# taz.de -- Deutsch-britische Beziehungen: Die erste Nato-Operation
       
       > Der Sieg bei Waterloo war weder ein deutscher noch ein britischer. Er war
       > europäisch. Dies ist bezeichnend für das damalige Verhältnis der beiden
       > Länder.
       
 (IMG) Bild: Im belgischen Waterloo wird die 200 Jahre zurückliegende Schlacht regelmäßig nachgestellt.
       
       Die letzten Jahre waren keine guten für die deutsch-britischen Beziehungen.
       Großbritannien und Deutschland sind über die Zukunft der Europäischen Union
       wiederholt aneinandergeraten. Ein robuster auftretendes London und ein
       vorsichtiges – sogar versöhnliches – Berlin bleiben weit auseinander in der
       Frage, wie mit Bedrohungen umzugehen ist, die so verschieden sind wie der
       IS im Nahen Osten oder Russland unter Wladimir Putin.
       
       Auf der populären Ebene haben die Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag
       des Ersten Weltkriegs einige der alten Wunden aufgerissen. Die Frage nach
       der Verantwortlichkeit für den Konflikt, die von Historikern lange Zeit
       hauptsächlich Deutschland zugeschrieben wurde, wird heute neu gestellt, wie
       etwa in Christopher Clarks Buch „Die Schlafwandler“.
       
       Der Zweite Weltkrieg hat weiterhin eine herausragende Stellung in der
       britischen Erinnerungskultur. Und doch ist der tödliche „anglodeutsche
       Antagonismus“ – so Paul Kennedys klingende Redewendung –, der das 20.
       Jahrhundert so sehr geprägt hat, relativ jung. Jahrhundertelang genossen
       Briten und Deutsche zuvor eine besondere und andere Beziehung.
       
       So beschäftigte etwa das Schicksal der zentraleuropäischen Protestanten die
       Engländer im 16. und 17. Jahrhundert sehr und es spielte eine zentrale
       Rolle beim Niedergang der Stuarts. Wenn Briten vor Ende des 18.
       Jahrhunderts vom „Empire“ sprachen, meinten sie das Heilige Römische Reich
       Deutscher Nation und weniger ihre kolonialen Besitztümer in Übersee.
       
       ## Britisch-deutsche Personalunion
       
       Im 19. Jahrhundert waren britische und deutsche Liberale vereint in
       Opposition zur zaristischen Autokratie und im Glauben an den Fortschritt.
       Respekt vor deutscher Gelehrsamkeit oder Musik waren in Großbritannien weit
       verbreitet. Bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg hielten sich beide Nationen
       für Verwandte; die Briten sprachen oft von den Deutschen als „Cousins“.
       
       Aber das gewichtigste Symbol der besonderen anglodeutschen Beziehungen war
       die Personalunion von 1714. Diese brachte Georg Ludwig, den Kurfürsten des
       norddeutschen Fürstentums von Hannover, auf den Thron von Großbritannien
       und Irland. Er war der geeignete Protestant (und ein Nicht-Stuart), um
       Nachfolger von Queen Anne zu werden, die 1714 ohne einen überlebenden
       männlichen Thronerben verstorben war.
       
       Das 300-jährige Jubiläum dieses Ereignisses wurde ein wenig in den Schatten
       gestellt vom 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs. Aber am 20. Oktober 2014
       wurde in St Martin-in-the-Fields in London ein Gedenkgottesdienst
       abgehalten – organisiert von der British-German Association. Die königliche
       Familie wurde vom Duke of Kent repräsentiert, Vertreter der britischen und
       der deutschen Regierung waren anwesend.
       
       Nach 1714 reichte Großbritanniens geopolitischer Horizont bis zu den zwei
       deutschen Flüssen Elbe und Weser, also über den englischen Kanal hinaus,
       ebenso wie zum Ohio River in Nordamerika oder nach Asien. Der Union Jack,
       die britische Flagge – kaum sieben Jahre alt – blieb unverändert, aber das
       weiße Pferd von Hannover wurde zu einem wichtigen Charakteristikum in
       Polemik und Ikonografie des 18. Jahrhunderts.
       
       ## Beschränkungen der Macht
       
       Aufgrund der hannoveranischen Nachfolge lag Großbritannien – oder
       Britannien-Hannover, wie es besser genannt werden könnte –, ob es ihm nun
       gefiel oder nicht, im Herzen Europas. Für ungefähr 120 Jahre wurde
       Großbritannien eine unbestreitbar deutsche Macht, regiert von Deutschen.
       
