# taz.de -- Nach tödlichem Angriff in Georgia: Mit Hass und Schusswaffe
       
       > Nach dem Mord an acht Menschen geht unter asiatischen US-Amerikanerinnen
       > Angst um. Sie haben im letzten Jahr zu viele schlimme Erfahrungen
       > gemacht.
       
 (IMG) Bild: Trauer und Wut an einem der Tatorte am Tag nach den tödlichen Schüssen
       
       NEW YORK taz | „Er hatte einen schlechten Tag“, sagt Frank Reynolds aus dem
       Sheriffbüro in Atlanta am Morgen nach dem Massaker. Er meint den
       21-Jährigen, der gestanden hat, am Dienstagnachmittag [1][acht Menschen
       ermordet zu haben]. Sieben der Opfer waren Frauen. Sechs von ihnen waren
       asiatischer Abstammung. Alle befanden sich in einem von drei
       „Massage-Salons“ am Stadtrand. Der Tatverdächtige ist nun wegen achtfachen
       Mordes angeklagt.
       
       Einen rassistischen Hintergrund oder Hassverbrechen sehen die
       Strafverfolger nicht als erwiesen an. Genau wie der mutmaßliche Täter, den
       sie am Vorabend ohne die geringste Gewaltanwendung verhaftet haben, ist
       ihre Hautfarbe weiß. Bei der Pressekonferenz sprechen sie von seinen
       „Problemen“, von seiner „Sexsucht“ und davon, dass er die Frauen in den
       Salons als „Versuchungen“ empfand. Empathie mit Opfern sieht anders aus.
       
       Mitglieder der asiatisch-amerikanischen Bevölkerung in den USA verstehen
       das Massaker von Atlanta vom ersten Moment an anders. Bislang ist unklar,
       ob Rassismus eines der Tatmotive war. Aber asiatische US-AmerikanerInnen
       haben in den zurückliegenden zwölf Monaten so viele Anfeindungen und
       Angriffe erlebt, dass sie vorsichtig und ängstlich geworden sind.
       
       Die asiatisch-amerikanische Gruppe „[2][AAPI against Hate]“ hat im letzten
       Jahr 3.795 anti-asiatische Vorfälle registriert. Das ist eine enorme
       Zunahme gegenüber dem Vorjahr. Die Vorfälle reichen von der Anrede mit
       „Covid-19“ über den Vorwurf „Du hast die Pandemie hierher gebracht“ bis hin
       zu der Aufforderung „Geh zurück nach China“, wobei die jungen Menschen
       meist in den USA geboren wurden. Auch Spucken, Rempeleien und sogar
       tödliche Gewalt wurden registriert. Die bei weitem häufigsten Opfer der
       anti-asiatischen Gewalt sind Frauen.
       
       ## Frauenhasser mit legaler Waffe
       
       Die Bürgermeisterin von Atlanta, eine schwarze Demokratin, ist die einzige
       Sprecherin bei der Pressekonferenz am Morgen nach der Tat, die den
       Zusammenhang herstellt. „Bislang kennen wir die Motive des Täters nicht“,
       sagt Keisha Lance Bottoms, „aber die Mehrheit der Opfer sind asiatisch“.
       
       Seit dem Massaker in ihrer Stadt steht sie in Kontakt mit dem Weißen Haus.
       Unter den vielen weißen, schwarzen und asiatischen Prominenten, die sich am
       Tag nach dem Massaker äußern, ist auch [3][Kamala Harris]. Die
       Vizepräsidentin, deren Mutter aus Indien stammte, spricht über die
       „zunehmende Gewalt gegen asiatische Amerikaner“, und sagt: „Niemand von uns
       sollte angesichts von Hass schweigen“.
       
       Über den mutmaßlichen Täter ist wenig bekannt. Laut dem Onlinemedium Daily
       Beast hat er sich selbst mit diesen Worten beschrieben: „Pizza,
       Schusswaffen, Trommeln, Musik, Familie, Gott“. Seine Mordwaffe soll er am
       Tag der Tat legal erworben haben.
       
       Wie zahlreiche andere Massenmörder scheint er ein massives Problem mit
       Frauen zu haben. Seine Profile in den sozialen Medien sind am Tag nach dem
       Massaker nicht mehr öffentlich zugänglich. Auch die evangelikale Gemeinde
       „Crabapple First Baptist Church“ in Atlanta, der er angehört, ist nach dem
       Massaker offline gegangen.
       
       Die Strafverfolger vermuten, dass der 21-Jährige selbst Kunde von
       Sexarbeiterinnen in den Massagesalons war, in denen er gemordet hat. Sie
       vermuten auch, dass er bei seiner Verhaftung auf dem Weg nach Florida war,
       wo er weitere Massaker geplant hatte. Dafür, dass sie noch Schlimmeres
       verhindert habe, bekam die Polizei von dem republikanischen Gouverneur von
       Georgia, Brian Kemp, ein großes Lob.
       
       ## Angst auf dem nächtlichen Nachhauseweg
       
       Von den ermordeten sechs Asiatinnen sollen vier ursprünglich aus Korea
       stammen. Am Mittwoch äußerten sich zahlreiche SprecherInnen aus der
       asiatischen Minderheit in den USA über den Anstieg des gegen sie
       gerichteten Rassismus. Viele machen dafür den Ex-Präsidenten Donald Trump
       verantwortlich, der seit dem Frühling letzten Jahres – und auch am Dienstag
       dieser Woche auf Fox News – fast täglich von dem „China-Virus“ geredet hat.
       
       Bislang finden die Anfeindungen auf der Straße, in Geschäften und in
       Schulen statt. Viele Betroffene fürchten, dass sie sich mit zunehmender
       Öffnung der Wirtschaft auch in die Betriebe ausweiten werden.
       
       Wegen der Feindseligkeiten gehen viele asiatische US-AmerikanerInnen nicht
       mehr allein oder nach Einbruch der Dunkelheit auf die Straße. In der
       Chinatown von Oakland, Kalifornien, bezahlen Geschäftsleute Schutzpersonal
       für ihre KundInnen. Aus der jüngeren Generation asiatischer
       US-AmerikanerInnen waren im zurückliegenden Sommer viele an den
       antirassistischen Demonstrationen von [4][Black Lives Matter] beteiligt.
       
       18 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Acht-Tote-in-US-Bundesstaat-Georgia/!5759403
 (DIR) [2] https://stopaapihate.org/
 (DIR) [3] /Kamala-Harris-und-die-Demokratie/!5729324
 (DIR) [4] /Gewalt-bei-Protesten-in-den-USA/!5712536
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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