# taz.de -- Regionale Flughäfen: Abflug in die Pleite
       
       > Airports in der Provinz erfreuen die Kommunal- und Landespolitik. Geld
       > verdienen kann man mit ihnen eher nicht.
       
 (IMG) Bild: Flughafen Frankfurt-Hahn: Viel Verkehr gibt es nur mit subventionierten Billigfliegern.
       
       BERLIN taz | Wer auf einem Flughafen auf den Kanaren vor der Anzeigentafel
       steht, wundert sich mitunter, wohin man in Deutschland alles fliegen kann:
       Friedrichshafen, Paderborn, Münster, Weeze. Insgesamt 22 internationale
       Verkehrsflughäfen zählt der deutsche Flughafenverband zu seinen
       Mitgliedern; dazu kommen 16 regionale Verkehrsflughäfen und -landeplätze.
       Einer davon – der Flughafen Kassel-Calden – wird am heutigen Donnerstag
       eröffnet. 
       
       Die Bauherren sind stolz, den Flughafen pünktlich fertig bekommen zu haben,
       zumal große Flughafenneubauten wie in Berlin und in Doha erhebliche
       Terminprobleme haben. Aber was nützt die pünktliche Inbetriebnahme eines
       Flughafens, wenn ihn keiner braucht?
       
       Davon zumindest ist einer überzeugt, der es wissen muss: Ralf Teckentrup,
       Chef des Ferienfliegerunternehmens Condor und des Bundesverbandes der
       Deutschen Fluggesellschaften. „Calden halte ich für eine komplette
       Fehlinvestition“, sagte Teckentrup dem Hessischen Rundfunk. Und geht noch
       weiter: „Ich kenne keinen deutschen Regionalflughafen, der eine
       prosperierende Zukunftsperspektive hat.“ Für Teckentrup steht Calden pars
       pro toto. Ein weiterer dauerhaft defizitärer Flughafen werde nun von den
       Steuerzahlern zu finanzieren sein.
       
       Das kann teuer werden, wie selbst der jahrelang boomende Flughafen Hahn im
       Hunsrück zeigt. Ende Februar rückte die rot-grüne rheinland-pfälzische
       Landesregierung in Mainz ein Darlehen in Höhe von 80 Millionen Euro raus,
       um dem defizitären Flughafen über die Runden zu helfen. Im vergangenen Jahr
       machte Hahn 5,3 Millionen Euro Miese; ein Jahr zuvor waren es sogar 10,6
       Millionen Euro.
       
       ## Sinkende Passagierzahlen
       
       Nun soll das Heil des Flughafens, der Rheinland-Pfalz und Hessen gehört, in
       einer Ausweitung des Luftfrachtgeschäfts gesucht werden. Aber mehr
       Luftfracht wollen natürlich alle Flughäfen, die derzeit unter sinkenden
       Passagierzahlen leiden.
       
       „Die deutschen Flughäfen hatten den schlechtesten Jahresstart seit der
       Finanz- und Wirtschaftskrise 2009“, bilanziert der Chef des
       Flughafenverbands AVD, Ralph Beisel. „Die aktuelle Verkehrsentwicklung an
       den Flughäfen ist alarmierend.“ In den ersten beiden Monaten dieses Jahres
       wurden 3,6 Prozent Passagiere weniger gezählt, die Luftfracht verringerte
       sich geringfügig.
       
       Besonders deutlich war der Rückgang bei den Flugbewegungen; deren Zahl sank
       im Vorjahresvergleich um 8,6 Prozent. Beisel: „Waren vor Jahresfrist vor
       allem Regionalflughäfen sowie kleinere und mittelgroße Verkehrsflughäfen
       von den Rückgängen betroffen, trifft es nun zunehmend alle.“
       
       Bereits 2005 warnte die Deutsche Bank – vergebens – vor einem Ausbau der
       Regionalflughäfen. Eine „Fehlallokation von Ressourcen“, schrieb die Bank
       in einer Studie. Den Regionalflughäfen fehle oft die kritische Größe zum
       Erfolg, die bei einer halben bis zwei Millionen Passagieren pro Jahr liege.
       Kleine Flughäfen seien lediglich Prestigeobjekte für Regionalfürsten. Das
       Entstehen zusätzlicher Regionalflughäfen führe aber zu
       Kannibalisierungswirkungen bei nahe gelegenen Flughäfen. Beispiel dafür sei
       Kassel-Calden, ein Flughafen, der dem lediglich 75 Kilometer entfernten
       Flughafen Paderborn Passagiere abziehen dürfte.
       
       ## Schwache Marktposition
       
       „Neben den einzelwirtschaftlichen Problemen vieler Regionalflughäfen
       verursacht deren Ausbau negative gesamtwirtschaftliche Effekte“, schreiben
       die Bank-Analysten. Aufgrund der schwachen Marktposition der
       Regionalflughäfen und dem damit verbundenen Subventionswettlauf seien die
       öffentlichen Zuschüsse für diese Flughafenkategorie im Vergleich zu anderen
       Infrastrukturinvestitionen unverhältnismäßig hoch.
       
       Teilweise könnten diese Flughäfen nicht einmal ihre laufenden
       Betriebskosten erwirtschaften. „Die Folge ist letztlich, dass deutsche
       Steuergelder als Subventionen für Regionalflughäfen zum Teil an
       ausländische Billigfluggesellschaften und deren Fluggäste fließen.“ Um
       dieses Treiben zu beenden, fordern die Banker eine bundeseinheitliche
       Flughafenplanung.
       
       Das sieht auch Thomas Norgall, stellvertretender Geschäftsführer des
       Umweltverbandes BUND in Hessen, so. „Die Regionalflughäfen sind ein Fluch
       des Föderalismus.“ Dabei sei der Luftverkehr von seinem Wesen her in Europa
       international, dafür brauche es eben auch eine bundesweite Planung. „Bei
       Straßen und Schienen haben wir diese auch.“ Wobei Regionalfürsten auch
       unsinnige Autobahn- und Bahnhofsprojekte beeinflussen.
       
       „Von den Regionalflughäfen heben nur Billigflieger ab ohne positiven
       volkswirtschaftlichen Effekt für die Regionen“, sagt Anja Smetanin,
       Sprecherin des ökologischen Verkehrsclubs Deutschlands (VCD). Das Argument,
       die Regionalflughäfen brächten Kaufkraftgewinne in die Region, stimme also
       nicht. Aber die Geschäftsführerin des Flughafens Kassel-Calden, Maria Anna
       Muller, sagt selbst: „Mit Mobilität ist es fast nicht möglich, Geld zu
       verdienen.“
       
       4 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Richard Rother
 (DIR) Richard Rother
       
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