# taz.de -- Asylverfahren in Drittstaaten: Die Verzweifelten irgendwo abladen
       
       > Italien will Schutzsuchende in Albanien verwahren, bis über ihre
       > Asylanträge entschieden ist. Entscheidet sich auch Deutschland für das
       > Modell?
       
 (IMG) Bild: Überlebende eines Schiffunglücks auf dem Mittelmeer an Bord des Rettungsschiffs Geo Barents
       
       Die Leichenhalle soll direkt neben der Pier entstehen, für die, die auf dem
       Weg gestorben sind. Für die anderen ist der Parcours genau vorgezeichnet:
       Warten, Krätze-Screening, medizinische Untersuchung, Warten, polizeiliche
       Registrierung, Warten, Abtransport in Bussen. 3.500 Quadratmeter groß wird
       das neue Ankunftszentrum im Hafen der albanischen Kleinstadt Shëngjin, 4
       Meter hoch der Zaun, auch das ist schon genau in den Plänen festgelegt.
       
       39 Seiten ist das der taz vorliegende „Protokoll“ stark, [1][das Albaniens
       Ministerpräsident Edi Rama und Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni am
       Montag in Rom unterzeichneten]. Neben dem Registrierungszentrum im Hafen
       darf Italien bis Frühjahr 2024 noch ein weiteres Lager mit knapp 3.000
       Plätzen, auf einem alten Militärgelände etwas weiter nördlich, errichten.
       Auf Hoher See Gerettete will Italien künftig dorthin, statt auf das eigene
       Festland bringen. Bewacht von italienischer Polizei sollen bis zu 36.000
       Menschen pro Jahr dort den Ausgang ihres italienischen Asylverfahrens
       abwarten. Am Ende soll die Einreise nach Italien oder, wohl häufiger, die
       Abschiebung stehen.
       
       Ein Coup für Meloni, eine Überraschung für alle anderen. Kein anderer
       EU-Staat hat bisher einen vergleichbaren Deal mit einem Drittstaat
       abschließen können. Rama hatte 2018 noch gesagt, Albanien werde „niemals
       solche EU-Flüchtlingslager akzeptieren“. Dies gelte auch dann, wenn seinem
       Land als Gegenleistung ein EU-Beitritt in Aussicht gestellt werde. Er sei
       grundsätzlich dagegen, „verzweifelte Menschen irgendwo abzuladen wie
       Giftmüll, den niemand will“.
       
       Doch Meloni hatte Rama im Sommerurlaub besucht, und ihn offenbar
       weichgekocht. Sogar die EU-Kommission war überrumpelt. Man stehe „in
       Kontakt mit den italienischen Behörden“ und „bitte um detaillierte
       Informationen“ hieß es am Dienstag aus Brüssel. Klar sei: An der
       „vollständigen Anwendung [2][der EU-Asylvorschriften]“ führe kein Weg
       vorbei.
       
       ## Politische Signalwirkung
       
       Tatsächlich weiß niemand, wie Italien das Vorhaben genau umzusetzen
       gedenkt. Der politischen Signalwirkung tut das aber keinen Abbruch.
       
       Denn justament nach dem Treffen von Meloni und Rama, am Montagabend
       nämlich, [3][trafen sich in Berlin auch die Ministerpräsidenten der Länder
       mit der Bundesregierung]. Auf der Tagesordnung: Die Asylpolitik. Und die
       Unions-geführten Länder waren entschlossen, auf dem Gipfel „Asylverfahren
       in Drittstaaten“ zu beschließen. Unterstützung bekamen sie vom grünen
       Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg. Der Rest
       der Runde war dagegen.
       
       Am Ende der nächtlichen Verhandlungen stand dann ein Prüfauftrag: Die
       Bundesregierung soll nun klären, ob und wie solche Verfahren in
       Drittstaaten möglich wären. Die Debatte liege „in der Luft, und es wäre
       doch ganz absurd, sich damit nicht zu befassen“, sagte Bundeskanzler Olaf
       Scholz (SPD) danach. Doch er sagte auch: Vieles, was gerade öffentlich
       diskutiert werde, sei unter anderem mit EU-Recht „nicht vereinbar“ und auch
       „praktisch sehr schwierig“. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
       sieht den Plan kritisch.
       
       Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel angekündigt, zu prüfen, „ob die
       Feststellung des Schutzstatus in Ausnahmefällen (…) in Drittstaaten möglich
       ist“. Als die Ampel im vergangenen Winter ihren „Sonderbevollmächtigten für
       Migrationsabkommen“, den FDP-ler Joachim Stamp vorstellte, kündigte der
       direkt an, die Verlegung von Asylverfahren nach Afrika anzustreben. „Dann
       würden auf dem Mittelmeer gerettete Menschen für ihre Verfahren nach
       Nordafrika gebracht werden“, sagte Stamp. „Das erfordert aber sehr viel
       Diplomatie und einen langen Vorlauf.“
       
       Auf taz-Anfrage dazu, wie solche Abkommen genau gestaltet sein sollten,
       antwortete Stamp bis Redaktionsschluss nicht.
       
       ## Otto Schilys Idee
       
       Schon 2004 setzte der damalige SPD-Innenminister Otto Schily „Auffanglager
       in Nordafrika“ auf die Tagesordnung des EU-Ministerrats, gemeinsam mit
       seinem damaligen italienischen Kollegen Giuseppe Pisanu. Sie argumentierten
       mit dem Schutz vor dem Ertrinken im Meer. Doch tatsächlich geht es bei den
       Lager, bis heute, wohl vor allem darum, Menschen am Ankommen in der EU zu
       hindern – und sie hernach nicht abschieben zu müssen. Die Grünen waren
       damals dagegen – sie fürchteten, die Lager könnten „rechtsfreie Räume“
       werden. Und auch der Rest der EU lehnte ab.
       
       2016 [4][schlug Thomas de Maizière (CDU) dann vor, im Mittelmeer gerettete
       Flüchtlinge in Aufnahmelager in Nordafrika zu bringen] und dort ein Anrecht
       auf Asyl zu prüfen. Auch sein Nachfolger Horst Seehofer von der CSU wollte
       „Ausschiffungsplattformen“ in nordafrikanischen Ländern, um dort
       Asylverfahren abzuwickeln.
       
       All das scheiterte vor allem daran, dass bis zum vergangenen Montag kein
       Nachbarland der EU mitziehen wollte – obwohl für Länder wie Tunesien dabei
       viel Cash drin wäre. Doch deren Regierungen fürchten, dass jene Menschen,
       deren Anträge abgelehnt werden, die aber nicht abgeschoben werden können,
       letztlich im Land bleiben. Im Italien-Albanien Deal ist dieser Punkt bisher
       offen.
       
       Überraschend war, dass nun auch aus den Reihen der Grünen Unterstützung
       kam. Und zwar vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried
       Kretschmann. Der hatte am Montag mit seiner Unterstützung für die
       Unions-Ministerpräsidenten manchen in der Partei vor den Kopf gestoßen.
       
       Der MPK-Beschluss sei ein „ganz wichtiger Schritt zu mehr Ordnung in der
       Migrationspolitik“, sagt Kretschmann im Gespräch mit der taz (das
       vollständige Interview lesen sie in der Montagsausgabe). Die Idee mit den
       Asylverfahren in Drittstaaten stehe ja bereits im Koalitionsvertrag. Die
       Grünen seien „dem also bereits gefolgt“. Allerdings sei er „mit Blick auf
       die Umsetzung skeptisch“, sagt Kretschmann. „Voraussetzungsreich und
       hochkomplex“ sei die. Doch wer „mehr Humanität wolle“, müsse das Sterben
       auf dem Mittelmeer beenden. „Wir sollten uns in einer solch schwierigen
       Situation Ideen nicht von vornherein verschließen.“
       
       ## Abschottung? Wo das denn?
       
       Die Grünen hätten mit ihrer Zustimmung zum Gemeinsamen Europäischen
       Asylsystem und dem „Migrationspaket 2“ der Ampel bereits einen „klaren
       Kurs“ eingeschlagen. „Das wird jetzt mit dem Beschluss der
       Ministerpräsidentenkonferenz weitergeführt.“ Von Abschottung, wie die Grüne
       Jugend sie beklage, könne keine Rede sein. „Allein Baden-Württemberg hat
       mehr ukrainische Geflüchtete als Frankreich.“
       
