# taz.de -- Kinderlosigkeit bei Frauen: Vielleicht will ich kein Kind
       
       > Unsere Autorin ist sich unsicher, ob sie ein Kind möchte oder nicht. Das
       > sollte okay sein. Aber viel zu oft wird sie deshalb angeguckt wie
       > Unkraut.
       
 (IMG) Bild: „Es ist bestimmt schön, für einen kleinen Menschen da zu sein.“
       
       Ich bin eine Frau ohne Kinderwunsch. Also, glaube ich. Das klingt, als
       hätte ich mich einer Selbsthilfegruppe vorgestellt. Als hätte ich etwas
       sehr Intimes gesagt. Als bräuchte ich Hilfe, weil etwas nicht stimmt. Dabei
       sollte es klingen wie: „Ich bin eine Frau mit Kinderwunsch“, nicht nach
       Offenbarung, sondern nach Selbstverständlichkeit.
       
       Viele Menschen lassen unmögliche Prozeduren über sich ergehen, damit eine
       größere Chance besteht, [1][dass in ihrem Uterus ein Baby wächst]. Mich
       berührt das, immer. Dann überlege ich, wie es mir wohl ginge, wenn ich
       niemals schwanger würde. Ich denke, es ginge mir gut. Trotzdem bin ich mir
       nicht sicher mit dieser Sache. Wie unterscheidet man zwischen dem, was man
       wirklich will und was man glaubt zu wollen, weil man es so gelernt hat?
       Manchmal ist das ja sogar deckungsgleich.
       
       Als ich acht Jahre alt war, bekam ich eine Babypuppe zu Weihnachten, sie
       hatte eine Glatze, grüne Augen, Arme und Beine aus Plastik und einen
       Stoffkörper, der weich in meinen Armen lag. Ich liebte diese Puppe über
       alles, weil ich mich damit nicht wie ein kleines Mädchen fühlte sondern
       groß, fast wie meine Mutter, eine richtige Frau. Als spannte sich ein
       einziger Faden von dort in das sehnlich erwartete Erwachsenenleben hinein –
       Mädchen, Babypuppe, Frau, Baby.
       
       Quatsch. Das wirst du bereuen. Wie alt bist du? Das kommt noch. Viel Zeit
       hast du aber nicht mehr. Da fehlt nur der richtige Mann. Wegen Klimakrise?
       Ah, du hast Angst zuzunehmen? Ah, du willst also lieber Karriere machen!
       Das geht nicht. Das alles haben Leute zu mir gesagt, als ich von meinen
       Zweifeln erzählte. Weil Frausein selbst im Jahr 2021 noch ein Politikum
       ist. Was nicht die Norm ist, muss einen absurden Grund haben. Es muss an
       etwas liegen. Es kann nicht einfach nur ihr Wunsch sein. Eine Frau, die
       kein Kind gebären will, was ist mit der? Ich bleibe bei diesem Thema vage,
       sogar vor mir selbst. Auch, weil mir lange nicht klar war, dass es viele
       Varianten des Frauseins gibt und alle wertvoll sind.
       
       Vielleicht wache ich nächstes Jahr auf und will plötzlich eins. Vielleicht
       werde ich aus Versehen schwanger und will es behalten. Es ist bestimmt
       schön, für einen kleinen Menschen da zu sein. Das schiebe ich oft nach, um
       der Sache die vermeintliche Härte zu nehmen. Ich sollte das aber nicht
       sagen müssen, damit ich nicht mehr angeguckt werde wie Unkraut. Niemand
       sollte das.
       
       Ich kenne zwei Frauen in meinem Alter, denen es ähnlich geht. [2][Eine will
       niemals Kinder], eine zweifelt mit mir. Wir reden darüber wie hinter
       vorgehaltener Hand. Dabei sollte das alles Platz haben, ja und nein und
       vielleicht. Wir sollten wissen, dass es mehrere Fäden gibt in das
       Erwachsensein hinein. Und dass wir vollständig sind – egal ob wir Mütter
       sein wollen oder nicht, ob wir Schwangerschaften abbrechen, uns
       hindurchquälen oder genießen, ob wir Kinder adoptieren, verlieren oder
       alles davon.
       
       10 Nov 2021
       
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