# taz.de -- Teilwiederholung der Wahl in Berlin: SPD und FDP mit herben Verlusten
       
       > Bei der Teilwiederholung der Bundestagswahl von 2021 in Berlin legen AfD
       > und CDU deutlich zu. Vier Berliner Abgeordnete verlieren ihr Mandat.
       
 (IMG) Bild: Vier Berliner Abgeordnete verlieren wegen der Nachwahl ihren Sitz im Bundestag, darunter Nina Stahr von den Grünen
       
       BERLIN taz | Am Sonntag ist die Hoffnung der SPD zerplatzt, bei der
       Teilwiederholung der Bundestagswahl von 2021 ihren bundesweiten
       Abwärtstrend zu stoppen. Auch der Appell der SPD-Führung, ein klares
       Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen, blieb wirkungslos.
       
       In den 455 von rund 2.200 Wahlbezirken der Hauptstadt, in denen nach einem
       Urteil des Bundesverfassungsgerichts wegen zahlreicher Wahlpannen neu
       gewählt werden musste, stürzten die Sozialdemokraten gegenüber 2021 von
       22,4 auf 14,6 Prozent ab. Die AfD hingegen konnte ihr Ergebnis fast
       verdoppeln und legte von 7 auf 12,6 Prozent zu.
       
       Dabei hatten führende Sozialdemokraten im Januar die Berliner Wählerschaft
       [1][noch zu motivieren versucht]. An einem kühlen, von stadtweitem Glatteis
       begleiteten Januarabend hatten SPD-Bundeschef Lars Klingbeil und
       Generalsekretär Kevin Kühnert, der seinen Wahlkreis im Berliner Bezirk
       Tempelhof-Schöneberg hat, im Willy-Brandt-Haus gefordert, bei der Wahl in
       Berlin ein klares Signal zu setzen. Die Wiederholungswahl sei die erste
       wichtige in diesem an Wahlen so vollen Jahr 2024, hieß es – umso mehr nach
       den Enthüllungen über ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, welches
       die Berliner SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey an jenem Abend als
       „Wannseekonferenz der Neuzeit“ bezeichnete.
       
       In etwa einem Fünftel der Berliner Wahlbezirke musste die Bundestagswahl
       2021 wegen damaliger Organisationspannen am Sonntag wiederholt worden. Etwa
       550.000 Hauptstädter durften erneut abstimmen – rund 1 Prozent der
       Stimmberechtigten bundesweit.
       
       ## FDP bei 3 Prozent
       
       Die Mehrheit der Ampelkoalition, so viel war schon nach dem Urteil des
       Verfassungsgerichts kurz vor Weihnachten klar, würde die Nachwahl in Berlin
       nicht gefährden. Konsequenzen hat das Ergebnis für die rot-grün-gelben
       Partner trotzdem – und zwar höchst unterschiedliche. Denn noch stärker als
       die SPD brach die FDP ein: sie sackte in den 455 betroffenen Wahlbezirken
       von 8,5 auf 3 Prozent. Die Grünen konnten ihr Ergebnis dagegen leicht
       verbessern: Sie legten von 27,2 auf 27,6 Prozent zu.
       
       Nicht nur die SPD-Größen Lars Klingbeil und Kevin Kühnert, auch andere
       Parteivorsitzende hatten dazu aufgerufen, in Berlin zur Wahl zu gehen, auch
       wenn es auf den Bundestag minimale Auswirkungen haben würde. Tatsächlich
       stimmte am Sonntag – oder zuvor per Briefwahl – nur [2][jeder und jede
       Zweite aller Wahlberechtigten] ab.
       
       Die Wahlbeteiligung, die 2021 noch über 75 Prozent betrug, brach in den
       Wiederholungswahlbezirken um ein Drittel ein, auf 51 Prozent. Hinter
       vorgehaltener Hand war am Wahlabend sogar Erleichterung zu hören, dass die
       Beteiligung nicht noch geringer ausfiel.
       
       Der CDU wiederum gelang es trotz deutlicher Gewinne von knapp 7 Prozent
       nicht, durch die Teilwiederholung der SPD oder den Grünen Wahlkreise
       abzunehmen. Hoffnungen hatten sich die Christdemokraten im Ostwahlkreis
       Pankow und in Charlottenburg-Wilmersdorf im Berliner Westen gemacht. Dort
       wurde in besonders vielen Wahllokalen erneut gewählt. In Pankow konnte der
       Grüne Stefan Gelbhaar, der dort 2021 das erste grüne Direktmandat in einem
       ehemaligen Ostbezirk holte, sogar noch zulegen.
       