       Kretschmann hatte sich NRWs Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)
       angeschlossen, der in der Welt „Asylverfahren in Drittstaaten“ gefordert
       hatte. Nordafrikanische Staaten sollten sich demnach verpflichten, alle
       Geflüchteten, die aus ihrem Land irregulär in die EU einreisen,
       zurückzunehmen. Anschließend sollten dort „Verfahren und Schutzgewährung
       nach rechtsstaatlichen Regeln stattfinden“. Wie genau und was mit
       Anerkannten und Abgelehnten geschehen soll – dazu sagte Wüst nichts. Nach
       dem Ländergipfel sagt sein Sprecher auf taz-Nachfrage nur knapp, die
       „Prüfung und die genaue Ausgestaltung bleiben abzuwarten“.
       
       Wie Wüst drücken sich viele davor, ihre Vorstellungen näher zu
       konkretisieren. Denn da wird es meist kompliziert.
       
       Die kursierenden Pläne für die ausgelagerten Asylverfahren unterscheiden
       sich erheblich. Das im Juni 2022 nach Gerichtsbeschlüssen auf Eis gelegte
       Projekt Großbritanniens etwa siegt vor, ankommende Asylsuchende für die
       Verfahren nach Ruanda auszufliegen, und den ostafrikanischen Staat dafür
       bezahlen, dass er auch die Anerkannten danach behält und vor Ort
       integriert.
       
       Einen anderen Plan haben die drei SPD-Bundestagsabgeordneten Lars
       Castellucci, Frank Schwabe und Fabien Funke am Dienstag ihrer Fraktion
       vorgestellt.
       
       ## Der Plan der SPDler
       
       Ihnen schweben „Migrations-Zentren“ in sicheren Drittstaaten vor. Die
       sollen im Gegenzug Geld und Visa-Erleichterungen für die eigenen
       Staatsbürger:innen bekommen.
       
       Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR, die EU und der jeweilige Drittstaat sollen
       die Zentren gemeinsam betreiben. Schutzsuchende sollen dort von sich aus
       vorstellig werden und Asylanträge stellen können. Niemand dürfe in den
       Zentren gegen seinen Willen festgehalten werden, heißt es in ihrem
       „Impulspapier“. Gleichzeitig sollen Menschen, die irregulär in die EU
       eingereist sind, dorthin gebracht werden – und den Ausgang ihres
       Asylverfahrens abwarten.
       
       Wer anerkannt wird, darf in die EU ausreisen. An dieser Stelle ist das
       Papier widersprüchlich. Die Rede ist von „Kontingenten“, was eine Deckelung
       bedeuten würde. Andererseits heißt es auch, er werde „keine Obergrenze“
       geben.
       
       Es solle eine „Alternative zu den gefährlichen Fahrten etwa über das
       Mittelmeer“ sein, sagt Funke der taz. Die Berechtigten sollen auf
       EU-Staaten verteilt werden. Er sehe da „mehr Potenzial für eine Einigung
       als bei der seit Jahren strittigen Verteilung Asylsuchender.“ Schließlich
       gehe es um Menschen, deren Schutzanspruch schon geklärt sei. Außerdem sei
       diese reguläre Migration deutlich besser plan- und organisierbar.
       
       Geht es nach Funke, sollen Menschen in diese Zentren gebracht werden, die
       an den EU-Außengrenzen aufgegriffen würden – etwa durch die von den
       SPD-lern ebenfalls geforderte staatliche Seenotrettung. „Ich halte wenig
       davon, Menschen, die hier in Deutschland ankommen, für ein Asylverfahren
       wieder in einen Drittstaat zu überführen,“ sagt Funke. Die sollen ihr
       Verfahren auch künftig in Deutschland bekommen.
       
       ## Tunesien? Derzeit keine Option!
       
       Funke ist auch die Abgrenzung zu Vorschlägen aus der Union wichtig. Die
       hatte zuletzt mehrfach ins Spiel gebracht, das Grundrecht auf Schutz durch
       gedeckelte Kontingentlösungen zu ersetzen. „Das individuelle Recht auf Asyl
       steht für uns nicht in Frage, weder hier, noch in den Zentren“, sagt Funke.
       
