# taz.de -- Vorwürfe gegen UN-Flüchtlingshilfswerk: Die UNRWA überflüssig machen
       
       > Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge ist auf kurze Zeit
       > nicht zu ersetzen. Mit einer politischen Lösung wäre das Ende der UNRWA
       > machbar.
       
 (IMG) Bild: Ausgabe von Hilfsgütern durch die UNRWA in Chan Yunis im südlichen Gazastreifen im November 2023
       
       Pünktlich zum Ende der Woche schickt das UN-Hilfswerk für palästinensische
       Geflüchtete (UNRWA) einen Spendenaufruf – wie immer seit Beginn des
       jüngsten Kriegs im Gazastreifen. Dieser Tage hat der Aufruf und der
       dramatische Hinweis auf die katastrophale humanitäre Lage von rund zwei
       Millionen Menschen in dem Küstengebiet jedoch einen schalen Beigeschmack.
       UNRWA-Mitarbeiter sollen in den brutalen Überfall der Hamas verwickelt
       gewesen sein und die Terrormiliz unterstützt haben.
       
       Die israelische Regierung hat Beweismaterial ihrer Geheimdienste an
       US-Medien durchgestochen. Es geht um die unmittelbare Beteiligung an dem
       Massaker vom 7. Oktober und um rund 10 Prozent aller
       [1][UNRWA-Angestellten, die Verbindungen zur Hamas] haben sollen. Bekannt
       ist, dass neben den Terroristen auch Zivilisten am 7. Oktober gemordet,
       geplündert, israelische Bürger:innen verschleppt haben. Nicht belegt ist
       hingegen eine direkte Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern.
       
       Die Dokumente, die den israelischen Geheimdiensten vorliegen, sind nicht
       veröffentlicht und einige Aussagen widersprüchlich, wie [2][ein aktueller
       Bericht von Sky News] zeigt, der nun nicht mehr von zwölf mutmaßlich
       Beteiligten spricht, sondern nur noch von sechs Personen. Tatsächlich
       kommen die Anschuldigungen nicht überraschend, gibt es doch seit Jahren
       Diskussionen über Lehrbücher, die antisemitische Hassbilder in
       UNRWA-Schulen verbreiten.
       
       Gemessen an den rund 13.000 Mitarbeitern der Organisation ist die Anzahl
       der Menschen, die die Hamas unterstützen, aber offenbar doch recht gering.
       Der Einsatz von Hilfsorganisationen in Krisengebieten ist bedingungslos
       zu akzeptieren. Das gebietet die Menschlichkeit. Und zugleich birgt die
       Zusammenarbeit mit lokalen Partnern immer auch ein Restrisiko. So auch im
       Gazastreifen, in dem das UNRWA einer der größten Arbeitgeber ist. Wohin
       fließen Gelder? Wer unterstützt welche Milizen?
       
       ## Über Jahrzehnte gewachsene Strukturen
       
       Natürlich muss es Kontrollmechanismen geben, um einen Missbrauch der
       Hilfsgelder auszuschließen. Sollten die UNRWA-Geberländer ihre Zahlungen
       nicht umgehend wieder aufnehmen, [3][droht ein Massensterben]. Das betrifft
       auch die Bundesregierung, die zu Recht auf eine lückenlose Aufklärung der
       Vorwürfe drängt. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini leitete Untersuchungen ein.
       Was einfach klingt, ist derzeit schlichtweg nicht machbar.
       
       Eine sofortige Übergabe an andere Organisationen ist allein aufgrund der
       über Jahrzehnte gewachsenen Verteilungsstrukturen in Gaza nicht möglich.
       Sie zu ersetzen, bräuchte Zeit. [4][Zeit, die die palästinensische
       Zivilbevölkerung nicht hat]. Die größte Herausforderung aber ist, den
       UNRWA-Auftrag zu reformieren. Zentral ist das verankerte Rückkehrrecht
       aller palästinensischen Geflüchteten. Wohin? Dafür gibt es derzeit keinen
       validen Plan, der politisch gedeckt wäre.
       