       ## Vier Abgeordnete verlieren Sitz
       
       Spannender waren die Entscheidungen im Westteil der Stadt. Dort hatte 2021
       der SPD-Mann Michael Müller, bis dahin Regierender Bürgermeister und damit
       Ministerpräsident von Berlin, mit großem Vorsprung gewonnen: 5.400 Stimmen
       lag er vor der später zur Bundesfamilienministerin beförderten Lisa Paus
       (Grüne), über 8.400 vor dem CDU-Bewerber Klaus-Dieter Gröhler.
       
       Am späten Sonntagabend blieben davon gerade mal 600 beziehungsweise 700
       Stimmen übrig. Bei höherer Wahlbeteiligung, so war zu mutmaßen, wäre Müller
       das Direktmandat los gewesen.
       
       Auch dann wäre der Ex-Regierungschef allerdings im Bundestag geblieben,
       weil er Spitzenkandidat der SPD-Landesliste war – jener Liste, über die
       Parteien Mandate besetzen, die ihnen über direkt gewonnene Wahlkreise
       hinaus zustehen. Vier andere bisherige Berliner Bundestagsabgeordnete
       verloren am Sonntag hingegen ihren Sitz im Bundestag: die
       Grünen-Landesvorsitzende Nina Stahr, die sich nun ganz auf diesen Job
       konzentrieren kann, sowie Ana-Maria Trăsnea (SPD), Pascal Meiser (Linke)
       und Lars Lindemann (FDP).
       
       Da die Ergebnisse zwischen den Bundesländern miteinander verrechnet werden
       und die absolute Anzahl der Zweitstimmen durch die geringe Wahlbeteiligung
       in den Berliner Wiederholungsbezirken schrumpfte, rücken bei der SPD Angela
       Hohmann aus Niedersachsen, bei den Grünen Franziska Krumwiede-Steiner aus
       Nordrhein-Westfalen und bei der Linkspartei Jörg Cezanne aus Hessen nach,
       weil Christine Buchholz verzichtet.
       
       ## FDP verliert Sitz ganz
       
       Die ehemalige Abgeordnete Buchholz begründete ihren Verzicht am Montag
       damit, dass die Linke „ihrer Aufgabe als Antikriegspartei“ nicht gerecht
       werde. Die Annahme des Mandats würde sie „in einen ständigen Konflikt mit
       der Linie der Parteispitze und der Gruppe der Linken im Bundestag bringen“,
       erklärte Buchholz. Sie wünscht sich von ihrer Partei mehr Kritik an der
       Nato, an der deutschen Rolle im Ukrainekrieg und Israels Krieg in Gaza.
       
       Die FDP verliert ihren Sitz hingegen ersatzlos. Aufgrund der geringen
       Beteiligung an der Wiederholungswahl stammen damit künftig nur noch 25
       statt bisher 29 Abgeordnete im Bundestag aus Berlin. Dem Bundestag gehören
       künftig 735 Abgeordnete an, darunter nur noch 91 der FDP.
       
       Die politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Brüning, wertete das
       Ergebnis ihrer Partei als „Rückenwind für unsere Arbeit“ und es sei „ein
       guter Start in dieses Superwahljahr“. Ähnlich sieht das auch die Linke: Man
       gehe gestärkt in die Europawahl und in die Bundestagswahlen 2025, sagte der
       Berliner Landeschef Maximilian Schirmer.
       
       Doch klar ist: Die Berliner Wahlergebnisse erhöhen den Druck auf die Ampel,
       insbesondere auf SPD und FDP. Die SPD-Landeschefin Giffey sagte, die
       Verluste der Ampelparteien müsse man sehr ernst nehmen. Bisher habe die SPD
       in der Ampel stark moderiert, jetzt müsse sie wieder stärker für ihre
       Position stehen. „Das bedeutet, dass die Unzufriedenheiten, die in der
       Bevölkerung da sind, wieder stärker aufgegriffen werden müssen“, sagte
       Giffey der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das starke Abschneiden der AfD
       und die niedrige Wahlbeteiligung seien Warnzeichen.
       
       FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte dpa: „Es ist ein bitteres Ergebnis, aber im
       Angesicht der aktuellen Umfragewerte kommt es nicht überraschend. Für die
       FDP muss klar sein, dass nur eine mutigere und fortschrittlichere
       Wirtschafts-, Energie- und Migrationspolitik zum Erfolg führen wird.“ Er
       mahnte: „Wir tun gut daran, diesen Kurswechsel in der Koalition spätestens
       mit den anstehenden Haushaltsberatungen einzuleiten.“
       
       Druck macht auch die CDU. Ihr Landeschef Kai Wegner, der als Regierender
       Bürgermeister im Land Berlin seit 2022 eine Koalition mit der SPD führt,
       sagte der dpa: „Die Menschen wollen, dass sich etwas ändert, sie erwarten,
       dass der Kanzler endlich sagt, wie er dieses Land aus der Krise führen
       will.“
       
       12 Feb 2024
       
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