       Die Hannoveraner eigneten sich sehr gut für ihre Rolle. Sie waren
       keineswegs, wie Kritiker behaupteten, despotische Herrscher. In Hannover
       arbeiteten sie eng mit dem örtlichen Adel zusammen. Als Prinzen des
       Heiligen Römischen Reiches mit seinen Institutionen, den Gerichtshöfen oder
       dem Deutschen Reichstag und der zumindest nominalen Souveränität des
       Kaisers waren sie Beschränkungen ihrer Macht gewohnt.
       
       In Großbritannien regierten sie mithilfe von Ministern, die sich vor dem
       Parlament zu verantworten hatten. Die Zivilliste – der jährliche Haushalt,
       der dem Monarchen aus der Staatskasse zugestanden wurde – deckte nur die
       rudimentären Staatsdienste, königliche Verwaltung, diplomatischen Dienst
       und Geheimdienst. Andere wichtige Posten für Armee oder Marine mussten vom
       Parlament genehmigt werden.
       
       ## Angst vor einer universalen Monarchie
       
       Es gab reichlich Kontroversen unter den britisch-hannoverschen Georgs, aber
       ihre Herrschaft war nicht von den destruktiven Konfrontationen mit dem
       Parlament geprägt, die noch die Stuart-Ära charakterisieren. Keiner
       Gesetzesvorlage, die beide Häuser des Parlaments passieren mussten, wurde
       nach 1714 die königliche Zustimmung versagt.
       
       Die hannoveranische Thronfolge war ein großer Schritt in der Entwicklung
       einer nationalen britischen Identität. Zuvor wurde diese in den Kämpfen
       gegen Spanien im 16. Jahrhundert geformt, später durch die Kriege mit Louis
       XIV. Angst vor einer universalen Monarchie sowie Antikatholizismus waren
       weitere wichtige Faktoren, die Engländer und Schotten zusammenschweißten,
       ebenso die Ideologie der zunehmend imperialen Expansion. Die deutsche
       Verbindung formte diese Identität nach 1714 um.
       
       Für eine Minderheit waren die „despotischen“ und „lümmelhaft bäurischen“
       Hannoveraner Ausgangspunkt für nationalistisches Gehabe. Für die meisten
       jedoch trug die hannoveranische Verbindung den Geist eines gemeinsamen
       europäischen Projekts, um „die Freiheit Europas“ zu verteidigen. Sie sahen
       Georg I., der mit militärischen Ehren ausgezeichnet gegen Frankreich im
       Krieg um die spanische Thronfolge gekämpft hatte, als einen britischen
       Kriegerkönig, Beschützer des europäischen Protestantismus und Bewahrer des
       Gleichgewichts der Kräfte.
       
       ## Eine weibliche Thronerbin
       
       Dank Deutschlands Salischem Gesetz, nach dem nur Männer den
       hannoveranischen Thron einnehmen konnten, brachte die Thronbesteigung von
       Queen Victoria in Großbritannien diese Personalunion 1837 zu einem Ende.
       Die Beziehungen zwischen Großbritannien und den deutschen Ländern blieben
       lebendig, nicht zuletzt, weil die Queen Prinz Albert von Sachsen-Coburg und
       Gotha heiratete.
       
       Das enge strategische Band mit Zentraleuropa war jedoch zerbrochen und
       veränderte die Geschichte beider Länder. Wie hätten sich die Dinge
       entwickelt, wenn Victoria ein Mann gewesen wäre? Ein „König Victor“ von
       Großbritannien und Hannover hätte London wohl in die Vereinigungskriege
       geführt oder Bismarck davon abgehalten, sie überhaupt anzuzetteln.
       
       Die Personalunion hat ein substanzielles Erbe hinterlassen. Straßen in
       London und quer durchs Land sind nach deutschen Städten, Provinzen oder
       Persönlichkeiten benannt. Im Herzen von New Town in Edinburgh verbindet die
       Hanover Street die drei größten Avenues. In London bezeugen Hanover Square,
       Mecklenburgh Street, Brunswick Place und viele andere Adressen bis heute
       die Stärke der deutschen Verbindung, lange bevor Queen Victoria ein Auge
       auf Albert geworfen hatte.
       
