# taz.de -- Claus Deimel über Bismarck-Denkmal: „Stehen lassen und umdefinieren“
       
       > Die Künstler:innengruppe „Projektion Bismarck“ macht das Hamburger
       > Denkmal zur Projektionsfläche. Sie tut das wörtlich – mit einem
       > Filmprogramm.
       
 (IMG) Bild: Eiserner Kanzler aus Granit: Bismarck-Denkmal am Hamburger Hafen
       
       taz: Herr Deimel, das Bismarck-Denkmal im Elbpark wurde 1906 errichtet.
       Wieso ist es heute [1][so umstritten]? 
       
       Claus Deimel: Otto von Bismarck ist eine der zentralen Figuren der
       sogenannten Kongo-Konferenz, die von 1884 bis 1885 in Berlin stattfand.
       Dort wurde Afrika unter den damaligen Großmächten aufgeteilt. Bismarcks
       koloniales Werk wurde dann von seinen Nachfolgern als Reichskanzler,
       darunter Bernhard von Bülow aus Klein Flottbek bei Altona, fortgeführt. In
       dessen Zeit fallen auch die Massaker an den Herero und Nama. Deswegen
       bleibt Bismarck im Zuge der Aufarbeitung kolonialer Zusammenhänge eine ganz
       wichtige Figur, obwohl es bei ihm [2][auch noch andere Aspekte] gibt.
       
       Sie bringen die Diskussion um die Person direkt an den Ort des Geschehens.
       War die Debatte bisher zu verschlossen? 
       
       Unsere Gruppe beobachtet die Diskussionen um das Denkmal seit drei Jahren,
       seit etwa eineinhalb Jahren machen wir die Projektionen. Wir haben den
       Eindruck, dass es eine relativ elitäre und kleine Diskussion ist – mit viel
       Für und Wider. Diese Punkte müssen aber hinausgetragen und offen
       demokratisch diskutiert werden.
       
       Welche Rolle spielt das Denkmal für den Elbpark und die Stadt? 
       
       Das ist ja ein besonderer historischer Ort, einst stand dort eine Bastion.
       Der Park war früher auch Ausstellungsgelände. Es gibt alte Bilder, die
       zeigen, was man mit so einem Park machen könnte. Aber der ist heute völlig
       heruntergekommen, die Figur ist zugewachsen. Man hatte in den letzten
       Jahren offensichtlich auch kein Interesse, irgendwas zu verändern. Aber das
       Ganze gehört zusammen. Man kann nicht die Figur alleine betrachten, man
       muss auch die Location sehen. Die künstlerischen Möglichkeiten in so einem
       Park sind sehr groß. Unsere Gruppe kommt aus den Bereichen Film, Kunst,
       Fotografie. Und wir haben für uns entdeckt, dass die Figur im jetzigen
       Zustand hervorragend zur Projektion von Bildern geeignet ist – und dass man
       damit auch ein großes Publikum erreichen kann.
       
       Welche Filme werden bei der Projektion gezeigt? 
       
       Ganz verschiedene Kurzfilme, die sich mit dem Thema beschäftigen. Wir haben
       zum Beispiel einen Film von der Eröffnung des Denkmals 1906. Damals war die
       Figur von einem großen Tuch verhüllt, das dann fallen gelassen wurde. Und
       wir haben den Film einfach mal rückwärts laufen lassen, damit das Denkmal
       wieder verhüllt wird, um auch das ganze Für und Wider darzustellen. Wir
       zeigen aber auch andere Aspekte aus ehemals kolonisierten Ländern, zum
       Beispiel Bilder von Menschen aus Afrika oder Lateinamerika, um auch das
       Monumentale der Figur aufzubrechen. Dazu stehen wir mit Künstler:innen
       aus diesen Regionen in Kontakt, die teilweise auch mit politischer Fantasie
       und Poesie arbeiten. Außerdem haben wir auch zu privaten Einsendungen
       aufgerufen.
       
       Im Zuge der Black-Lives-Matter Proteste wurden weltweit kolonialistische
       [3][Statuen gestürzt]. Ist das der richtige Umgang mit problematischen
       Denkmälern? 
       
       Es gibt eindeutig Denkmäler, die man niederreißen muss. Wir würden zum
       Beispiel keine Hitler-Denkmäler akzeptieren und es gibt erwiesenermaßen
       Sklavenhändler, die man nicht mehr sehen will. Es gibt aber auch andere
       Figuren, die eine bestimmte Zeit umfassend reflektieren. Die kann man sehr
       wohl stehen lassen, muss sie aber umdefinieren. Aus meiner Sicht gehört
       Bismarck eher zu dieser Kategorie. Es besteht die Chance, das gesamte
       kolonialistische System deutlich zu machen, das ja bis heute andauert. Auch
       wenn es Begriffe wie „postkolonial“ gibt, leben wir heute eindeutig im
       Neokolonialismus.
       
       Im letzten Jahr gab es [4][mehrere Workshops] zum weiteren Umgang mit dem
       Denkmal. Wie geht es nun weiter? 
       
       Da müssen Sie die Kulturbehörde fragen. Es ist allen klar, dass man das
       Denkmal nicht so stehen lassen kann. Man muss etwas damit machen, es in
       Bewegung setzen und mit heutigen Aspekten neu inszenieren.
       
       29 Jul 2022
       
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