# taz.de -- Kadyrow in Tschetschenien: Sieger mit Protzgehabe
       
       > Ramsan Kadyrow, Herrscher über Tschetschenien, macht gern kurzen Prozess
       > mit Kritikern. Trotzdem wurde er jetzt wiedergewählt.
       
 (IMG) Bild: MIt 99 Prozent im Amt bestätigt: Tschetscheniens Machthaber Ramzan Kadyrov
       
       BERLIN taz | Da sage jemand, Ramsan Kadyrow, Herrscher über Tschetschenien,
       sei nicht gastfreundlich. In dieser Woche lud er US-Präsident Joe Biden zu
       einem Besuch in die Nordkaukasusrepublik ein. Dann könne sich Biden davon
       überzeugen, dass es keine schwulen Gockel gebe, sondern nur „echte Männer
       mit richtigen Eiern“, schrieb er in seinem Telegram-Kanal. Vor der
       UN-Vollversammlung hatte Biden die internationale Staatengemeinschaft
       aufgerufen, die Rechte sexueller Minderheiten weltweit zu schützen.
       
       Das muss in den Ohren Kadyrows wie Hohn klingen. [1][Denn mit
       Homosexuellen, die es in Tschetschenien angeblich gar nicht gibt, pflegt er
       kurzen Prozess zu machen.] Sie werden entführt, in Haft gefoltert und
       manchmal auch ermordet. Orchestriert wird diese Menschenjagd von den
       „Kadyrowzy“ – einer paramilitärischen Einheit, die dem 44-Jährigen direkt
       untersteht und im rechtsfreien Raum agiert – quasi freie Hand hat.
       
       Das gilt auch für Kadyrow selbst. Seit März 2006 Regierungschef in
       Tschetschenien, wurde Kadyrow am 2. März 2007 auf Vorschlag von Russlands
       Staatschef Wladimir Putin zum Präsidenten gewählt. Der Deal lautete:
       Wiederaufbau sowie Sicherheit und Stabilität in dem durch zwei Kriege gegen
       Russland verheerten Land. Im Gegenzug sollte Kadyrow nach Gusto schalten
       und walten dürfen.
       
       ## Grassierende Korruption als weiteres Markenzeichen
       
       Das tat und tut er, wobei die Frage ist, ob ihn der Kreml noch unter
       Kontrolle hat. Schwerste Menschenrechtsverletzungen sind in Tschetschenien
       an der Tagesordnung. Zahlreiche Morde sollen auf Kadyrows Konto gehen, der
       seit 2014 bzw. 2017 bei der EU und den USA auf der Sanktionsliste steht.
       Unter den Opfern sind neben Tschetschenen im Ausland auch die bekannte
       tschetschenische Menschenrechtlerin [2][Natalja Estemirowa, die 2009
       bestialisch umgebracht wurde].
       
       Ein weiteres Markenzeichen der Herrschaft Kadyrows ist eine grassierende
       Korruption. So wohnt die Zweitfrau des gläubigen Muslims (Polygamie ist in
       Russland gesetzlich verboten) in einem Palast im Zentrum der Hauptstadt
       Grosny, der einen Wert von umgerechnet mehr als 4 Millionen Euro haben
       soll. So manches Sümmchen dürfte wohl von der nach Kadyrows 2004 ermordeten
       Vater Achmed benannten Stiftung kommen, in die Angestellte, Beamte sowie
       Unternehmer zwangseinzahlen müssen. Mit einem Vermögen von umgerechnet 70
       Millionen Euro (2019) ist sie die wohlhabendste in ganz Russland.
       
       Bei [3][den Wahlen in Russland in der vergangenen Woche] wurde in
       Tschetschenien auch über das Staatsoberhaupt abgestimmt. Ramsan Kadyrow,
       der einem bizarren Personenkult frönt, erhielt offiziellen Angaben zufolge
       99,7 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteiligung lag bei 94 Prozent –
       Spitzenwerte in der Russischen Föderation. Ruslan Kutajew,
       tschetschenischer Aktivist und ehemaliger politischer Gefangener, merkte
       an: „Das war eine Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Sie
       lautet: „Außer Kadyrow existiert niemand in Tschetschenien.“
       
       24 Sep 2021
       
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