# taz.de -- Orbáns „Friedensmission“: Erfolgreiche Störfeuer aus Ungarn
       
       > Kyjiw, Moskau, Turkstaaten – mit seiner Reiseroute macht der
       > EU-Ratspräsident und Ungarns Regierungschef klar, was er von der EU hält:
       > nicht viel.
       
 (IMG) Bild: Ziemlich beste Freunde: Ungarns Staatschef Orbán und Russlands Präsident Putin
       
       Die derzeitigen Reisetrips des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán
       können getrost als Provokation bezeichnet werden. Nur einen Tag, nachdem
       Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, trifft [1][Orbán in
       Kyjiw] ein, um mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seine
       Pläne einer „Friedensmission“ zu erläutern. Dann [2][geht es nach Moskau,]
       zu dem Mann, der die russische Invasion in der Ukraine angeordnet hat,
       Wladimir Putin. Zum krönenden Abschluss folgt ein Besuch bei der
       Organisation der Turkstaaten in Aserbaidschan. Für alle Reisestopps hat
       Orbán weder ein Mandat der EU noch der Nato oder eines anderen
       internationalen Partners.
       
       Dass Orbán eher Putin nahesteht als der Freiheit und der Unabhängigkeit der
       Ukraine, ist kein Geheimnis. Dank diplomatischen Geschicks und
       verschiedenster Finanzdeals konnte bisher innerhalb der EU verhindert
       werden, dass Ungarn Hilfen für die Ukraine blockiert. Allenfalls kam es zu
       Verzögerungen. Doch mit dem Mandat der EU-Ratspräsidentschaft bis Ende des
       Jahres nutzt der Regierungschef die Aufmerksamkeit, die ihm zu Teil wird,
       und ein Stilmittel, das ebenso getrost der hybriden Kriegsführung
       zugeordnet werden kann.
       
       Denn während sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen,
       EU-Außenbeauftragter Josep Borrell und auch Noch-Nato-Generalsekretär Jens
       Stoltenberg sofort genötigt fühlten klarzustellen, dass [3][Orbán nicht im
       Auftrag ihrer Organisationen unterwegs ist,] deutete Putin die Handreichung
       nach Moskau durchaus als Angebot der Europäischen Union. In diesem Sinne
       hatte Orbáns Mission bereits Erfolg. Es gleicht einem äußerst geglückten
       Störfeuer, dass die ohnehin desolate weltpolitische Lage noch mehr anheizen
       soll.
       
       Fast nebensächlich erscheint die Ausladung der deutschen Außenministerin
       Annalena Baerbock. Eigentlich wollte sie am Montag ihren ungarischen
       Amtskollegen Péter Szijjártó in Budapest treffen. Doch „aus Termingründen“
       seitens Ungarns kommt dieser Besuch nun nicht zustande. Das deutsche
       Außenamt reagierte irritiert nach der Absage, schließlich hätten Baerbock
       und Szijjártó sich ernsthaft über Orbáns Reisen unterhalten müssen. Putins
       Freunde freute der diplomatische Eklat immens, feierte man in den sozialen
       Medien doch einhellig, dass man sich von der „grünen Kriegstreiberin“ aus
       Deutschland nichts sagen lassen würde.
       
       ## Orbán wurde unterschätzt
       
       Diese Ehrlichkeit aus den Trollfabriken entlarvte das Kalkül der
       Reisetätigkeiten. Gesprächskanäle offen halten, nach Friedensoptionen
       suchen in einem festgefahrenen Abnutzungskrieg zwischen der Ukraine und
       Russland ist mehr als löblich. Doch die ungarische „Friedensmission“ hat
       nicht Verhandlungen auf Augenhöhe im Blick, sondern vielmehr ein Kriegsende
       nach den Vorstellungen Putins. Absprachen mit internationalen Partnern der
       Ukraine, also der EU, der Nato, auch Deutschland, stehen dabei nicht auf
       der Agenda.
       
       Wenn in wenigen Tagen die [4][Nato mit großem Pomp ihren 75]. Geburtstag in
       Washington feiern wird, wird auch der ungarische Staatschef mit am Tisch
       sitzen. Das Militärbündnis steht im Jahr drei der russischen Invasion in
       der Ukraine enorm unter Druck. Noch-Nato-Chef Jens Stoltenberg ist es
       nicht gelungen, langfristige Finanzhilfen für Kyjiw zu garantieren. Auch an
       dieser Störung war Ungarn beteiligt – und hat nun einmal mehr klargemacht,
       dass es ein gemeinsames und starkes politisches Signal seitens der Nato an
       Putin derzeit nicht geben wird.
       
       Offenbar wurde Orbán unterschätzt, obwohl Aussagen und Zeichen seit Langem
       deutlich sind. Spätestens jetzt müsste innerhalb der EU eine eindeutige
       Richtungsänderung erfolgen. Weniger Ausloten und weniger beschwichtigende
       Deals, sondern eine klare Haltung gegenüber antidemokratischen Strömungen,
       gegenüber Feinden der Demokratie, der territorialen Integrität.
       
       Wie sehr Orbán die Europäische Union verabscheut, macht er derzeit auch an
       anderer Stelle klar. Für sein mit der österreichischen FPÖ und der
       [5][ANO-Partei aus Tschechien] neu gegründeten Bündnis „Patrioten für
       Europa“ hat er innerhalb kürzester Zeit neue Mitstreiter gewonnen, um im
       EU-Parlament eine neue Fraktion zu gründen. Ihr Programm: Nein zu Migration
       und zum Green Deal, keine Hilfen für die Ukraine, mehr Unabhängigkeit für
       die Nationalstaaten. Die Anhänger des Bündnisses wollen nichts weniger als
       Europa verändern, „auch gegen den Willen der Brüsseler Eliten“. Es läuft
       also richtig gut für den Störer in der Europäischen Union.
       
       7 Jul 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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