       ## Koloniales Erbe
       
       Jenseits des Atlantiks spiegelte sich die hannoverische Verbindung in der
       Namensgebung von Städten, Kreisen und Provinzen, manchmal spontan, manchmal
       durch staatliche Initiativen wider. Auch dort wurde die hannoverische
       Thronfolge zumeist willkommen geheißen als eine Verteidigung gegen
       Popenschaft, Absolutismus, französische oder spanische Aggression.
       
       Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Hanover oder New Hanover Counties in
       Virginia und North Carolina. Hanover-Stadtgemeinden ließen sich in
       Pennsylvania und New Jersey finden. Schließlich herrschte Georg I. über
       drei Königreiche, zwölf Kolonien und ein Kurfürstentum. Noch bedeutsamer
       war die strategische Kultur, die die hannoverische Verbindung hinterließ.
       Sie blieb in den Debatten des 18. Jahrhunderts umstritten zwischen
       Blue-Water-Tory-Kolonialisten und Perückenkontinentalisten und liefert bis
       heute die Folie für Argumente von Euroskeptikern und Europhilen.
       
       Hannover diente als Eckstein des britischen Bündnissystems zur Verteidigung
       des europäischen Gleichgewichts der Kräfte, das im Gegenzug die Dominanz
       der königlichen Marine auf den Meeren stützte. Das Kurfürstentum war eine
       wichtige (Nachschub-)Quelle für Truppen, von denen viele zur
       Heimatverteidigung eingesetzt wurden. Kaum ein britischer Konflikt vor 1815
       ohne Einbezug deutscher Truppen oder einen Feldzug in Deutschland.
       
       Während der Revolutionären und Napoleonischen Kriege erreichte diese
       Beziehung eine neue Intensität. Frankreich repräsentierte eine
       existenzielle strategische und ideologische Bedrohung für beide Seiten der
       Erbgüter von Georg III. Napoleons Ambitionen auf dem Kontinent waren
       unvereinbar mit der Unabhängigkeit Großbritanniens und der Integrität des
       Kurfürstentums. Sein expansiver Nationalismus bedrohte die Ordnung in
       Deutschland sowie das parlamentarische System Großbritanniens. Der Kampf
       gegen die „französische Tyrannei“ wurde zum alltäglichen Schlachtruf.
       
       ## Teil der britischen Armee
       
       Die Deutsche Legion des Königs war der Inbegriff des gemeinsamen
       anglodeutschen Projekts. Sie wurde 1803 gegründet, als Hannover von
       Napoleon überrannt wurde. Die Männer dieser Legion mussten auch Deutsch
       verstehen. Anders als die ausländischen Formationen, die in den Bündnissen
       gegen Napoleon kämpften, war die Deutsche Legion des Königs aber Teil der
       regulären britischen Armee.
       
       Die Befehlssprache war im Allgemeinen Englisch, die Hierarchie der Ränge
       nach britischem Muster; die Männer des Zweiten Leichten Bataillons waren
       ausgerüstet mit dem Baker-Gewehr und trugen die typisch grünen Jacken der
       britischen leichten Infanterie.
       
       Eine hybride anglodeutsche Identität entwickelte sich in der Legion. Sie
       übernahm den englischen Enthusiasmus für Leibesübungen wie Rudern, Ringen,
       Stockkämpfen oder Boxen und für Teamsportarten wie und Cricket. Offiziere
       und Kommandeure fanden Gefallen an den Manieren der englischen Gentlemen.
       Sie wechselten oft fließend die Sprachen in Konversation und Korrespondenz.
       Die Kulturangleichung zog sich auch durch die unteren Ränge, es war nicht
       ungewöhnlich, englische Vornamen anzunehmen.
       
       Die Legionäre hatten einen besonderen Ethos. Sie sahen sich keinesfalls nur
       als bloße kontinentale Söldner des Königs von England, sondern als
       ideologische Krieger gegen Napoleon und die französische Vorherrschaft. Als
       er in die Armee eintrat, sprach Lieutenant Emanuel Biedermann von der
       Notwendigkeit, „die Franzosen zu vertreiben, die keinen Respekt vor dem
       internationalen Gesetz haben“. Und dass er sich darauf freue, wenn nun „wir
       Deutschen und Schweizer eine aktive Rolle in den Befreiungskriegen auf dem
       Boden des Vaterlands“ einnehmen.
       