       Auch er hat aber keine Antwort auf die Frage, was mit abgelehnten
       Asylsuchenden passieren soll. Offen bleibt auch, welche Länder für ein
       solches Verfahren in Frage kommen. Sie sollten entlang der wichtigen
       Fluchtrouten liegen, so Funke, „Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte“
       sollten gesichert sein. „Idealerweise reden wir über Demokratien.“ Tunesien
       etwa sei für ihn derzeit keine Option. Jetzt aber konkrete Länder zu
       benennen würde Verhandlungen mit Drittstaaten vorgreifen.
       
       Doch viele Fragen bleiben offen. Welches Recht soll in einem externen
       Asylverfahren angewandt werden? Wo sind Rechtsmittel einzulegen?
       Tatsächlich sagt kaum einer der Befürworter der externen Asylverfahren, wer
       die Prüfungen in solchen Lagern unter welchen Prämissen durchführen soll.
       
       Für deutsche Asylverfahren ist das in Nürnberg ansässige Bundesamt für
       Migration und Flüchtlinge (Bamf) zuständig. Dürfte es Beamte etwa nach
       Nordafrika schicken, um dort Flüchtlinge anzuhören?
       
       Eine konkrete Antwort darauf gibt das Bamf auf Anfrage der taz nicht. Die
       Behörde verweist an das Bundesinnenministerium. Dessen Sprecher sagt, es
       prüfe mit Blick auf den Koalitionsvertrag, ob die „Feststellung des
       Schutzstatus in Ausnahmefällen“ in Drittstaaten möglich ist. „Die Prüfung
       dauert angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Komplexität der
       Fragestellung noch an.“ Nach dem MPK-Beschluss vom Montag werde nun auch
       geklärt, ob die Feststellung des Schutzstatus „zukünftig auch in Transit-
       oder Drittstaaten erfolgen kann.“
       
       Also nicht nur in Ausnahmefällen.
       
       ## Das UNHCR hat noch keiner gefragt
       
       Viele denken an eine von der EU getragene Lösung. Die hat eine eigene
       Asylbehörde namens EUAA mit Sitz in Malta aufgebaut. Sie führt faktisch
       seit Jahren in Griechenland Asylverfahren durch. Das soll die dortigen
       Behörden entlasten. Theoretisch könnte die EUAA dies auch in Lagern in
       Drittstaaten tun. Doch seit es die Behörde gibt, versucht sie jeden
       Anschein vermeiden, Kompetenzen der nationalen Asylbehörden an sich ziehen
       zu wollen. Würde der Eindruck entstehen, Brüssel selbst wolle mittels der
       EUAA künftig entscheiden, wer in Europa Asyl bekommt, und die Länder
       müssten die Menschen dann aufnehmen, wäre der nächste Zoff mit Regierungen
       wie jener in Ungarn gewiss.
       
       Entsprechend zurückhaltend ist die EUAA bei der Frage nach ihrer Rolle zu
       Asylverfahren in Drittstaaten. Man wolle „nicht über unbekannte Szenarien
       spekulieren“, wiegelt ein Sprecher auf taz-Anfrage ab. Alles, was man sagen
       könne, sei, dass „das Europäische Asylsystem auf EU-Territorium gilt.“
       Übersetzt heißt das: Wer erstmal hier ist, der kann nicht ohne Verfahren
       einfach woandershin abtransportiert werden.
       
       Viele, die die Asylverfahren auslagern wollen, setzen dabei auf das
       UN-Flüchtlingswerk UNHCR. Das kann den Flüchtlingsstatus einer Person
       offiziell feststellen – und könnte dies auch in von der EU eingerichteten
       Lagern in Drittstaaten tun. Allerdings ist es darauf angewiesen, dass sich
       dann ein Aufnahmeland für die Person findet.
       
       Von den Vorschlägen, bei denen sie eine Rolle spielen soll, erfährt die
       Organisation dieser Tage allerdings nur aus der Zeitung. Mit ihr gesprochen
       hat noch keiner der Befürworter. Entsprechend zurückhaltend äußert sich die
       Genfer Zentrale gegenüber der taz. Überstellungen in sichere Drittstaaten
       seien nur dann angemessen, wenn diese Länder die Flüchtlingskonvention und
       die menschenrechtlichen Verpflichtungen „in vollem Umfang respektieren“.
       
