geworfen.
       
       ## Enttäuscht von Helmut Kohl
       
       Adam sagt: „Als ich mit Gauland noch sprach, fragte ich ihn mal, warum er
       denn das erste Landeswahlprogramm für Brandenburg ins Russische übersetzen
       ließ. Da sagte er mir nur: ‚Ich will gewählt werden – egal von wem.‘ Meiner
       Ansicht nach eine gefährliche Position, denn wer so denkt, wird über Nacht
       vom Treiber zum Getriebenen. Das ist das Schicksal Gaulands.“
       
       Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie beschäftigt sich seit Langem mit
       den radikalen Randzonen im deutschen Konservatismus und hat dazu schon im
       Jahr 1987 das Buch „Der Geist steht rechts. Ausflüge in die Denkfabrik der
       Wende“ geschrieben. Am Telefon ordnet Leggewie Intellektuelle wie Konrad
       Adam und Alexander Gauland klar ein: Sie seien enttäuscht gewesen vom
       Ausbleiben einer konservativen Wende, die bereits Helmut Kohl Anfang der
       80er Jahre versprochen, aber nicht eingehalten hatte. Die Wende hätte
       letztlich die 68er-Revolution und die damit verbundenen Liberalisierungen
       rückgängig machen sollen. In dieser Tradition werde auch Merkel betrachtet,
       die dafür sorgte, dass die Union sich dem Zeitgeist anpasste und in der
       Mitte angedockt blieb.
       
       Leggewie sieht Adam und Gauland als Teil einer großen revisionistischen
       Bewegung von 1945 bis heute, der er auch konservative Heimatlose wie
       Hans-Georg Maaßen zuordnen würde. Sie wollten den Konservatismus „retten“,
       und das gehe aus ihrer Sicht nicht mit Anpassung, sondern nur noch mit
       einer konservativen Revolution – um die alte Ordnung von Gott, Vaterland
       und Familie wiederherzustellen und letztlich die weiß-männliche
       Vorherrschaft zu erhalten.
       
       Faschistisch sei das allerdings noch nicht, sagt Leggewie: „Das sind
       Konservative, die eher aus Verzweiflung faschistisches Vokabular
       verwenden.“ Nach Orbáns Vorbild arbeiteten sie daran, die parlamentarische
       Demokratie zu destabilisieren. „Sie eröffneten damit eine Grauzone, oder
       besser gesagt Braunzone, zwischen Faschismus und Konservatismus“, sagt
       Leggewie. Wichtige Antreiber seien auch Wirtschaftsprofessoren wie Lucke
       gewesen, die einen „wirtschaftsliberalen D-Mark-Nationalismus“
       propagierten.
       
       Wichtig zum Verständnis von Gauland, Adam und Co. sei die
       ressentimentbehaftete Ablehnung der Migrationspolitik der ehemaligen
       Kanzlerin. Diese wiederum lasse sich weniger gut erklären: „Dem
       Ressentiment kann man mit einem menschenrechtlich-humanitären Argument oder
       wirtschaftlichem Nutzenkalkül nicht beikommen“, sagt Leggewie. Dieses
       Ressentiment gelte in klassisch-konservativer Tradition letztlich dem
       vaterlandslosen Juden – nichts anderes meinten Bezeichnungen wie
       Globalisten, Kosmopoliten oder auch westliche Dekadenz.
       
       ## Stärkste Kraft im Osten?
       
       Das Ressentiment lässt sich besonders gut beim verbliebenen Gründer
       wiederfinden – dem heutigen Ehrenvorsitzenden der Partei, Alexander
       Gauland. Der 82-Jährige war 40 Jahre lang CDU-Mitglied. Er leitete ab 1987
       unter anderem als Staatssekretär die Kanzlei des Hessischen
       Ministerpräsidenten Walter Wallmann und war ab 1991 Herausgeber der
       Märkischen Allgemeinen in Potsdam.
       
       Als Gauland schließlich [8][2016 im brandenburgischen Elsterwerda] auf eine
       Bühne stieg, sprach er bei der „Demonstration für unsere Heimat“ von einer
       „Politik der menschlichen Überflutung“. Man wolle „das deutsche Volk
       allmählich ersetzen durch eine aus allen Teilen dieser Erde herbeigekommene
       Bevölkerung“ – neurechte Ideologie im Reintext. Ähnlich
       ressentimentbehaftete Äußerungen Gaulands sind schon seit Anfang der
       Neunziger bekannt – nur skandalisierte sie damals niemand.
       
