# taz.de -- Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine: Charkiw braucht Investoren
       
       > Charkiw, größte Metropole der Ostukraine, ist von russischen Angriffen
       > schwer getroffen. Bürgermeister Ihor Terechow will raschen Wiederaufbau.
       
 (IMG) Bild: Reparaturarbeiten am von russischen Angriffen beschädigten Wärmekraftwerk in Charkiw
       
       taz: Herr Terechow, Sie nehmen diese Woche an der Wiederaufbaukonferenz für
       die Ukraine in Berlin teil. Kommen Sie mit bestimmten Wünschen oder
       Vorschlägen für Ihre Stadt Charkiw? 
       
       Ihor Terechow: Energie. Die Hauptaufgabe der Berliner Konferenz besteht
       darin, die Stadt auf den Winter vorzubereiten. Dazu werden wir auch eine
       Finanzierungsvereinbarung mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und
       Entwicklung (EBWE) über 25 Millionen Euro für Charkiw unterzeichnen. Das
       zweite Ziel sind Charkiws Perspektiven. Wir legen Investitionspläne und
       Vorschläge vor, die dann begutachtet werden. Wir verstehen, dass Investoren
       im Krieg sehr vorsichtig sein werden. Aber wenn wir erst nach dem Krieg mit
       der Arbeit beginnen und erheben, welche Mittel benötigt werden, wie viel
       Geld der Investor später erhält und wie lang die Bauzeit sein wird, dann
       werden wir allein auf die Genehmigung zwei bis drei Jahre warten.
       
       Wie ist die Lage der kommunalen Versorgungsunternehmen nach einem Monat der
       russischen Offensive in der Region Charkiw? 
       
       Allein im Mai gab es 76 Angriffe auf Charkiw, fast dreimal mehr als im
       April. Sie waren sehr heftig und haben großen Schaden angerichtet – für die
       Menschen, die Produktion und die kommunalen Versorgungsnetze. Die
       [1][Energie- und Wärmeerzeugung] wurde vollständig zerstört. Wir werden von
       anderen Städten versorgt und können daher jederzeit von dieser Versorgung
       getrennt werden. Für die Erzeugung von Elektrizität brauchen wir unsere
       eigenen Anlagen.
       
       Wie bereitet sich die Stadt auf den Winter vor? 
       
       Dezentralisierung der Energie. Das ist der einzige Ausweg. Ich glaube nicht
       daran, dass wir das Wärmekraftwerk heute instandsetzen oder einfach nur
       retten können. Es wird weitere Angriffe geben, und alles wird erneut
       zerstört. Daher braucht es lokale Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung.
       
       Keine Wärme, kein Licht – wird die Anzahl der Geflüchteten aus Charkiw
       steigen? 
       
       Zweifellos! Und da es zu einer solchen Lage in der gesamten Ukraine kommen
       könnte, werden die Menschen Zuflucht in Europa suchen. Das erhöht natürlich
       auch die Zahl von Ukrainer*innen, die nach Deutschland kommen. Uns ist
       klar, dass dies eine Herausforderung ist.
       
       Aber sehr viele bleiben auch, trotz der Gefahr. 
       
       In jeder Stadt ist es gefährlich. Aber die Menschen lieben Charkiw. Viele,
       die weggegangen sind, sind wieder zurückgekehrt. Ihnen ist klar geworden,
       dass sie sich hier immer noch wohler als in anderen Städten fühlen und
       ihnen alles vertrauter ist. Das ist das Zuhause.
       
       Wie genau soll Charkiw wieder aufgebaut werden? Ist das während des Kriegs
       überhaupt möglich? 
       
       Wir müssen jetzt die Häuser im Stadtteil Nord-Saltiwka wieder aufbauen, in
       einem fast schon legendären Teil der Stadt. Der Wiederaufbau dort gibt den
       Menschen Vertrauen in die Zukunft – das ist sehr wichtig. Für andere
       Stadtteile stellen wir eigene Mittel bereit, aber für Nord-Saltiwka
       brauchen wir Hilfe. Die Stadt kann die finanzielle Belastung einfach nicht
       allein tragen.
       
       Wie viele Schäden hat Charkiw seit dem Beginn des Kriegs zu verzeichnen,
       kann die Stadt aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen? 
       
       In Charkiw belaufen sich die Schäden auf 10 Milliarden Euro. Wenn wir das
       gesamte Budget von Charkiw aufwenden würden, was unmöglich ist, würde der
       Wiederaufbau 17 Jahre dauern. Wenn wir 20 Prozent des Budgets
       bereitstellten, wären das 50 Jahre. Das sind unrealistische Zeiträume.
       Deshalb brauchen wir private Investoren.
       
       Wie sehen Sie Charkiw in zehn Jahren? 
       
       Eine coole, eine junge Stadt. Das ist am wichtigsten. Ich möchte wirklich,
       dass wir das Projekt eines Wissenschaftsparks in Charkiw wieder aus der
       Schublade holen. Wenn dies gelingt, betrachte ich meine Mission als
       erfüllt.
       
       Sie wurden Bürgermeister in einer sehr schwierigen Zeit. Bereuen Sie das? 
       
       Als ich anfing, waren die Zeiten noch einfach (lacht). Einer oder eine
       musste das ja machen. Aber bereuen? Auf keinen Fall.
       
       Aus dem Russischen von Barbara Oertel
       
       11 Jun 2024
       
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