# taz.de -- Impeachment gegen Donald Trump: Punktsieg für die Anklage
       
       > Mit 56 zu 44 Stimmen entschied der US-Senat für das Impeachmentverfahren
       > gegen Ex-Präsident Donald Trump. Dessen Verteidigungsteam wirkt desolat.
       
 (IMG) Bild: Überzeugte immerhin einen Republikaner: der demokratische Chefankläger Jamie Raskin
       
       NEW YORK taz | „Dies kann nicht die Zukunft Amerikas sein“, sagt Jamie
       Raskin. Fünf Wochen nach dem [1][Sturm auf das Kapitol] eröffnet der
       demokratische Abgeordnete im US-Senat die Verhandlungen über die Zukunft
       des Ex-Präsidenten. Er will den Beweis führen, dass ein
       [2][Impeachmentverfahren] auch dann noch verfassungskonform ist, wenn der
       Betroffene nicht mehr im Amt ist.
       
       Der Abgeordnete war früher Jura-Professor. Er kennt die komplizierte
       Rechtsgeschichte seines Landes. Aber an diesem Dienstag gewinnt er die
       Herzen seiner Landsleute mit seinen eigenen rohen Gefühlen. Er kämpft mit
       den Tränen, als er über die Abschiedsanrufe von Abgeordneten in Todesangst
       bei ihren Liebsten spricht und als er seine eigene Angst um das Leben
       seiner Tochter und seines Schwiegersohns beschreibt, die ihn am 6. Januar
       zu der Abstimmung über den nächsten Präsidenten der USA begleitet hatten.
       „Er hat zu einem gewalttätigen Aufstand aufgerufen, zu einem schweren
       Verbrechen“, sagt Raskin, „und jetzt möchte er, dass der Senat sich
       machtlos erklärt“.
       
       Am späten Dienstagnachmittag entscheiden 56 SenatorInnen, dass ein
       Impeachmentverfahren verfassungskonform ist. Das sind alle DemokratInnen
       und sechs RepublikanerInnen in der Kammer, immerhin einer mehr als noch bei
       der von Senator Rand Paul aus Kentucky [3][Ende Januar initiierten
       Abstimmung] zum gleichen Thema. Jetzt stimmt auch Senator Bill Cassidy aus
       Louisiana mit den DemokratInnen. Er sagt anschließend vor Journalisten, ihn
       habe die Argumentation der demokratischen Ankläger überzeugt, die
       Verteidigung des Trump-Teams nicht. Die übrigen 44 RepublikanerInnen halten
       ihrem Ex-Präsidenten die seit vier Jahren eingeübte Treue.
       
       Damit steht fest, dass an diesem Mittwoch ein neues Impeachmentverfahren
       gegen Donald Trump beginnen kann. Er wird zum ersten Präsidenten der
       US-Geschichte, gegen den zwei Impeachmentverfahren stattfinden. Aber
       zugleich zeichnet sich ab, dass auch dieses neue Verfahren voraussichtlich
       mit einem Freispruch enden wird. Denn von der für ein Impeachment nötigen
       Zweidrittelmehrheit sind die AnklägerInnen weit entfernt.
       
       ## 13 Minuten Video hinterlassen Eindruck
       
       Seit dem [4][letzten Impeachmentverfahren] vor nur 14 Monaten hat sich fast
       alles in Washington geändert. Damals ging es um geheime Telefonate und
       Intrigen in der Ukraine, von denen nur Whistleblower und Insider direkte
       Kenntnis hatten. Dieses Mal geht es um ein Ereignis, das live über die
       Bildschirme in aller Welt gegangen ist. Damals war es ein Versuch, auf dem
       Umweg über das Ausland die Demokratie in den USA auszuhöhlen. Dieses Mal
       ist es ein offener Angriff auf das Zentrum der US-Demokratie, just in dem
       sensiblen Moment, als die gewählten VolksvertreterInnen sich anschickten,
       die Wahl Joe Bidens zum nächsten US-Präsidenten zu bestätigen.
       
       Und der Mann im Zentrum des Geschehens, bei dem damals alle Fäden der
       Macht, plus der Zugang zu mehr als 80 Millionen Followern auf Twitter,
       zusammen liefen, ist heute ein Ex, der sich auf sein Luxusresort in Florida
       zurückgezogen hat und jetzt seinen Einfluss auf die Republikanische Partei
       aus der Opposition testet.
       
