# taz.de -- Kinotipp der Woche: Im Spiegel, im Rückblick
       
       > Die Dokus beim KODEX-Festival befragen die Rolle der
       > Bildberichterstattung. Sie erzählen von Krieg und Flucht. Und davon, wie
       > Rettung gelingen kann.
       
 (IMG) Bild: Szene aus Maciek Hamelas Doku „In the Rearview“ (Poland/France/Ukraine 2023)
       
       Als der Krieg Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 zu den heutigen
       Ausmaßen eskalierte, zögerte der polnische Filmemacher Maciek Hamela nicht
       lange: er besorgte sich einen Kleinbus und half, Menschen vor den
       russischen Mördern zu retten. In der Ukraine angekommen, stellte Hamela
       fest, dass er nicht der einzige Freiwillige war, der bei der Evakuierung
       von Millionen Menschen half. Etwas später installierte er eine Kamera in
       dem Kleinbus und sprach mit den Flüchtenden. „In the Rearview“ ist Teil der
       Auswahl des diesjährigen [1][Kodex Documentary Film Festivals], das schon
       seit Sonntag (4. 2.) über vier Kinos stattfindet.
       
       Wer Hamelas Dokumentarfilm „In the Rearview“ sieht, wird schnell bemerken,
       dass die Kamera für viele der Passagiere keine Zumutung ist, sondern eine
       Gelegenheit, die eigene Geschichte zu erzählen. Im Auto berichten sie von
       den Schwierigkeiten, eine Transportgelegenheit zu finden, von alle dem, was
       sie zurück gelassen haben und von den Unsicherheiten, die sie erwarten.
       Manche von ihnen bringt Hamela bis an die polnische Grenze, andere nur
       einige Orte weiter. Einmal wird sein Auto sogar zum improvisierten
       Krankenwagen. Die Fahrer halten sich über Messenger auf dem Laufenden,
       welche Straßen passierbar sind, welche Brücken zerstört und welche Dörfer
       von der ukrainischen Armee gehalten werden. Draußen zieht an den Fenstern
       die Landschaft vorbei. Hamelas Film läuft am Samstag (10. 2., 18 Uhr) im
       [2][Kino Krokodil].
       
       Am Donnerstag (8. 2., 20.30 Uhr) zeigt das Festival im Neuköllner
       [3][Rollberg Kino], den Gewinnerfilm der Goldenen Taube von [4][Dok Leipzig
       im letzten Jahr]: Jonathan Schörnigs „Einhundertvier“. Der Film zeigt in
       Echtzeit die Rettung von 104 Geflüchteten aus dem Mittelmeer.
       
       Mila Turajlić nimmt Material von Stevan Labudović, Kameramann für die
       jugoslawische Wochenschau „filmske novosti“, zum Ausgangspunkt ihres
       Dokumentarfilms „Non-aligned“ (9. 2., 20 Uhr, [5][Kino Krokodil]).
       Labudović fing 1948 als Kameraassistent bei der Wochenschau an und wurde
       über die Jahre zu [6][Titos] Kameramann. In Gesprächen mit Labudović als
       letztem überlebenden Kameramann der Wochenschau folgt Turajlić einerseits
       dessen Rolle als Bildberichterstatter und zeigt andererseits die
       Entwicklung der blockfreien Staaten, die in einem Treffen von deren
       Staatschefs im September 1961 in Belgrad mündete.
       
       Turajlićs formal sehr generischer Dokumentarfilm, der jedes Archivbild mit
       Musik zukleistert bis jede Sperrigkeit verloren ist, entstand in
       Koproduktion mit der Nachfolgefirma der Wochenschauen. Dennoch ist
       „Non-aligned“ als Fallstudie für die Rolle von Bildpropaganda bei der
       Verfertigung eines medialen Erscheinungsbilds sehr interessant.
       
       Über die Beschäftigung mit den Bildern, die Labudović im Auftrag der
       Regierung anfertigte, entwickelt die Regisseurin einen neuen Blick auf die
       Rolle der Bildberichterstattung für die mediale Dauerpräsenz von
       Dauerregierungschef Tito. Im Gespräch mit einer Archivarin stellen die
       beiden Frauen fest, dass sie als Kinder einige Jahre gebraucht haben, um zu
       verstehen, dass jener Mann, der in aller Munde ist, längst tot ist.
       
       Auch die diesjährige Ausgabe des Kodex Documentary Film Festivals bietet
       wieder die Möglichkeit, international preisgekrönte Dokumentarfilme im Kino
       im eigenen Kiez zu sehen.
       
       6 Feb 2024
       
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 (DIR) [4] /Festival-Dok-Leipzig/!5963516
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