       ## Im Kampf gegen Napoleon
       
       Die Legion teilte weder die grummelige Bewunderung für „Boney“, die man oft
       in den britischen Rängen fand, noch die ideologischen Sympathien für das
       napoleonische Projekt, wie sie manche Deutschen äußerten.
       
       Im Jahre 1815 wurde die Deutsche Legion des Königs selbst zur Legende. Zu
       Beginn des Jahres war Napoleon aus dem Exil auf der Mittelmeerinsel Elba
       geflüchtet und bedrohte ein weiteres Mal den Frieden Europas. Die Legion
       bildete einen substanziellen Teil der alliierten Armee, die unter dem Duke
       of Wellington nach Belgien geschickt wurde, um Napoleon zu schlagen.
       
       Als Veteranentruppe war ihnen eine entscheidende Rolle in dem
       heraufziehenden Kampf um Waterloo zugedacht, wo die Schlacht entschieden
       wurde. Das größte Bravourstück dieses Tages war die Verteidigung des
       Gutshofes La Haye Sainte im Zentrum der alliierten Linien. Einen ganzen
       Nachmittag lang wehrten weniger als 400 Gewehrschützen des Zweiten
       Leichtbataillons unter Major George Baring, gemeinsam mit geringer
       Verstärkung, eine weit überlegene französische Truppe ab.
       
       Als sie schließlich am frühen Abend aufgaben, war es zu spät für Napoleon,
       Wellington zu besiegen, bevor Feldmarschall Blüchers Preußen in großer
       Truppenstärke eintrafen. Ohne diese epische Verteidigungsschlacht hätte
       Napoleon die Oberhand gewonnen. Der hundertste Jahrestag dieser Schlacht
       löste 1915 große Verlegenheit bei Franzosen, Briten und Deutschen
       gleichermaßen aus, da die Konstellation nun eine andere war. Traurig merkte
       die Zeitung Hannoverscher Courier an: „Unser Verbündeter aus jener Zeit ist
       heute unser eingeschworener Feind.“
       
       ## Schwieriges Gedenken
       
       Bald wurden die anglodeutschen Beziehungen im 20. Jahrhundert vom Zweiten
       Weltkrieg dominiert, in dem das Britische Empire und Hitlers Deutschland in
       einem Kampf auf Leben und Tod aneinandergerieten. Selbst nach der
       Erschaffung einer neuen und demokratischen Bundesrepublik Deutschland im
       Jahr 1949 und ihrem Beitritt zum Nordatlantischen Bündnis sechs Jahre
       später gelang es nicht, aus den Erfahrungen der Personalunion neue Zugkraft
       zu entwickeln.
       
       Dies lag nicht zuletzt daran, dass die anglodeutschen Beziehung durch die
       wachsende frankodeutsche Partnerschaft auf den zweiten Rang verwiesen
       wurde. Im Jahr 1965 wurde zum 150. Jahrestag der Schlacht ein britischer
       Versuch, die Königin zur Kranzniederlegung an der Waterloo-Gedenksäule in
       Hannover zu entsenden, von der deutschen Regierung vereitelt – aus Sorge,
       Paris zu verärgern.
       
       Vor diesem Hintergrund repräsentiert der 200. Jahrestag der Schlacht von
       Waterloo am 18. Juni 2015 Herausforderung und Chance zugleich. Die
       britische Regierung, sich der Pariser Sensibilitäten bewusst, war zunächst
       sehr zögerlich, die Gedenkfeierlichkeiten zu unterstützen.
       
       Obwohl sie inzwischen ihren Kurs geändert hat – bezeugt durch die höchst
       willkommene Spende George Osbornes im Jahr 2013 im Rahmen des
       Erstellungsplans einer Restauration des Château d’Hougoumont, das damals so
       mutig von Coldstream, den schottischen Grenadier Guards und anderen
       verteidigt wurde –, tut die britische Regierung immer noch nicht genug.
       