       Anders ist auch die schnelle Reaktion auf das Geschehen. Nachdem am 6.
       Januar fünf Menschen im Kapitol ums Leben kamen und Dutzende verletzt
       wurden (nach anderen Rechnungen, die zwei Polizistenselbstmorde direkt
       danach einkalkulieren, forderte der Aufstand sieben Menschenleben), bekam
       die Einleitung des neuen Impeachmentverfahrens gegen Trump schon sieben
       Tage später eine Mehrheit im Repräsentantenhaus.
       
       Um den zweiten Schritt im Verfahren einzuleiten, führt Raskin am Dienstag
       einen 13-minütigen Videozusammenschnitt vom 6. Januar vor. Das Video
       wechselt hin und her zwischen der Rede von Trump am Mittag jenes Tages, in
       der er seine Anhänger auffordert, auf das Gebäude zu marschieren und dort
       „wie die Hölle“ gegen die angeblich gestohlene Wahl zu kämpfen, und den
       randalierenden Menschen mit Trumpmützen und Trumpfahnen, die Polizisten mit
       Absperrgittern auf den Boden rammen und mit Knüppeln Fenster einschlagen.
       
       ## Trumps Anwälte geben chaotisches Bild ab
       
       „Es gibt keine Januarausnahme für den Präsidenten“, sagt Raskin am Dienstag
       vor dem Senat. Er begründet, dass die Regeln des Rechtsstaats auch in den
       letzten Tagen der vierjährigen Amtszeit gelten: Alles andere wäre „der
       schlimmste Alptraum unserer Gründerväter“.
       
       Anschließend liefert Joe Neguse, demokratischer Abgeordneter aus Colorado,
       andere Momente aus der US-Geschichte, bei denen Impeachmentverfahren gegen
       bereits aus dem Amt ausgeschiedene Politiker angestrengt wurden. Und
       zitiert konservative Rechtsgelehrte, die bestätigen, dass ein
       Impeachmentverfahren gegen Trump verfassungskonform ist.
       
       Ende Januar ist [5][Trumps ursprüngliches Verteidigungsteam
       auseinandergebrochen]. Am Dienstag geben seine zwei neuen Verteidiger ein
       chaotisches Bild ab. Chefanwalt Bruce Castor widerspricht seinem Mandanten
       in mehreren Punkten. Der Ex-Präsident hatte am 6. Januar erst stundenlang
       die Gewalt beobachtet, bevor er seinen Anhängern in einem Video mitteilte:
       „Die Wahl war gestohlen. Aber Ihr müsst jetzt nach Hause gehen.“ Am
       Dienstag kritisiert sein Anwalt vor dem Senat den Angriff der
       Trump-Anhänger auf die „Zitadelle der Demokratie“. Und er bestätigt, dass
       Biden die Wahlen gewonnen hat.
       
       Doch zugleich malt der Anwalt ein Bild, in dem Trumps zweimonatige Attacken
       gegen die angeblich gefälschten Wahlen und die Wut im Kapitol nichts
       miteinander zu haben. Nach seiner Darstellung haben die Demokraten das
       Impeachmentverfahren lediglich aus politischen Gründen angestrengt: „Sie
       fürchten den politischen Gegner“.
       
       ## Joe Biden hält sich raus
       
       Sein Kollege David Schoen geht noch weiter in der Verdrehung. Er wirft den
       Demokraten vor, dass sie aus „Hass und Angst vor Machtverlust“ handeln.
       Seinen Mandanten nennt er einen „privaten Bürger“, der nicht mehr impeached
       werden könne.
       
       Die DemokratInnen streben in der Tat auch an, Trump das Recht auf künftige
       öffentliche Ämter zu nehmen, und zugleich ein Signal an künftige
       Präsidenten zu senden, damit sie nicht in die Versuchung geraten, nach
       einer Wahlniederlage gewaltsam an der Macht festzuhalten.
       
       Der neue Mann im Weißen Haus hat klar gemacht, dass er sich nicht in das
       Impeachmentverfahren einmischen will. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse
       im Senat erwartet Joe Biden dabei keinen Erfolg für seine Partei. Bei ihrer
       täglichen Pressekonferenz am Dienstag konzentriert sich die Sprecherin des
       Weißen Hauses, Jen Psaki, auf das Coronahilfspaket.
       
       10 Feb 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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