       Wenige Tage vor ihrem 10-jährigen Jubiläum lädt die AfD zu einem
       Medienempfang im Bundestag. Weidel und Chrupalla haben in das edle
       Abgeordnetenrestaurant auf Fraktionsebene eingeladen. Es gibt teure Snacks,
       gute Weine und ein Trio mit Saxofon, Xylofon und Kontrabass. Die meisten
       Abgeordneten scheinen gut gelaunt, die AfD profitiert von der geschürten
       Angst vor der Energiekrise. Viele Demokrat*innen schauen besorgt auf
       die Landtagswahlen 2024, wo die AfD in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg
       stärkste Kraft werden könnte.
       
       ## Auf ein Glas Wein mit Alexander Gauland
       
       Selbst Gauland, der sonst eher in die zweite Reihe getreten ist, ist an
       diesem Mittwochabend gekommen. Er trägt wie immer Tweed-Jackett und trinkt
       Rosé. Auf Nachfrage erklärt er sich bereit, vor der Tür Fragen zum
       Jahrestag der AfD zu beantworten.
       
       Gegründet habe er die AfD, weil „es in der CDU der Merkel-Ära nicht mehr
       möglich war, klar konservative Positionen zu formulieren und damit auch
       durchzudringen.“ Es habe damals keine wirkliche Opposition mehr gegeben,
       sagt Gauland. Zu Adam habe er „leider“ keinen Kontakt mehr, weil dieser ihm
       vorgeworfen habe, ihn nicht ausreichend bei der Wiederwahl in den
       Bundesvorstand unterstützt zu haben.
       
       Gauland hat noch vor dem ersten Einzug in den Bundestag den Weg der
       Fundamentalopposition für die AfD ausgerufen, den die Partei seither
       konsequent verfolgt. Kürzlich hat Parteichefin Weidel davon gesprochen, ab
       2024 mitregieren zu wollen. Wenn es nach Gauland geht, muss sich dafür
       allerdings die CDU bewegen: „Fundamentalopposition wird bleiben und die
       Regierungsfähigkeit hat nur wenig damit zu tun, was wir jetzt machen“, sagt
       er.
       
       Der von Beobachtern seit Beginn und von Aussteigern spätestens seit 2014
       dokumentierten Radikalisierung der AfD widerspricht Gauland vehement. Nicht
       die Partei, sondern die Themen hätten sich verändert: „Es ging bei Bernd
       Lucke um den Euro und die Verschuldung, es ging danach um einen Zustrom von
       Menschen aus fremden Kulturkreisen, die sozusagen die deutsche
       Staatsangehörigkeit veränderten“, so Gauland. Es ist erneut die Erzählung
       vom Großen Austausch.
       
       Demonstrativ betont er auf Nachfrage sein gutes Verhältnis zu Höcke:
       „Dinge, die man falsch auslegen kann, haben wir alle schon gesagt. Ich
       auch. Höcke ist ein sehr guter Landespolitiker, sehr vernünftig und in
       keiner Weise rechtsradikal. Ich bin auch nicht bereit, diese Zuschreibungen
       des Verfassungsschutzes zu akzeptieren.“
       
       Ob er zufrieden sei mit der Entwicklung seiner Partei? Gauland sagt: „Ich
       bin nicht unzufrieden.“
       
       5 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/30/alternative-fuer-deutschland-gruendung-bernd-lucke
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-bernd-lucke-spricht-sich-fuer-afd-beobachtung-durch-verfassungsschutz-aus-a-1250739.html
 (DIR) [3] /Thueringer-Antrag-gegen-das-Gendern/!5894568
 (DIR) [4] /CDU-im-Osten/!5900964
 (DIR) [5] https://twitter.com/NurderK/status/1620011749587193856
 (DIR) [6] /Verhaeltnis-von-AfD-zu-Reichsbuergern/!5900281
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 (DIR) Kampf gegen Rechtsextremismus: Aus neurechts wird rechtsextrem
       
       Der Verfassungsschutz stuft die AfD Jugend, das Institut für Staatspolitik
       und den Verein Ein Prozent als rechtsextrem ein. Dort reagiert man trotzig.
       
