# taz.de -- Forscher Aden über Polizeibeauftragte: „Aktiv auf Polizeiopfer zugehen“
       
       > Die Ampelkoalition will einen Polizeibeauftragten auf Bundesebene
       > einsetzen. In den Ländern laufe noch viel schief, sagt Polizeiforscher
       > Hartmut Aden.
       
 (IMG) Bild: Hartmut Aden begrüßt die Entscheidung, einen Polizeibeauftragten einzusetzen
       
       taz: Herr Aden, warum brauchen wir überhaupt [1][unabhängige
       Polizeibeauftragte]? 
       
       Hartmut Aden: Viele Menschen trauen sich nicht, [2][Übergriffe und anderes
       Fehlverhalten von Polizist:innen] anzuzeigen. Sie befürchten, dass die
       Polizei Vorwürfe gegen Kolleg:innen nicht unabhängig untersuchen wird.
       Wenn es dennoch zu Ermittlungsverfahren gegen Polizist:innen kommt,
       werden diese von der Staatsanwaltschaft fast immer eingestellt.
       
       Und nun sollen stattdessen unabhängige Polizeibeauftragte in solchen Fälle
       ermitteln? 
       
       Für die straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegen
       Polizist:innen bleibt in Deutschland die Polizei selbst zuständig. Die
       Polizeibeauftragten können aber untersuchen, ob sich hinter den Vorwürfen
       strukturelle Probleme verbergen.
       
       Wie könnten solche strukturellen Probleme aussehen? 
       
       Wenn es immer wieder zu ähnlichem Fehlverhalten kommt, könnte dies an einer
       unzureichenden Ausbildung liegen oder an einer problematischen Gesetzes-
       oder Weisungslage – oder daran, dass ein Fehlverhalten von den Vorgesetzten
       systematisch gedeckt wird.
       
       Können Polizeibeauftragte in solchen Fällen parallel zur Polizei ermitteln? 
       
       In den meisten Bundesländern müssen die Polizeibeauftragten warten, bis die
       Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren abgeschlossen hat. Das kann ein
       bis zwei Jahre dauern. Danach sind die Betroffenen aber oft demotiviert,
       den Fall noch einmal aufzurollen. Auch können sich Beteiligte oft nicht
       mehr genau an den Vorfall erinnern. Daher ist es gut, dass im geplanten
       Bundesgesetz grundsätzlich parallele Ermittlungen vorgesehen sind.
       
       Haben Polizeibeauftragte überhaupt die nötigen Befugnisse? 
       
       In den Bundesländern sind die Befugnisse oft unzureichend. So kann die
       Polizeibeauftragte von Rheinland-Pfalz nur das Landes-Innenministerium um
       Stellungnahme bitten, aber nicht selbst ermitteln. In vielen Fällen kann
       sie nur versuchen, den Beschwerdeführer:innen das Handeln der Polizei
       zu erklären. So macht die Polizeibeauftragte letztlich
       Öffentlichkeitsarbeit für die Polizei.
       
       Das ist im Bund zum Glück nicht zu befürchten. Der Bundesbeauftragte soll
       zum Beispiel selbst in die Akten der Polizei schauen können. Das geplante
       Bundesgesetz wird in dieser Hinsicht hoffentlich besser als die meisten
       Landesregelungen.
       
       Wie viele Mitarbeiter:innen braucht der Bundes-Polizeibeauftragte? 
       
       Vermutlich wird man mit 10 bis 20 Mitarbeiter:innen anfangen und
       abwarten, wie viele Beschwerden kommen.
       
       In den Ländern gibt es bisher relativ wenig Beschwerden von mutmaßlichen
       Polizeiopfern… 
       
       Stimmt. Das führt dann dazu, dass manche Polizeibeauftragte glauben, es
       gebe zum Beispiel keine strukturellen Probleme mit Rassismus bei der
       Polizei. Es ist aber eher umgekehrt: Die Polizeibeauftragten müssen auch
       aktiv auf potenzielle Betroffene zugehen, also zum Beispiel auf
       Migrant:innen, Drogenabhängige und Obdachlose. Die Beauftragten müssen sich
       und die Beschwerdemöglichkeit bekannt machen, auch in anderen Sprachen.
       Sonst beschweren sich immer nur Angehörige der weißen Mittelschicht, die
       wissen wie man eine Beschwerde schreibt.
       
       Sollen Polizeibeauftragte auf einvernehmliche Lösungen hinwirken? 
       
       Das macht Sinn, wenn es um schlechte Kommunikation, Unhöflichkeit und
       mangelnden Respekt geht. Hier kann eine Aussprache und eine Entschuldigung
       der Polizei den Konflikt beenden. Solche Vorwürfe machen in den
       Bundesländern oft sogar die größte Gruppe der Beschwerden aus. Wenn es aber
       um illegales Verhalten der Polizei geht, müssen Polizeibeauftragte nicht
       vermitteln, sondern unabhängig untersuchen.
       
       Ist Fehlverhalten der Polizei wirklich so häufig, dass dafür unabhängige
       Beauftragte installiert werden müssen? 
       
       In der Regel macht die Polizei gute Arbeit in schwierigen Situationen. Ihre
       Ausbildung wird auch immer besser. Wie häufig es dabei zu Fehlverhalten
       kommt, wissen wir nicht, denn das Dunkelfeld ist sehr groß, wie die
       regelmäßigen Berichte über Vorfälle vermuten lassen.
       
       Auch Polizist:innen können sich bei den Polizeibeauftragten beschweren.
       Wie oft kommt das vor? 
       
       Erstaunlich häufig. In den Bundesländern stammt fast die Hälfte der
       Beschwerden von Polizeibeamt:innen, die sich zum Beispiel beschweren, weil
       sie nicht befördert wurden. Hier kümmern sich Polizeibeauftragte um die
       Sorgen der Polizist:innen ähnlich wie sich die Wehrbeauftragte des
       Bundestags um die Sorgen der Soldat:innen kümmert. Deshalb sind
       inzwischen auch einige Polizeigewerkschaften nicht mehr generell gegen
       Polizeibeauftragte.
       
       Wie häufig weisen [3][Polizist:innen als Whistleblower:innen] auf
       Missstände hin, die nicht sie selbst betreffen? 
       
       Dass ein Polizist zum Beispiel auf Übergriffe von Kolleg:innen oder
       [4][rechtsextreme Chatgruppen] hinweist, ist die ganz große Ausnahme.
       
       Der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch [5][soll erster Bundes-Polizeibeauftragter
       werden]. Er war früher selbst Polizist. Ist das gut? 
       
       Das hat sicher gewisse Vorteile, weil er Insiderkenntnisse hat und weil er
       von der Polizei vermutlich besser akzeptiert wird. Problematisch wäre, wenn
       er nach seiner Amtszeit als Polizeibeauftragter wieder zur Polizei
       zurückkehren will. Das könnte Zweifel an seiner Unabhängigkeit auslösen.
       
       Wären Sie persönlich lieber Polizeipräsident oder Polizeibeauftragter? 
       
       Mir wurden beide Positionen bereits angeboten. Ich habe jeweils abgelehnt
       und bin lieber Polizeiforscher geblieben.
       
       7 Sep 2023
       
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