# taz.de -- Ausstellung über Die Simpsons: Subversiv in Gelb
       
       > „Die Simpsons“ sind mit 35 Jahren Laufzeit die langlebigste
       > US-Animationsserie. Der schauraum: comic + cartoon in Dortmund widmet ihr
       > eine Ausstellung.
       
 (IMG) Bild: „Hallo, wir sinds wieder“: Familie Simpson auf der Wohnzimmercouch
       
       Kann eine Zeichentrickserie über sich selbst reflektieren? Das Intro zu
       einer Folge der „Simpsons“ beweist es. Kaum hat die bekannte Familiensippe
       auf ihrer Couch Platz genommen, fährt die Kamera zurück und zeigt ihr
       behagliches Wohnzimmer auf dem Bildschirm einer düsteren südostasiatischen
       Fabrik, in der die Animationsserie anscheinend hergestellt wird.
       
       Die von unzähligen depressiven Zeichnerinnen in einer dunklen Halle
       gezeichneten Folien werden von Kindern in giftiger Säure fixiert und
       anschließend zu DVDs gepresst. Abgesehen von der dargestellten menschlichen
       Sklaverei werden für die Herstellung der Filme und für Merchandisingartikel
       wie Bart-Simpson-Puppen massenweise Katzen geschreddert, Pandabären und
       sogar ein Einhorn ausgebeutet.
       
       Kenner der Serie nennen die Sequenz zu Beginn jeder Folge nach dem
       Vorspann, in der sich die Familie Simpson auf ihrer Wohnzimmercouch
       versammelt, den „Couch-Gag“, der immer wieder Anlass für besonders
       verrückte Einfälle bietet.
       
       Niemand Geringeres als der britische Street-Art-Künstler Banksy, dessen
       genaue Identität unbekannt ist, hat 2010 das Storyboard für diese düstere
       Überzeichnung einer Trickfilmproduktion entworfen. Sein Konzept haben die
       Simpsons-Macher getreu umgesetzt, mit nur wenigen Änderungen – Plakate, die
       Fox-Senderboss Rupert Murdoch in der Fabrik als alles überschauenden „Big
       Brother“ zeigen, wurden weggelassen.
       
       ## Comics – die Neunte Kunst
       
       Der schauraum: comic + cartoon in Dortmund, eine auf Ausstellungen zur
       Neunten Kunst spezialisierte Galerie, die von dem Kunsthistoriker Alexander
       Braun geleitet wird, widmet [1][der Serie und ihrem Schöpfer Matt Groening]
       nun eine umfassende Schau.
       
       Ein Doppeljubiläum bot den Anlass: Comiczeichner und Serienschöpfer Matt
       Groening wurde jüngst 70 Jahre alt und seine Serie „The Simpsons“ 35 Jahre.
       Eine solch lange Laufzeit hat noch keine Animationsserie und auch keine
       Primetime-Serie in den USA geschafft! Es ist kein Ende in Sicht, die 36.
       Staffel ist bereits in Planung.
       
       Wenn auch die US-Sendequoten zuletzt nicht an den Erfolg der ersten Jahre
       anknüpfen konnten, wird die Serie weiterhin auf der ganzen Welt
       ausgestrahlt: In Alaska wie in Russland, Indien oder China erfreut sie sich
       hoher Beliebtheit. Ihre vor Subversion strotzende Satire scheint selbst in
       autokratisch regierten Ländern durchs Raster zu fallen – vielleicht weil
       Zeichentrick generell gern als „harmloser Kinderkram“ abgetan wird.
       
       ## Von den Feuersteins zu den Simpsons
       
       Doch mit „The Simpsons“ verhält es sich anders: Die Serie wird von jüngerem
       wie von erwachsenem Publikum gleichermaßen geschätzt. Seit dem
       60er-Jahre-Erfolg der „Familie Feuerstein“ schaffte es keine
       Zeichentrickserie mehr ins US-Abendprogramm. Mit ihrem anspielungsreichen,
       oft provokanten Humor ebneten „The Simpsons“ zudem den Weg für weitere
       schräge Animationsserien wie „South Park“, „Beavis und Butt-Head“ oder
       „Family Guy“, die alle in den 90er Jahren starteten.
       
       In der Ausstellung (und noch mehr in dem umfangreichen profunden
       Begleitbuch) wird die persönliche Entwicklung Matt Groenings minutiös
       nachgezeichnet: Seit den 1970er Jahren mühte er sich in Los Angeles ab,
       seine Underground-Comicserie „Life in Hell“ über einen weißen, neurotischen
       Hasen mit Überbiss namens Binky (Alter Ego Matt Groenings) in Magazinen zu
       veröffentlichen, was ihm auch mit immer größerem Erfolg gelang.
       
