# taz.de -- Justizminister reformiert Familienrecht: Gleichstellung für lesbische Mütter
       
       > Marco Buschmann (FDP) will das Familien- und das Abstammungsrecht
       > reformieren. Es soll der Vielfalt heutiger Familienformen Rechnung
       > tragen. Die taz hat die Eckpunkte exklusiv.
       
 (IMG) Bild: Für mehr glückliche Familien
       
       BERLIN taz | Wenn es um die geplante Familienrechtsreform geht, dann bemüht
       der Justizminister Marco Buschmann (FDP) große Worte: „Wir denken und
       arbeiten hier tatsächlich in historischen Kategorien“, sagte er im Januar
       2023. Im Koalitionsvertrag hat die Ampel [1][neue familienrechtliche
       Regelungen] vorgesehen vor allem für unverheiratete Paare, für queere
       Ehepaare mit Kindern und für Gemeinschaften, die nicht aus einer
       Liebesbeziehung bestehen.
       
       Den ersten Teil dieser Reform, die [2][Änderungen im Unterhaltsrecht],
       hatte der Justizminister bereits im Sommer vorgestellt. In den kommenden
       Wochen will sein Ministerium zwei weitere Eckpunktepapiere vorlegen: eines
       zum Abstammungsrecht und eines zum Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht. Der
       taz liegen beide Dokumente bereits vor.
       
       ## Das Abstammungsrecht
       
       Das erste Eckpunktepapier betrifft das Abstammungsrecht. Es geht also um
       die Frage, wer rechtliche Mutter und wer rechtlicher Vater eines Kindes
       ist.
       
       Traditionell gilt in Deutschland die Grundregel: Die Frau, die das Kind
       geboren hat, ist immer Mutter, und der Mann, mit dem sie verheiratet ist,
       wird automatisch rechtlicher Vater (selbst wenn ein anderer Mann
       biologischer Vater ist).
       
       Seit 2017 können aber auch zwei Frauen heiraten. Mit Hilfe einer
       Samenspende können auch sie Kinder bekommen, die sie gemeinsam aufziehen
       wollen. Auch hier gilt natürlich, dass die gebärende Frau Mutter ist, ihre
       Ehepartnerin wurde dagegen bisher nicht Mitmutter. Der Automatismus, der
       für Ehemänner gilt, ist für lesbische Ehefrauen bisher nicht vorgesehen. Um
       Mitmutter zu werden, muss die Partnerin das Kind bisher adoptieren, mit
       aufwändiger Prüfung durch das Jugendamt.
       
       Das will Justizminister Buschmann endlich ändern. Die mit der Geburtsmutter
       verheiratete Frau soll automatisch Mitmutter werden. Ist ein lesbisches
       Paar nicht verheiratet, soll die nicht-eheliche Partnerin der Geburtsmutter
       das Kind einfach anerkennen können. Eine [3][Stiefkindadoption], die ja
       eigentlich für Kinder vorgesehen war, die in eine neue Beziehung
       mitgebracht werden, ist bei gemeinsam geplanten Kindern künftig also nicht
       mehr erforderlich.
       
       ## Die zweite Neuerung im Abstammungsrecht
       
       Als zweite große Neuerung im Abstammungsrecht ist die Einführung von
       Elternschaftsvereinbarungen geplant. Hier sollen die Beteiligten vor der
       Geburt des Kindes vertraglich klären, wer neben der Geburtsmutter das
       zweite rechtliche Elternteil sein soll.
       
       Ein praktischer Anwendungsfall könnte sein, dass sich ein lesbisches und
       ein schwules Paar zusammentun. Sie könnten vereinbaren, dass neben der
       Geburtsmutter der schwule Samenspender rechtlicher Vater wird. Allerdings
       soll das Dogma des deutschen Familienrechts bestehen bleiben, dass ein Kind
       nur zwei rechtliche Eltern haben kann und nicht drei oder vier, wie es hier
       ja durchaus naheläge.
       
       In einer Elternschaftsvereinbarung kann auch negativ geregelt werden, wer
       nicht rechtlicher Vater sein soll. Wenn etwa ein unverheiratetes
       (lesbisches oder heterosexuelles) Paar mit Hilfe eines Samenspenders ein
       Kind bekommen möchte, könnte mit diesem vereinbart werden, dass er
       definitiv nicht rechtlicher Vater wird. Stattdessen könnte der Partner
       respektive die Partnerin der Geburtsmutter als Vater oder Mitmutter
       vereinbart werden.
       
       Für schwule Paare bringen Buschmanns Eckpunkte keinen Durchbruch, weil in
       der Regel (Ausnahme: Transmänner) beide Partner keine Kinder gebären können
       und sie deshalb eine Leihmutter benötigen. Derzeit ist die Leihmutterschaft
       in Deutschland aber verboten. Ob zumindest die altruistische (also
       unbezahlte) Leihmutterschaft erlaubt wird, berät eine Regierungskommission,
       die ihren Bericht bald vorlegen soll.
       
