# taz.de -- Flüchtlingsdeal mit Albanien: Italien setzt auf Abschreckung
       
       > Die Flüchtlingszahlen in Italien steigen. Die Regierung will nun eine
       > restriktivere Unterbringung und vorgelagerte Asylzentren in Albanien.
       
 (IMG) Bild: Protest von Geflüchteten in Bologna, Italien, 14. Oktober 2023
       
       Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni feiert gerne die angeblichen
       Spitzenleistungen ihrer seit Oktober 2022 amtierenden Rechtsregierung. Dazu
       gehört das höchste Wirtschaftswachstum des Landes, seit es EU-Mitglied ist,
       sowie die niedrigste Arbeitslosenquote in der Geschichte Italiens und ein
       Rekord bei den Ausgaben für das Gesundheitswesen.
       
       Einen anderen Rekord zelebriert die Postfaschistin nicht: den bei den
       Ankunftszahlen von Geflüchteten. Seit Januar 2023 gelangten 153.000
       Menschen vor allem [1][über die zentrale Mittelmeerroute] nach Italien, so
       viele wie seit 2016 nicht mehr. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 waren
       etwa 105.000 in Italien eingetroffen. Dabei hatte Melonis
       ultranationalistische Partei Fratelli d’Italia ebenso wie die mindestens
       genauso fremdenfeindliche Lega ihres Koalitionspartners Matteo Salvini im
       Wahlkampf 2022 versprochen, unter ihrer Regierung werde Schluss sein mit
       der „illegalen Einwanderung“.
       
       Um ihrer Wählerschaft zu beweisen, dass sie ihre Versprechen dennoch nicht
       vergessen hat, verfolgt Meloni nun einen anderen Weg: den Geflüchteten das
       Leben noch saurer machen. Die erste Maßnahme zielt auf Minderjährige ab.
       Bisher hatten Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren das Recht, in
       gesonderten Einrichtungen untergebracht zu werden. Künftig sollen sie für
       bis zu fünf Monate in Camps für erwachsene Migrant*innen einquartiert
       werden können. Eine auf Heranwachsende zugeschnittene Betreuung ist dort
       nicht möglich.
       
       Auf Abschreckung zielt eine weitere Maßnahme. [2][Melonis Regierung will
       einen Vertrag mit Albanien abschließen.] Ab dem kommenden Jahr sollen etwa
       700 Geflüchtete auf der anderen Seite der Adria kaserniert werden: in zwei
       von Italien finanzierten und betriebenen Zentren in der nordalbanischen
       Hafenstadt Shengjin und im 20 Kilometer entfernten Gjader. Das eine soll
       Asylbewerber*innen aufnehmen, die sich dort einem „beschleunigten
       Verfahren“ stellen sollen, das andere ist von vornherein als
       Abschiebezentrum geplant. Faktisch handelt es sich um exterritoriale
       Einrichtungen Italiens auf albanischem Territorium.
       
       Um Ärger mit der EU zu vermeiden, schränkt Italiens Regierung den Kreis der
       Flüchtlinge, denen die „albanische Lösung“ droht, ein. Nur von der
       Küstenwache, der Marine oder der Finanzpolizei Gerettete sollen dorthin
       geschickt werden, und das auch nur, wenn sie außerhalb der EU-Gewässer
       aufgegriffen wurden. Zudem sollen weder schwangere Frauen noch
       Minderjährige in die neuen Lager jenseits der Adria kommen.
       
       Zunächst sollten in den ausgelagerten Camps 3.000 Plätze entstehen. Die
       Idee war, dass so pro Jahr 36.000 Flüchtlinge dort statt in Italien
       aufgenommen werden können – bei einer Verweildauer von nur einem Monat.
       Doch Italien schafft es auch jetzt nicht, abgelehnte
       Asylbewerber*innen tatsächlich zurück in ihre Heimat zu schicken; bis
       Ende September 2023 betrug die Zahl für das laufende Jahr gut 3.000.
       
       Die Kosten für die 720 Plätze auf albanischem Boden sollen sich in den
       kommenden fünf Jahren auf mindestens 200 Millionen Euro belaufen. Italiens
       Regierung spricht von einem „historischen Abkommen“. Doch mit „historischen
       Abkommen“ hat Italien bereits Erfahrung. Erst im vergangenen Sommer schloss
       Meloni einen Vertrag mit Tunesiens Präsident Kais Saied, der zusagte,
       weitere Abfahrten von seinen Küsten Richtung Italien zu verhindern.
       
       Der Vertrag blieb toter Buchstabe, doch Meloni hatte damals – wie auch
       jetzt mit Albanien – ihrer Wählerschaft zumindest demonstriert, sich nach
       Kräften zu bemühen, die Migrant*innen von Italien fernzuhalten. Und alle
       aktuellen Umfragen zeigen, dass diese Rechnung Melonis bisher aufgeht.
       
       13 Dec 2023
       
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