# taz.de -- Politische Konflikte in EM-Stadien: Vereint im Herzen Europas?
       
       > Die Vorrunde hat auch gezeigt, wie viel Europa gerade trennt. Kroatische,
       > serbische, albanische Fans trugen die politischen Spannungen ins Stadion.
       
 (IMG) Bild: Albanische Fans im Vorrundenspiel gegen Spanien mit der Flagge des UÇK-Paramilitärs
       
       Einen Moment lang waren ganz große Geschütze aufgefahren: Serbien drohte,
       sich aus der EM zurückzuziehen. Auslöser waren kroatische und albanische
       Fans, die sich in gemeinsamen Mordfantasien ergingen: „Ubi, ubi, ubi
       Srbina“ – „Töte den Serben“.
       
       Auf diese Ekelhaftigkeit forderte der serbische Verband harte Uefa-Strafen
       und stellte in Aussicht, andernfalls abzureisen. An den meisten
       Schlandisten, die von der völkerverbindenden Kraft der Euro schwärmten,
       ging die Episode wohl vorbei. Kurz darauf hatten sich die Gemüter wieder
       etwas beruhigt. Der Generalsekretär des serbischen Verbandes antwortete auf
       die Frage, ob ein Ausstieg eine echte Option sei, mit dem etwas schrägen
       Dementi: „Genau genommen nein“.
       
       Es war der Höhepunkt in einem Karussell nationalistischer, rassistischer
       und kriegsverherrlichender Hassparolen, mit denen kroatische, serbische und
       albanische Fans – und nur gelegentlich die als Streber belächelten Slowenen
       – die wachsenden Spannungen in Südosteuropa auch ins Stadion trugen.
       
       „Vereint im Herzen Europas“, lautet ein Slogan dieser Euro. Doch neben
       herzigen Tänzen und der neu entdeckten deutschen [1][Schottlandsehnsucht]
       zeigte die Vorrunde vor allem, [2][wie viel dieses Europa gerade erneut
       trennt]. Hitlergrüße auf Fanfesten, martialischer Ostfront-Hass („Putin
       chuilo“, übersetzt etwa: „Putin ist ein Arschloch!“, und „Russland
       Hure“-Rufe etwa von polnischen und georgischen Fans sowie „Putin, Putin“-
       und „Fuck Nato“-Rufe der Serben), rechtsextreme Wolfsgrüße bei türkischen
       Fans und ein Plakat der Identitären Bewegung beim Österreich-Spiel.
       
       ## Postjugoslawien im Vordergrund
       
       Vielleicht nicht ganz überraschend angesichts des Teilnehmerfeldes –
       Russland ausgeschlossen, Israel nicht qualifiziert – blieb es um die beiden
       Invasionen, die Europa spalten, dennoch verhältnismäßig ruhig. In den
       Vordergrund spielte sich das fragile Postjugoslawien.
       
       Eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit, unter anderem dank einer
       Fleißarbeit des Publizisten Ruben Gerczikow: Serbische Fans hissten „Keine
       Kapitulation“ und zeigten Kosovo als Teil Serbiens (Uefa-Strafe: 10.000
       Euro), posierten mit einer Fahne der Tschetnik-Miliz, die Massaker an
       Bosniaken und Kroaten beging, huldigten dem Kriegsverbrecher Ratko Mladić
       und sangen gemeinsam mit Slowenen: „Kosovo ist das Herz Serbiens.“
       
       Kroatische Fans huldigten Kriegsverbrecher Slobodan Praljak, trugen das
       Wappen der HOS-Miliz und sangen „Töte den Serben!“. Der kosovarische
       Journalist Arlind Saku provozierte serbische Fans mit einem Doppeladler
       (Akkreditierungsentzug). Albanische Fans zeigten die Fahne eines
       Großalbanien (Uefa-Strafe: 10.000 Euro) und Symbole der albanischen
       UÇK-Paramilitärs, denen viele Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.
       
       Sie riefen in mehreren Partien „Töte den Serben!“ (Uefa-Strafe bisher:
       10.000 Euro) und hissten „Kosova is Albania“ und „FCK SRB“. Der albanische
       Kicker Mirlind Daku animierte die Fans zum Gesang „Fick Mazedonien“ (zwei
       Spiele Sperre).
       
       ## Politiker und Verbände tragen auch Verantwortung
       
       Fast alle gegen alle also. Maßgebliche Mitverantwortung daran tragen sowohl
       die Politiker:innen der Region, die nationalistischen Hass immer
       wieder für Stimmenfang aufwärmen, als auch die südosteuropäischen
       Fußballverbände, deren Geschäft der Nationalrausch ist und die sich kaum
       von eigenen Fans distanzieren.
       
       Was das alles nun heißt? Mancher Experte fand die Zahl der Vorfälle nicht
       ungewöhnlich angesichts einer EM, die erstmals seit 2016 wieder an einem
       Ort stattfindet und an der mehrere jugoslawischen Nachfolgestaaten
       teilnehmen und es zudem große migrantische Communitys gibt. Andere sahen
       durchaus eine neue Qualität, einen Ausdruck der erneut aufflammenden
       Spannungen und des Rechtsrucks in Europa.
       
       Sportlich erfolgreich jedenfalls war der Hass nicht: Albanien, Serbien und
       Kroatien sind allesamt ausgeschieden.
       
       28 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
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