       Seit 1949 – mit der Gründung des UNRWA – hängen palästinensische
       Geflüchtete am Tropf internationaler Organisationen. Nicht nur im
       Gazastreifen und der Westbank, sondern auch in Syrien, im Libanon und
       andernorts. Eine Integration in die jeweiligen Sozialsysteme der Staaten
       war dort nicht gewollt. Eine Aufnahme der palästinensischen Flüchtlinge für
       immer war nicht geplant, nicht von den meisten Gaststaaten und noch weniger
       von der PLO.
       
       ## Unersetzlicher Rettungsanker
       
       Das Ende des UNRWA ist da, wenn es zu einer wie auch immer gearteten
       Zweistaatenlösung kommt, also zur Gründung eines palästinensischen Staats,
       in dem die Geflüchteten und ihre Nachfahren leben könnten, wenn sie sich
       dazu entscheiden. Aus israelischer Sicht ist dieser Plan vom Tisch, doch
       gerade in diesen Wochen drängen vor allem die [5][USA und auch Deutschland
       auf die Zweistaatenlösung].
       
       Den Druck auf Jerusalem aufrechtzuerhalten und eine diplomatische Lösung
       voranzutreiben, ist das Gebot der Stunde. Solange das nicht passiert, gilt,
       was das Hilfswerk in seinem Aufruf schreibt: Die Menschen in Gaza sind
       abhängig vom UNRWA, ihrem unersetzlichen Rettungsanker.
       
       3 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-01-29/ty-article/israel-accuses-190-unrwa-staff-of-being-hardened-militants-intel-memo-alleges/0000018d-5637-d0fc-a9bd-5e7fcbd50000
 (DIR) [2] https://news.sky.com/story/israeli-intelligence-report-claims-four-unrwa-staff-in-gaza-involved-in-hamas-kidnappings-13059967
 (DIR) [3] /Palaestinenserhilfswerk-und-7-Oktober/!5985561
 (DIR) [4] /Humanitaere-Lage-im-Gazastreifen/!5977756
 (DIR) [5] /Nach-dem-Krieg-in-Gaza/!5979106
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Gazastreifen
 (DIR) Flüchtlingshilfe
 (DIR) Palästinenser
 (DIR) Gaza
 (DIR) Palästina
 (DIR) Israel
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Hamas
 (DIR) Gaza-Krieg
 (DIR) Israel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Hilfswerk-Sprecherin zu Vorwürfen: „UNRWA trägt zur Stabilität bei“
       
       Nach Terrorvorwürfen haben Länder wie Deutschland die Zahlungen an das
       Hilfswerk gestoppt. UNRWA-Sprecherin warnt vor den Folgen – nicht nur für
       Gaza.
       
 (DIR) Vorwürfe gegen UNRWA: Viele Prüfungen und wenig Geld
       
       Das in der Kritik stehende UN-Hilfswerk rechnet im März mit ersten
       Untersuchungsergebnissen. Auch die Neutralität von UNRWA soll überprüft
       werden.
       
 (DIR) Ex-Botschafter in Deutschland: „Israel braucht Neuwahlen“
       
       Israels ehemaliger Botschafter, Jeremy Issacharoff, spricht über den Krieg
       gegen die Hamas, die Verhandlungen um die Geiseln – und die Zeit nach dem
       Konflikt.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: USA attackieren Huthi
       
       Nach Angriffen in Irak und Syrien bombardierten die USA und Großbritannien
       Huthi-Stellungen im Jemen. Die UN setzen eine Dringlichkeitssitzung für
       Montag an.
       
 (DIR) Harsche Kritik an UNRWA-Arbeit: There is no „no alternative“
       
       Wenn das Ende des UNRWA-Mandats gefordert wird, heißt es oft, es gebe keine
       Alternative zum Hilfswerk für Geflüchtete. Unser Autor sieht das anders.
       
 (DIR) Palästinenserhilfswerk und 7. Oktober: Eine Auflösung wäre töricht
       
       Die Terror-Vorwürfe gegen die UNRWA müssen aufgeklärt werden. Die
       UN-Flüchtlingshilfe leistet aber wichtige Arbeit und sollte bestehen
       bleiben.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Nahostkrieg +++: Guterres trifft UNRWA-Geberländer
       
       Der UN-Generalsekretär bittet um weitere Finanzierung von UNRWA. Die USA
       verwechselten Kampf- mit Aufklärungsdrohne. Acht Tote bei Angriff in
       Syrien.