# taz.de -- Politologe über Antisemitismus im Fußball: „Den Gegner abwerten“
       
       > Florian Schubert beleuchtet in seinem Buch Antisemitismus im Fußball. Er
       > sagt, im Stadion werden Äußerungen akzeptiert, die anderswo verpönt
       > wären.
       
 (IMG) Bild: So geht es auch: Fußballspieler positionieren sich gegen Antisemitismus
       
       taz: Herr Schubert, Sie gehen selbst regelmäßig zu Fußballspielen. Erleben
       Sie dort häufig Antisemitismus? 
       
       Florian Schubert: In den letzten paar Jahren habe ich persönlich wenig
       dergleichen erlebt. Das war in den achtziger und neunziger Jahren einiges
       mehr, als rechte Gruppen noch viel offensichtlicher in Stadien aufgetreten
       sind.
       
       Also ist Antisemitismus im Fußball weniger geworden? 
       
       Das kann man so nicht sagen, weil es keine quantitativen Untersuchungen
       gibt. In den Interviews, die ich für mein Buch geführt habe, haben alle
       Fans von irgendwelchen antisemitischen Vorfällen erzählt. Und es gibt immer
       wieder Presseberichte über solche Vorfälle. Früher waren das der Hitlergruß
       oder antisemitische Rufe im Stadion. Das gibt es in der Bundesliga viel
       seltener. Heute taucht Antisemitismus tendenziell häufiger bei
       Auswärtsfahrten auf, da werden antisemitische Lieder gesungen und Sticker
       verklebt.
       
       Haben sich die Formen des Antisemitismus also gewandelt? 
       
       Auch das ist schwer zu sagen, weil es keine Erhebungen gibt. Neu ist auf
       jeden Fall, dass sich heute auch auf den Konflikt im Nahen Osten bezogen
       wird. Das berichten auch die Makkabi-Vereine, jüdische Sportvereine in
       Deutschland. Die berichten von Fans und Spielern, die sich auf den Islam
       beziehen und ihre antisemitischen Äußerungen mit dem Nahostkonflikt
       begründen.
       
       In Ihrem Buch stellen Sie die These auf, dass das Fußballstadion eine Art
       Gewächshaus für Antisemitismus ist. Worauf stützt sich diese Annahme? 
       
       Fußball wurde immer schon als eine Form der Parallelgesellschaft angesehen.
       Da kann man machen, was in der Gesellschaft sonst viel stärker sanktioniert
       wird, mal so richtig die Sau rauslassen. Bis heute ist das eine sehr
       verbreitete und von Fans verteidigte Sichtweise. Das hat dazu geführt, dass
       Diskriminierungen im Fußball gang und gäbe sind und viel weniger
       hinterfragt werden als anderswo. Und gerade Antisemitismus wird total
       verharmlost.
       
       Inwiefern? 
       
       Im Fußball funktioniert Antisemitismus ja so: Der gegnerische Verein und
       die Fans werden mit negativen Vorurteilen belegt, die es über Juden gibt –
       die Bösen, die Hinterhältigen, die Reichen, die die Strippen ziehen. In den
       achtziger und neunziger Jahren war der Hamburger SV ja noch erfolgreicher
       und hatte mehr Geld als Werder Bremen. Damals haben die Werder-Fans
       beispielsweise gesungen: „Schwarz, weiß, blau – Juden HSV“. Das gab es
       damals oft und taucht heute auch noch manchmal auf. Und wenn man die Leute,
       die so etwas rufen, darauf anspricht, sagen sie oft: Das sind ja gar keine
       Juden, also kann das, was ich gesagt habe, auch nicht antisemitisch sein.
       
       Das klingt fragwürdig. 
       
       Es gibt eine Sprachwissenschaftlerin, die zwischen intendiertem und nicht
       intendiertem Antisemitismus unterscheidet. Klar ist die Handlung derer, die
       rufen, antisemitisch. Wenn man manche dann aber darauf anspricht, sagen
       sie, dass das, was in Israel passiert, ihnen eigentlich egal ist.
       
       Also ist Antisemitismus hier Mittel zum Zweck? 
       
       Im Fußball geht es immer darum, den Gegner als schwach darzustellen, ihn
       abzuwerten. Ich gehe davon aus, dass manchmal kein Rassismus benutzt wird,
       weil er nicht funktionieren würde. Du kannst keine weiße deutsche Fangruppe
       rassistisch beleidigen. Mit Antisemitismus funktioniert das.
       
       Und wie kann dieser Antisemitismus bekämpft werden? 
       
       Die Lösung setzt bei den Fans an. Man sollte die Leute, die antisemitische
       Lieder singen, nicht einfach nur als Antisemiten bezeichnen. Mit ihnen
       müssen Gespräche geführt werden, und ihnen muss deutlich gemacht werden,
       dass ihr Handeln antisemitisch ist oder war, und wenn sie keine Antisemiten
       sein wollen, sie reflektieren und sich ändern müssen.
       
       Welche Rolle spielen dabei die Vereine und Verbände? 
       
       Die Verbände haben lange zu wenig gemacht. Bis heute gibt es kaum ein
       Programm, das sich explizit mit Antisemitismus beschäftigt. Antisemitismus
       wird mit Rassismus in einen Topf geworfen. Weil der ja aber ganz anders
       funktioniert, kann das nicht die Lösung sein. Wir brauchen
       Diskussionsveranstaltungen und Bildungsangebote für Fans, und dabei muss es
       um die verschiedenen Facetten von Antisemitismus gehen. Ein Ansatz kann
       sein, die eigene Historie eines Vereins im Nationalsozialismus anzuschauen,
       die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Eintracht Frankfurt macht das seit
       einigen Jahren beispielsweise sehr erfolgreich.
       
       7 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marthe Ruddat
       
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