       ## Streit um den Sieg
       
       Das hat auf breiter Ebene Zorn erregt. David Green, der Direktor des
       [1][Thinktanks Civitas], kritisierte die Zurückhaltung, „ganz besonders,
       wenn dies aus dem Grund geschieht, eine Beleidigung der Franzosen zu
       vermeiden, weil das Feiern des Siegs als triumphalistisch wahrgenommen
       würde“. Er fügte hinzu, dass „Großbritannien einen Tyrannen bekämpft hat,
       der Europa erobern wollte. Dies war ein Moment von großer Tragweite, an den
       auf jeden Fall erinnert werden sollte.“
       
       Im Gegensatz hierzu warnt Richard J. Evans, der frühere Regius Professor
       für Geschichte an der Universität Cambridge, vor britischem Triumphalismus.
       Zum Teil aus Respekt vor Napoleons fortschrittlichen Qualitäten, zum Teil
       weil er die „entscheidende Rolle“ der britischen Verbündeten betont, die
       diese Schlacht „mehr zu einem deutschen denn zu einem britischen Sieg
       machten“.
       
       Hinter diesen Reserviertheiten verbirgt sich etwas Wichtiges. Die
       Behauptung, Waterloo sei ein „deutscher Sieg“ gewesen, wurde erstmals vor
       dem Ersten Weltkrieg von dem preußischen Historiker Julius Pflugk-Harttung
       aufgestellt. Er argumentierte, dass die Schlacht „ein Sieg germanischer
       Stärke über französisches Halunkentum (war), insbesondere ein Erfolg des
       deutschen Volkes“.
       
       Dies führte Peter Hofschröer in einer Reihe wichtiger, aber umstrittener
       Werke fort und hat sogar einen populären Ausdruck in dem „James Bond“-Film
       „The Living Daylights“ gefunden: „Ich hätte wissen sollen, dass du dich
       hinter diesen britischen Geier Wellington flüchten wirst“, beschimpft der
       Waffenhändlerbösewicht Brad Whitaker den Helden. „Du weißt doch, dass er
       sich deutsche Söldner kaufen musste, um Napoleon zu schlagen, oder etwa
       nicht?“
       
       ## Würdigung der Verbündeten
       
       Fünfundvierzig Prozent der Männer, mit denen Wellington die Schlacht
       begann, sprachen Deutsch in der ein oder anderen Form, und dieses
       Verhältnis wuchs mit jeder preußischen Truppe, die das Schlachtfeld
       erreichte. Am Ende war eine klare Mehrheit der alliierten Kämpfer
       „deutsch“; in dieser Hinsicht war Waterloo in der Tat ein „deutscher Sieg“.
       
       Es gibt jedoch keinerlei Gründe für die Sorge, dass die Würdigung der
       Verbündeten vernachlässigt werde. Die Briten tun sich leichter mit der
       Würdigung der militärischen Beiträge von Ausländern als mit ihren eigenen.
       Große Feldherren des 18. Jahrhunderts, wie Prinz Eugene von Savoyen, der
       den Krieg um die spanische Thronfolge anführte, und Friedrich der Große und
       Kronprinz Karl Wilhelm Ferdinand, die Kommandanten im Siebenjährigen Krieg
       waren, wurden von der britischen Öffentlichkeit schon zu Lebzeiten zu
       Helden gemacht.
       
       Das berühmte Gemälde „Waterloo Dispatch“ von Sir David Wilkie zeigt einen
       schnurrbärtigen Legionär neben der üblichen Zusammenstellung von Briten aus
       dem ganzen Vereinigten Königreich. Der Herzog von Cambridge, General Order,
       der die Legion im Jahr 1816 in den hannoverischen Dienst überführte, sprach
       von ihr als „unsterblich geworden durch die kombinierte Tatkraft der
       britischen und deutschen Furchtlosigkeit“.
       
       ## Gedenken zum 200. Jahrestag
       
       Ausländische Soldaten im britischen Dienst spielen eine prominente Rolle in
       den beliebten „Sharpe“-Romanen von Bernard Cornwell und in ihren
       Verfilmungen. Die Gedenkplakette, die jüngst an der Mauer des Gutshofs La
       Haye Sainte enthüllt wurde, war eher eine britische als eine deutsche
       Initiative.
       
