# taz.de -- Kolumbianische Kriegsreporterin: Triumph der Hartnäckigkeit
       
       > Sie wurde entführt und vergewaltigt. Trotzdem gibt sie ihren Kampf gegen
       > den kolumbianischen Bürgerkrieg nicht auf: die Reporterin Jineth Bedoya.
       
 (IMG) Bild: Im März 2012 ehrten First Lady Michelle Obama (l.) und US-Außenministerin Hillary Clinton (r.) Jineth Bedoya.
       
       Jineth Bedoya spricht schnell, und die Sätze kommen ihr fast druckreif über
       die Lippen. „Die Geschichte derjenigen zu erzählen, die keine Stimme haben,
       das ist meine zentrale Motivation“, sagt die investigative Reporterin. Die
       zierliche Frau mit den braunen, halblangen Haaren berichtet seit Langem von
       dem seit rund 50 Jahren tobenden Bürgerkrieg in Kolumbien. Immer steht sie
       auf der Seite der Opfer.
       
       In ihren Reportagen beschreibt sie, wie Menschen im Einflussgebiet der
       Guerilla leben, wie sie vor den Kampfverbänden der Paramilitärs oder denen
       der Armee in die Städte fliehen und wie sie dafür kämpfen, auf ihre Felder
       zurückkehren zu können.
       
       Dafür ist die 39-Jährige nicht nur mit der regulären Armee unterwegs, wie
       die meisten ihrer Kollegen, sie berichtet auch aus den Dschungelcamps der
       Guerilla und der Paramilitärs. Sie recherchiert in Gefängnissen und
       Armenvierteln des Landes, wo der Krieg genauso präsent ist.
       
       Eindringlich beschrieb sie, wie die Guerilleros der Farc vor dem Dröhnen
       der Hubschrauber und vor den Salven aus schweren Maschinengewehren panisch
       durch den Dschungel flohen – sie hat es selbst miterlebt. Reportagen wie
       diese haben ihr Respekt, Preise, aber auch Anfeindungen und Drohungen
       eingebracht.
       
       Zuletzt flüchtete die Reporterin der größten kolumbianischen Tageszeitung
       El Tiempo im Frühjahr 2011 ins Ausland. Der Grund: Ihr Buch über das Leben
       und den Tod des Farc-Comandante Jorge Briceño Suárez alias El Mono Jojoy.
       
       Das gefiel der Guerilla gar nicht – es erschien ein Banner auf der Website
       der Nachrichtenagentur Neues Kolumbien. Neben einem Foto der Redakteurin
       stand der Satz: „Jineth Bedoya, Journalistin oder Mitarbeitern des
       Geheimdienstes?“
       
       Sicherheitsexperten werteten die Farc-Botschaft als ernst zu nehmende
       Drohung und empfahlen der Journalistin, Kolumbien vorübergehend zu
       verlassen. Also ging Jineth Bedoya für ein paar Wochen in die USA, machte
       Urlaub vom Terror in ihrem Heimatland.
       
       ## Zweimal entführt
       
       Es war nicht das erste Mal, denn ihre Reportagen sorgen regelmäßig für
       Empörung links wie rechts der Front. Es sind Geschichten wie die über die
       beiden Brüder, die sich eines Tages schwer bewaffnet gegenüberstanden: der
       eine in der Uniform der regulären Armee, der andere in jener der Guerilla.
       
       „Diese Geschichten aus dem Zentrum des Krieges berühren mich. Es sind
       gewöhnliche Menschen mit all ihren Facetten, die diesen Krieg durchleben
       und durchleiden, und das macht diesen Konflikt so traurig“, sagt Bedoya,
       die zwei Entführungen überstand.
       
       Die erste ereignete sich mitten in Bogotá, vor dem Eingang zu El Modelo,
       einem der bekannten Gefägnisse. Damals, im Mai 2000, war die 27 Jahre alte
       Reporterin noch für den El Espectador im Einsatz. Sie hatte ein Interview
       mit dem inhaftierten Paramilitär „El Panadero“, dem Bäcker, vereinbart.
       
       Doch während sie vor der Haftanstalt auf Einlass wartete, wurde sie von
       Paramilitärs mitten in Bogotá entführt. 16 Stunden dauerte ihr Martyrium –
       sie wurde gefoltert, vergewaltigt, und am Ende wollte sie nur noch sterben.
       Darüber zu sprechen, das war „der härteste Schritt“ für sie.
       
       ## Zwölf Jahre Kampf
       
       Dennoch hat sie diesen Schritt nicht nur einmal gewagt. Bedoya ist an die
       Öffentlichkeit gegangen, ausdauernd, hat die Gewalt gegen Frauen
       thematisiert und gegen die in Kolumbien omnipräsente Straflosigkeit solcher
       Verbrechen opponiert.
       
       Immer wieder hat sie sich auf Podien gesetzt und das Vergessen und die
       Verjährung angeprangert. 12 Jahre, 3 Monate und 18 Tage lang. Dann, am 12.
       September 2012, erkannte die Generalstaatsanwaltschaft endlich an, dass
       ihre Menschenrechte verletzt wurden.
       
       „Die Delikte gegen mich stehen auch im Kontext einer systematischen
       Verfolgung von Journalisten in Kolumbien, und die Anerkennung dieser
       Tatsache ist ein weiterer Fortschritt“, freut sich Bedoya, die in Bogotá
       kaum ohne Leibwächter und gepanzerter Limousine unterwegs sein kann.
       
       Mit ihrem persönlichen Sieg haben nun auch Kolumbiens Frauen gewonnen. Die
       Vergewaltiger werden nicht straffrei davonkommen. Das ist keine
       Selbstverständlichkeit. Bedoya hat den ersten ihrer Peiniger identifiziert,
       der Prozess wird derzeit vorbereitet. Ein Triumph der Hartnäckigkeit.
       
       8 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
       ## TAGS
       
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