# taz.de -- Ein Mord gab den Anstoß: Die Stimme der Türken > Die Türkische Gemeinde Hamburg feiert heute ihr 30-jähriges Bestehen. Sie > war als Reaktion auf rassistische Morde durch Nazi-Skinheads gegründet > worden. (IMG) Bild: Geste zum Frauentag: Männer der Türkischen Gemeinde verteilen in Altona Rosen. HAMBURG taz | Der Schock in der türkischen Community über den Mord an Ramazan Avcı saß tief. Er wurde nur 27 Jahre alt. Am 21. Dezember 1985 trieben Nazi-Skinheads ihn am S-Bahnhof Landwehr vor ein Auto und erschlugen ihn – nur weil er Türke war. Ein halbes Jahr zuvor war der 29-jährige türkische Bauarbeiter Mehmet Kaymakcı ebenfalls Opfer von drei Skinheads geworden, die ihn nach einem Kneipenstreit auf offener Straße angegriffen und mit einer Gehwegplatte erschlagen hatten. In der Folge verlangten auch gemäßigte Vertreter türkischer Einwanderer radikale politische Konsequenzen. Es war die Geburtsstunde der Türkischen Gemeinde Hamburg (TGH), die heute in der Handelskammer ihren 30. Jahrestag feiert. Der Gründungsvorsitzende Hakki Keskin hatte auf dem Trauermarsch für Ramazan Avcı im Januar 1986 vor 15.000 Teilnehmern die deutsche Gesellschaft aufgefordert, sich endlich als Einwanderungsland zu begreifen und „nicht mehr vom Verständnis auszugehen, wir, die Ausländer sind hier nur provisorisch“. Sein Appell ging aber auch an alle Gastarbeiter, Einwanderer und politische Flüchtlinge aus der Türkei, sich parteiübergreifend und religionsunabhängig zu organisieren. Innerhalb der Community gründeten sich bürgerwehrähnliche Gruppen zur Selbstverteidigung. Nach den Brandanschlägen von Mölln und Solingen mit insgesamt acht Toten 1993 riefen türkische und kurdische Organisationen – auch die TGH – alle 68.000 türkischen und kurdischen MigrantInnen in Hamburg am 2. Juni 1993 zum Generalstreik auf. Der türkischen Community sollte die Aktion Selbstbewusstsein geben. Der Rassismus richte sich nicht allein gegen Flüchtlinge, „sondern gegen uns, die Gastarbeiter, die den Wohlstand gebracht haben und die die Rentenkassen gefüllt haben“, sagte damals der TGH-Vorsitzende Keskin. Dass Migranten in Hamburg immer noch nicht sicher leben können, zeigt der Mord an dem Gemüsehändler Süleyman Taşköprü 2001 durch die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund. Auch wenn die TGH-Vorsitzende Nebahat Güçlü danach die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses forderte, hat die TGH mit ihren knapp 30 Mitgliedsvereinen – vor allem Kultur- und Sportvereine – politisch an Bedeutung verloren. Das liegt auch daran, dass der Vorstand zerstritten ist: Ein Teil ist sozialdemokratisch ausgerichtet, der andere lässt bisweilen Nähe zum türkischen Nationalismus erkennen. Zwar ist der Dachverband für die Integration von Jugendlichen noch immer ein wichtiger Faktor. Aber die meisten Mitglieds-Vereine wollen weder mit der deutschen noch mit der türkischen Politik etwas zu tun haben. 6 Jul 2016 ## AUTOREN (DIR) Peter Müller (DIR) Kai von Appen (DIR) Adil Yigit ## TAGS (DIR) Türkische Gemeinde (DIR) Migration (DIR) Einwanderung (DIR) Gastarbeiter (DIR) Lobby (DIR) Fremdenfeindlichkeit (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Graue Wölfe (DIR) Recep Tayyip Erdoğan (DIR) Schwerpunkt Türkei (DIR) Terroranschlag (DIR) Grüne Hamburg (DIR) Wahlkampf ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Die Morde von Mölln vor 25 Jahren: „Das Thema ist ja nie weg“ Am 23. November 1992 starben drei Türkinnen bei einem Brandanschlag – verübt von Neonazis. Es gibt drei Gedenkveranstaltungen. (DIR) Ohne Nationalisten: Kein Platz für Erdoğan Die Türkische Gemeinde wählt am Sonntag einen neuen Vorstand. Der verspricht mit Blick auf die Skandale der vergangenen Jahre einen Neuanfang. (DIR) Neue Migrantenpartei vor der Gründung: Eine „Alternative für Türken“ Der deutsch-türkische Unternehmer Remzi Aru will eine Migrantenpartei gründen. Er ist einer der größten Fürsprecher Erdoğans in Deutschland. (DIR) Völkermord an den Armeniern: Protest gegen Bundestags-Resolution Türkische Organisationen wollen verhindern, dass der Bundestag eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern verabschiedet. (DIR) Nach Terroranschlag in Ankara: Türken fürchten Gewalt in Deutschland Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Gökay Sofuoğlu warnt vor Polarisierung auch in Deutschland. Auf zahlreichen Demos wird Trauer und Wut bekundet. (DIR) Einzelkämpferinnen: Nicht einsam, eher frei Seit 100 Tagen sitzen Nebahat Güçlü und Dora Heyenn fraktionslos im Parlament. Ein Gespräch über weniger Rechte und Ex-Kollegen, die nicht mehr grüßen. (DIR) Grünen-Politikerin geht: Nebahat Güçlü verlässt ihre Partei Nach langem Streit über ihren Wahlkampfauftritt bei der „Türkischen Föderation“ tritt Hamburger Grünen-Politikerin aus. (DIR) Jahrestag: Ein erstes Opfer Vor 25 Jahren wurde Ramazan Avci in Hamburg von Nazi-Skins ermordet. Nun endlich soll eine Gedenktafel an ihn erinnern.