       Es gibt auch eine Plakette in den Memorial Gardens in Bexhill, die von
       Wellingtons Biografin Lady Longford enthüllt wurde. Darüber hinaus weist
       die Waterloo-200-Kampagne, die die [2][Gedenkfeierlichkeiten der Schlacht
       koordiniert], nicht nur Hurrapatriotismus zurück, sondern schreibt
       ausdrücklich: „Mit den weitverzweigten Strukturen, die heute in der
       Europäischen Union existieren, mit ihrer fest verankerten Tradition der
       Kooperation und der Hoheitsrechte zur Verteidigung und Förderung der
       europäischen Werte und den gemeinsamen Interessen, die sich über die
       letzten 60 Jahre unter den europäischen Völkern entwickelt haben, sind die
       Gedenkthemen der multinationalen Kooperation, der europäischen Integration
       und der paneuropäischen Sicherheit und Stabilität wichtig und zeitgemäß.“
       
       Wir können in der Tat sagen, dass Waterloo eher ein „europäischer“ als ein
       „britischer“ oder „deutscher“ Sieg gewesen ist. Sechsunddreißig Prozent der
       Truppen in Wellingtons Armee waren britisch (also englisch, irisch,
       walisisch oder schottisch), zehn Prozent waren aus des Königs Deutscher
       Legion, zehn Prozent waren Nassauer, acht Prozent Braunschweiger, siebzehn
       Prozent waren aus der hannoverischen regulären Armee, dreizehn Prozent
       waren holländisch und sechs Prozent „belgisch“ (Wallonen und Flamen).
       
       ## Vorbild für eine europäische Armee
       
       Um es mit den kürzlich geäußerten Worten des D-Day-Veteranen und ehemaligen
       britischen Chefs des Verteidigungsstabs, Feldmarschall Lord Bramall, zu
       sagen, Waterloo war wirklich und wahrhaftig „die erste Nato-Operation“.
       
       Des Königs Deutsche Legion und speziell das Zweite Leichtbataillon könnte
       dem Modell einer künftigen europäischen Armee zum Vorbild dienen. Der
       Heroismus der Garnison von La Haye Sainte war rational, nicht suizidal; sie
       haben bis zur letzten Kugel gekämpft, aber nicht bis zum letzten Mann.
       Baring hat seine Männer nicht rücksichtslos geopfert aus Gründen der Ehre
       oder im Geist einer todesverachtenden Hybris. Er hat so lange
       durchgehalten, wie er vernünftigerweise konnte, und sich dann aus eigener
       Initiative zurückgezogen.
       
       Barings Männer waren eine multinationale Einheit innerhalb einer
       multinationalen Armee, ausgesandt von einer internationalen Koalition. In
       seinen letzten Befehlen im Februar 1816 verkündete der Herzog von
       Cambridge, dass die Legion in Waterloo „mit aller Kraft der Sache Europas
       geholfen habe“ sowie den Zielen ihres Souveräns, Georg III.
       
       Die Deutsche Legion des Königs, und insbesondere Barings Zweites
       Leichtbataillon, repräsentieren dementsprechend eine deutsche
       Militärtradition, auf die eine demokratische Bundesrepublik und Eurozone
       sich beziehen kann, um ein neues vereinigtes Militär zu erschaffen,
       zusammen mit und an der Seite des United Kingdom.
       
       Aus dem Englischen von Gaby Sohl. Copyright der englischen Fassung: „New
       Statesman“
       
       17 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
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       Der irische Historiker Brendan Simms über die „deutsche Frage“, Putins
       geopolitisches Konzept und Rhetorikseminare von Walter Jens.
       
 (DIR) Hamburgs hässliches Erbe: Unsere Kolonien
       
       Hamburg will sich mit seiner Kolonialgeschichte beschäftigen. Doch statt
       Lob gibt es Kritik von Wissenschaftlern und Verbänden.
       
 (DIR) Kolumne Leuchten der Menschheit: Bitte benehmen Sie sich gut!
       
       „Instructions for British Servicemen“ erschien 1944 als Benimmbuch für
       britische Soldaten in Deutschland. Nun liegt es auch auf Deutsch vor.
       
 (DIR) Kanzlerin Merkel in Großbritannien: Deutsch-britischer Kuschelkurs
       
       Große Ehre, große Erwartung: Merkel spricht in London vor beiden Häusern
       des Parlaments. Sie betont die Bedeutung Großbritanniens für die EU. David
       Cameron ist begeistert.
       
 (DIR) Debatte Separatismus: Das Empire stürzt in Schottland
       
       Im nächsten Jahr könnte sich der nördliche Teil Großbritanniens abspalten.
       Dann wäre die britische Kolonialgeschichte endgültig beerdigt.