       Schließlich trat der oscargekrönte Regisseur und Produzent James L. Brooks
       („Zeit der Zärtlichkeit“, „Besser geht’s nicht“) auf Groening zu, mit dem
       Vorschlag, aus seinem Hasen Binky eine animierte Serie für eine neue
       Comedy-Show des frisch gegründeten TV-Senders Fox zu machen. Doch Groening
       erfuhr, dass er an seiner bis dato bekanntesten und persönlichsten
       Schöpfung alle Rechte hätte abtreten müssen.
       
       So entwarf er lieber ganz neue Figuren für das Projekt – die
       Simpsons-Familie entstand also eher zufällig. Die ersten, wenige Minuten
       langen Folgen von 1987 dienten noch als lustige Pausenfüller für die
       „Tracey Ullman Show“, bevor Fox wegen der Beliebtheit der Charaktere der
       Produktion einer ersten Staffel zustimmte, die im Dezember 1989 anlief.
       
       ## Verträge garantieren Narrenfreiheit bei Fox
       
       Der umwerfende, von Groening und Brooks nicht im Entferntesten erwartete
       Erfolg machte nicht nur die Macher der „Simpsons“ über Nacht reich, auch
       Fox expandierte und finanzierte damit seinen Sender Fox News, der schon
       früh für Donald Trump Partei ergriff. Trotzdem konnte sich der subversive
       und oft den Republikanern gegenüber kritische Geist der Serie erhalten,
       dank der Verträge, die Groening quasi Narrenfreiheit garantierten.
       
       Doch was macht das Phänomen Simpsons eigentlich aus? Alles dreht sich um
       die fünf Familienmitglieder mit dem typischen Überbiss: Homer (Typ
       treusorgender, aber grenzdebiler Vater; Angestellter eines Atomkraftwerks),
       Marge (Hausfrau, ihrem Mann an Durchblick oft deutlich überlegen), sowie
       ihre Kinder Bart (rebellischer Bad Boy, frech und wenig helle), Lisa
       (hochbegabte Saxofonspielerin) und Maggie (immer am Schnuller nuckelnd).
       
       Die in der fiktiven Kleinstadt Springfield lebende Familie ist die Parodie
       der amerikanischen Durchschnittsfamilie: durch und durch „dysfunktional“
       und doch zutiefst harmonisch.
       
       Eine Besonderheit der Serie ist, dass sie unter dem Mantel albernen
       Klamauks gesellschaftskritische Fragen stellt und politisch brisante Themen
       anspricht. Dabei werden auch neue Technologien, die die Wirtschaft der USA
       in Gang halten, infrage gestellt. Eine Folge von 2014 widmete sich etwa dem
       Fracking.
       
       Darin entdeckt Marge, dass sich am Wasserhahn ihrer Küchenspüle eine
       Gasflamme entzündet. Schließlich wird klar, dass das ganze Städtchen
       bereits von der teuflischen Technik im Auftrag des Erzkapitalisten Mr.
       Burns „unterwandert“ wird und dadurch die Erdbebengefahr steigt.
       
       ## „Mastermind“ Groening
       
       Hinter „Mastermind“ Groening stehen auch zahlreiche künstlerische
       Mitarbeiter, Animatoren, Autoren und Art-Direktoren wie Bill Morrison, der
       vor allem die Simpsons-Comics prägte. Die in knallgelbem Design gehaltene
       Ausstellung hat zahlreiche seltene Fundstücke aus dem Simpsons-Kosmos
       zusammengetragen: Neben originalen Drehbuchseiten (oft noch
       maschinengeschrieben und fotokopiert) sind unter anderem Figurenstudien,
       Model Sheets, Vorzeichnungen und reingezeichnete farbige originale
       Trickfilmfolien ausgestellt.
       
       Darunter findet sich auch eine von der Independent-Trickfilmikone Bill
       Plympton (der wie Groening in Portland aufwuchs) 2018 genial animierte
       Eröffnungssequenz mit Homer Simpson, die zu einem eigenen Kurzfilm
       ausgebaut wurde.
       
       Der ganze Arbeitsprozess einer Zeichentrickfilmproduktion in klassischer
       Animationstechnik kann dabei am Beispiel der Simpsons nachempfunden werden.
       Die Ausstellung zeigt zahlreiche Serienausschnitte, die man von der
       „originalen Simpsons-Couch“ aus ansehen kann, einer maßstabsgetreuen
       Nachbildung der Familiencouch aus der Serie.
       
       ## „Gelber wird's nicht“
       
       Alexander Braun hat mit „Die Simpsons – Gelber wird’s nicht“ eine
       unterhaltsame, mit vielen verblüffenden Details aufwartende Ausstellung
       geschaffen, die einfach Spaß macht und zeigt, dass Matt Groenings gelbe
       Familie einen Standard in der Unterhaltungsfiktion gesetzt hat.
       
       Damit erweitert der schauraum: comic + cartoon sein Spektrum in Richtung
       Animationsfilm. Der umfangreiche Katalog vertieft einige der in der Schau
       angesprochenen Themen und wird sicher auch manche Simpsons-Veteranen mit
       Insiderinformationen und seltenen Illustrationen überraschen.
       
       4 May 2024
       
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