       Die Verantwortung für die Flüchtlinge müsse fair unter den Staaten geteilt
       werden, „anstatt sie nur zu verlagern“, so der UNHCR. Für die Prüfung von
       Asylanträgen sei „primär“ der Staat zuständig, an dessen Land- oder
       Seegrenzen ein Asylantrag gestellt wird. Daran ändere auch die Überstellung
       oder die extraterritoriale Bearbeitung nichts.
       
       Man sei jedenfalls „bereit, mit allen Staaten zusammenzuarbeiten, um im
       Einklang mit den internationalen Standards“ und „im Geiste der
       länderübergreifenden Zusammenarbeit“ die Rechte von Flüchtlingen zu wahren.
       
       Soll heißen: Man würde unter gewissen Umständen wohl bei einem solchen
       Modell mitmachen.
       
       ## Kollision mit dem EU-Recht
       
       Der Wiesbadener Jura-Professor Maximilian Pichl sieht indes große Hürden.
       Bei dem jüngsten Deal von Albanien und Italien sei beispielsweise völlig
       unklar, wie die Insassen der neuen Lager in Albanien Zugang zu
       italienischen Gerichten erhalten. „Wie soll das bewerkstelligt werden?“
       fragt Pichl. Dass die faktische Haft im Lager in Albanien mit der
       Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sei, bezweifelt er. Zudem
       sehe das EU-Recht Verfahren außerhalb des EU-Territoriums gar nicht vor.
       
       Menschen aus Deutschland für ein deutsches Asylverfahren in Drittstaaten zu
       bringen, sei „nicht tragfähig“ meint Pichl. Und anders als Italien als
       Ersteinreisestaat, müsse Deutschland immer erst prüfen, welcher Staat gemäß
       der Dublin-Verordnung zuständig sei. Dies zu umgehen und Menschen einfach
       in Drittstaaten zu schicken, sei gar nicht möglich.
       
       Der Konstanzer Jurist Daniel Thym glaubt, dass es für Menschen, die
       EU-Territorium erreichen, zunächst „ein kurzes Asylverfahren“ in der EU
       geben müsse. Erst wenn dieser Antrag abgelehnt werde, könnten Menschen in
       sichere Drittstaaten abgeschoben werden.
       
       Anders sei es, wenn die Person auf Hoher See aufgegriffen wird – wie jene,
       die Italien nun nach Albanien schicken will. Dann müsse nur geprüft werden,
       ob in einem Drittstaat Gefahr drohe, etwa eine Kettenabschiebung in einen
       Verfolgerstaat. Ist das nicht der Fall, sei eine Überstellung in einen
       Drittstaat möglich.
       
       Die NGO Pro Asyl sieht die Debatte mit Sorge. Grundsätzlich sei zu
       begrüßen, wenn es mehr sichere Zugangswege zu Asyl in Europa gebe, sagt
       ihre Sprecherin Wiebke Judith. Pro Asyl fordere seit langem etwa mehr
       Resettlement – die Umsiedlung Schutzbedürftiger auf Basis von Kontingenten.
       „Auch dabei wird ja schon im Herkunfts- oder Transitstaat zum Beispiel vom
       UNHCR geprüft, wer schutzbedürftig ist.“ Das würde viel zu wenig genutzt.
       „Und ironischerweise fordert die Union ja momentan, dies komplett
       einzustellen“, sagt Judith.
       
       Doch dass etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion,
       Thorsten Frei, die Abschaffung des individuellen Asylrechts zugunsten von
       Resettlementprogrammen fordert, „zeigt, worum es der Union geht“, sagt
       Judith: „Nicht um eine Ergänzung der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern
       um einen Ersatz dafür.“ Das sei der Subtext vieler der gerade diskutierten
       Konzepte: „Man will die individuelle? Flucht von Menschen komplett
       unterbinden und dem einen humanitären Anstrich geben“, sagt Judith. „Dabei
       ist die individuelle Flucht für viele Menschen der einzige Weg, sich in
       Sicherheit zu begeben.“
       
       11 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Melonis-Asylverfahrenslager-in-Albanien/!5971750
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       ## AUTOREN
       
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