       ## Das Sorge- und Umgangsrecht
       
       Die Reform des Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrechts soll der Vielfalt
       heutiger Familienformen Rechnung tragen: Trennungsfamilien sollen dabei
       unterstützt werden, die Betreuung ihrer minderjährigen Kinder besser zu
       organisieren. Nichtverheiratete Elternpaare, Patchwork- und
       Regenbogenfamilien sollen gestärkt werden. Außerdem soll der Schutz vor
       häuslicher Gewalt verbessert und das Adoptionsrecht liberalisiert werden.
       
       Ausgeweitet werden soll das „kleine Sorgerecht“. Damit sollen bis zu zwei
       Personen, die nicht die rechtlichen Eltern eines Kindes sind,
       sorgerechtliche Befugnisse bekommen. Das können zum Beispiel die neue
       Partnerin des Vaters sein oder der private Samenspender, die dann über
       Angelegenheiten des täglichen Lebens mitentscheiden dürfen.
       
       Für [4][getrennte Elternpaare] sind neue Betreuungsregeln vorgesehen.
       Erstmals soll das Wechselmodell gesetzlich geregelt werden. Bisher gilt das
       sogenannte Residenzmodell, nach dem ein Kind nach der Trennung bei einem
       Elternteil, meist der Mutter, lebt. Das Wechselmodell sieht nun vor, dass
       Kinder nach der Trennung in beiden Haushalten der Eltern leben. Die
       Familiengerichte sollen das Wechselmodell anordnen können, heißt es im
       Eckpunktepapier. Das Kindeswohl soll aber zentraler Maßstab für die
       Anordnung bleiben.
       
       Das [5][Wechselmodell] wird vor allem von der FDP favorisiert. Unter
       Expert*innen ist es jedoch umstritten. Eine [6][Studie] der Universität
       Marburg ergab im Jahr 2021, dass das Wechselmodell vor allem dann
       funktioniert, wenn die Eltern trotz ihrer Trennung kooperativ miteinander
       umgehen und das Kind zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung hat.
       
       Ist beides gegeben, wirkt sich das positiv auf das Kind aus.
       Expert*innen haben bei einem gerichtlich angeordneten Wechselmodell
       allerdings die Sorge, dass das zwanghafte Pendeln zwischen zwei
       Eltern-Wohnungen Kinder in Loyalitätskonflikte bringen kann.
       
       ## Mehr Schutz vor häuslicher Gewalt
       
       Das Eckpunktepapier sieht außerdem endlich einen besseren Schutz vor
       häuslicher Gewalt in Umgangs- und Sorgeverfahren vor. Erstmals wird dabei
       auch Partnerschaftsgewalt explizit aufgenommen: Die Gerichte sollen künftig
       systematisch ermitteln, wenn es Anhaltspunkte für häusliche Gewalt
       gegenüber dem Kind und/oder gegenüber dem anderen Elternteil gibt.
       
       Ein gemeinsames Sorgerecht soll nicht nur bei Gewalt gegenüber dem Kind,
       sondern auch bei Partnerschaftsgewalt regelmäßig nicht in Betracht kommen.
       Damit greift das Eckpunktepapier eine zentrale Forderung der
       Istanbul-Konvention auf, jenem Abkommen des Europarats, das Gewalt gegen
       Frauen bekämpfen soll. Deutschland hat die Konvention 2017 ratifiziert.
       
       Allerdings haben verschiedene Organisationen den Gesetzgeber immer wieder
       dafür gerügt, dass die hiesige Gesetzeslage und die Rechtspraxis Frauen
       [7][nicht genug vor häuslicher Gewalt schütze]. Das liegt laut
       Expert*innen auch daran, dass vielen Familienrichter*innen die
       Expertise im Umgang mit häuslicher Gewalt fehlt.
       
       Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung hatte daher vorgesehen, dass
       Familienrichter*innen einen Fortbilungsanspruch zum Thema bekommen
       sollen. Der steht im Eckpunkte-Papier nicht drin.
       
       Das Eckpunktepapier sieht auch neue Regeln für das Adoptionsrecht vor. So
       sollen künftig auch unverheiratete Paare und Paare in eingetragenen
       Lebenspartnerschaften ein fremdes Kind adoptieren dürfen.
       
       12 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ampelkoalition-reformiert-Familienrecht/!5950425
 (DIR) [2] /Reform-des-Unterhaltsrechts/!5950797
 (DIR) [3] /Kommentar-Adoption-von-Stiefkindern/!5588652
 (DIR) [4] /Sorgerecht-fuer-Kinder-nach-Trennung/!5917492
 (DIR) [5] /Wechselmodell-bei-Trennungskindern/!5569270
 (DIR) [6] https://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2021/lieber-bei-mama-bei-papa-oder-bei-beiden
 (DIR) [7] /Fuenf-Jahre-Istanbul-Konvention/!5912016
       
       ## AUTOREN
       
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