 (DIR) Nach „Volksverrat“-Vorwurf: AfD streitet weiter um Russlandkurs
       
       Nachdem der AfD-Abgeordnete Lucassen zwei Kollegen „Volksverräter“ nannte,
       drohen ihm interne Konsequenzen. Gleiches gilt für den Putin-Fan
       Tillschneider.
       
 (DIR) Nicolaus Fest droht Parteiausschluss: Unbeglichene Rechnung in der AfD
       
       Die AfD-Spitze will den EU-Abgeordneten Nicolaus Fest aus der Partei
       werfen. Wegen eines Machtkampfes hat er seine Mandatsbeiträge nicht mehr
       gezahlt.
       
 (DIR) Verfassungsschutz-Einschätzung der AfD: Im rechten Sumpf
       
       Niedersachsens AfD stellte eine parlamentarische Anfrage, um die Arbeit des
       Verfassungsschutzes in Zweifel zu ziehen. Daraus wurde ein Eigentor.
       
 (DIR) Neuer Vorstand der AfD Berlin: Rechtsaußen ist noch ein bisschen Platz
       
       Der neue Landesvorstand der AfD ist radikal wie nie. Die Vorsitzende
       Brinker sitzt fest im Sattel aufgrund ihres Bündnisses mit den Völkischen.
       
 (DIR) Keine Aufnahme in AfD-Fraktion: Helferich muss draußen bleiben
       
       Trotz einfacher Mehrheit gelingt dem „freundlichen Gesicht des NS“ nicht
       die Aufnahme in die AfD-Fraktion. Kritik kommt aus der Jungen Alternative.
       
 (DIR) Demos in Dresden: Solidarität und Widerstand
       
       Am Jahrestag des russischen Angriffskriegs zeigt Dresden seine
       Unterstützung für die Ukraine. Aber auch die extrem rechte Szene marschiert
       auf.
       
 (DIR) Landesparteitag der AfD in Hamburg: Weiter so trotz Zerwürfnissen
       
       Dirk Nockemann will in Hamburg wieder als Spitzenkandidat der AfD antreten.
       Zugleich läuft hinter den Kulissen allerhand schief.
       
 (DIR) Bundesverfassungsgericht zu AfD-Stiftung: Kein Geld ohne Gesetz
       
       Bisher hat die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung kein Geld bekommen. Zu
       Unrecht, sagt Karlsruhe. Der Grund: Die Finanzierung ist unklar geregelt.
       
 (DIR) AfD-Ergebnis bei der Berlin-Wahl: AfD bleibt pöbelnder Zuschauer
       
       Die extrem rechte AfD hat auf mehr gehofft bei der Abgeordnetenhauswahl und
       gewinnt vier Mandate dazu. Gewählt wird sie für ihren Rassismus.
       
 (DIR) AfD und Russland: AfD kuschelt weiter mit Putin
       
       Streit um Stalingrad-Gedenken: AfD-Chef Chrupalla legte mit dem russischen
       Botschafter einen Kranz nieder. Kritik gab es auch an einem „Friedensplan“.
       
 (DIR) Sozialwissenschaftler über 10 Jahre AfD: „Es fehlt die Machtperspektive“
       
       Im Osten sei der Wandel der AfD zur rechtsextremen Partei abgeschlossen,
       sagt der Rechtsextremismus-Experte David Begrich.
       
 (DIR) Politikwissenschaftler über 10 Jahre AfD: „Die AfD verrottet von unten“
       
       Auch in der Opposition richtet die AfD Schaden an, sagt
       Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch. Er glaubt aber, dass die
       Brandmauer hält.
       
 (DIR) Hans-Georg Maaßen droht Parteiausschluss: Das CDU-Maß überschritten
       
       Tritt der Ex-Verfassungsschutzchef nicht selbst aus der Partei aus, soll
       der Bundesvorstand ein Verfahren einleiten. Das beschloss das
       CDU-Präsidium.
       
 (DIR) AfD-Politiker zitierte SA-Losung: Zähe Ermittlungen gegen Höcke
       
       Der AfD-Politiker verwendete bei einer Rede 2021 die SA-Losung „Alles für
       Deutschland“. Strafrechtler kritisieren, dass es noch keine Anklage gibt.
       
 (DIR) Verhältnis von AfD zu Reichsbürgern: Ein Königreich für die AfD
       
       Die AfD verharmlost Reichsbürger und tut sich mit der Distanzierung schwer.
       Kein Wunder: Das Reichsbürger-Milieu ist Resonanzraum für die Partei.