# taz.de -- Kommentar neuer Büchner-Preisträger: Erweckungsprosa
       
       > Lukas Bärfuss bekommt den Georg-Büchner-Preis. Aber kann er repräsentativ
       > für die politische deutschsprachige Gegenwartsliteratur stehen?
       
 (IMG) Bild: Bärfuss’ Neigung zu einer pauschalen Abwertung der Gegenwart ist ein Problem
       
       Jetzt gilt es, literaturkritisch die Hosen herunterzulassen. Das ist das
       Schöne an dieser so überraschenden wie kontroversen Entscheidung, dem bis
       dahin nicht übermäßig bekannten [1][Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss
       den diesjährigen Georg-Büchner-Preis zu verleihen] – die einzige
       deutschsprachige Auszeichnung, nach der als Steigerung höchstens noch der
       Nobelpreis kommt.
       
       Die Entscheidung für Bärfuss hat aber auch etwas Brutales. Denn nun wird
       das Werk dieses 1971 geborenen Autors an der Frage gemessen, ob es
       repräsentativ für die politische deutschsprachige Gegenwartsliteratur
       stehen kann. Und die Antwort ist leider: eher nicht.
       
       Dabei erscheint Lukas Bärfuss als Autor für politisch interessierte
       Leserinnen und Leser erst einmal wie gemacht. In seinen Theaterstücken
       packt er heiße Eisen an, wie Sterbehilfe oder Zwangseinweisungen in die
       Psychiatrie. Zumindest in seinem Heimatland, der Schweiz, hat er auch
       schon ganze Kohorten von Politikern gegen sich aufgebracht. [2][Sein erster
       und bislang stärkster Roman „Hundert Tage“ beschreibt literarisch
       überzeugend den Völkermord in Ruanda.]
       
       Und doch ist es, zumindest auf der Höhe des Büchner-Preises, eben ein
       Problem, dass man bei vielen Formulierungen dieses Autors immer die Luft
       herauslassen möchte. Man hat, wenn man ihn liest oder seine Theaterstücke
       sieht, oft den Eindruck, als wolle er einen ermahnen und wachrütteln aus
       einer falschen Existenz.
       
       ## Neigung zu einer pauschalen Abwertung der Gegenwart
       
       Dass einen das nerven kann, ist literarisch keine Nebensächlichkeit.
       Spätestens im zuletzt erschienenen [3][Roman dieses Autors, „Hagard“], geht
       diese handwerklich gut gemachte Erweckungsprosa nämlich auf Kosten der
       Gesellschaftsanalyse. Das Problem ist Bärfuss’ Neigung zu einer pauschalen
       Abwertung der Gegenwart, die mit starken, literarisch klingenden
       Beschreibungen ins Bedeutsame hochgejazzt wird.
       
       Dabei hat die Erfahrung, hier und heute zu leben, doch tatsächlich eher
       etwas mit Ambivalenzen zu tun, mit Widersprüchen, die man aushalten muss,
       mit Ansprüchen an das eigene Leben und auch an das politische Tun, die man
       selbst nicht zu erfüllen schafft.
       
       Es ist kein L’art pour l’art, die Haltung zu vertreten, dass auch in der
       politischen Literatur die Sprache stimmen muss. Gerade da muss sie es. Für
       raunende Formulierungen ist die Lage zu kompliziert.
       
       10 Jul 2019
       
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