# taz.de -- Nahostkonflikt: Hoffen auf die „Mini-Intifada“
       
       > Ein palästinensischer Häftling ist in einem israelischen Gefängnis
       > gestorben. Ein Hungerstreikender steht kurz vor dem Tod. Die Lage im
       > Westjordanland eskaliert.
       
 (IMG) Bild: Proteste für die Freilassung des Palästinensers Samer al-Issawi in Jerusalem.
       
       JERUSALEM taz | In Israel und im Westjordanland wächst die Sorge vor einer
       neuen Eskalation der Gewalt nach dem Tod des Häftlings Arafat Jaradat.
       Hunderte Palästinenser zogen am Sonntag in Hebron, in Tulkarem und im
       Großraum Bethlehem auf die Straße, steckten Autoreifen in Brand und warfen
       Steine auf israelische Soldaten. Ein Mann trug Verletzungen davon, als die
       Soldaten Gummigeschosse auf die Demonstranten abfeuerten.
       
       Die rund 4.500 palästinensischen Häftlinge in Israel verweigerten aus
       Solidarität mit Jaradat für einen Tag die Nahrungsaufnahme. Aufschluss über
       die Hintergründe für das plötzlichen Tod des 30-jährigen Familienvaters am
       Samstag soll eine Autopsie geben.
       
       Seit Tagen stehen sich israelische Sicherheitskräfte und palästinensische
       Demonstranten gegenüber, die die Entlassung der Palästinenser aus der
       Administrativhaft (Haft ohne Gerichtsurteil) sowie bessere Bedingungen in
       den Gefängnissen fordern. Mehrere inhaftierte Langzeit-Hungerstreikende
       befinden sich in unmittelbarer Lebensgefahr. Samer al-Issawi verweigert
       seit 218 Tagen die Aufnahme normaler Nahrung.
       
       „Sollte al-Issawi im Gefängnis sterben, wird die Region in Brand geraten“,
       warnte der arabisch-israelische Knessetabgeordnete Mohammad Barake, und
       „die Flammen werden bis zum Himmel reichen“. Al-Issawis Lage sei
       „gefährlich“, sagte der Politiker, der al-Issawi am Sonntag im Krankenhaus
       besuchte. Der Häftling sei nur noch „Haut und Knochen“ und will fortan auch
       keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen.
       
       ## Spannung vor Obama-Besuch
       
       Israel macht die palästinensische Führung für die neuen Unruhen
       verantwortlich und forderte dazu auf, die Situation zu beruhigen. „Es gibt
       viele Anzeichen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde versucht, die
       Spannung im Westjordanland im Vorfeld des Besuches von US-Präsident Barack
       Obama in der Region anzuheizen“, schrieb die konservative Jerusalem Post.
       Obama wird für den 20. März in der Region erwartet. Eine „Mini-Intifada“
       könnte den Palästinensern hilfreich sein, so angeblich die Hoffnung in
       Ramallah, wo man auf eine erneute us-amerikanische Initiative für den
       Friedensprozess wartet.
       
       Die Autonomiebehörde wies den Vorwurf einer gezielten Volksaufwiegelung
       zurück und machte umgekehrt Israel für die neuen Unruhen verantwortlich.
       Hanan Aschrawi, Mitglied im Exekutivkomittee der PLO (Palästinensische
       Befreiungsorganisation), forderte gestern eine UN-Untersuchung von Jaradats
       Tod. „Dies ist kein Einzelfall“, erklärte die PLO-Funktionärin.
       
       Die Polizei teilte mit, dass Jaradat an einem Herzschlag gestorben sei.
       Dagegen glaubt sein Vater, Abu Mohammed Jaradat, dass sein Sohn zu Tode
       geprügelt wurde. Sein Körper habe Anzeichen von Gewalteinwirkung „von Kopf
       bis Fuß“ aufgewiesen. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung am Montag sei Arafat
       Jaradat, der zu den Fatah-nahen Al-Aqsa-Brigaden gehören und Steine auf
       Soldaten geworfen haben soll, völlig gesund gewesen. „Wenn er an einem
       Herzschlag starb“, meinte der Vater, „dann nur deshalb, weil er unter
       großem Stress stand“.
       
       24 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
 (DIR) Susanne Knaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Intifada
 (DIR) Palästina
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Hungerstreik
 (DIR) Jassir Arafat
 (DIR) palästinensische Autonomiebehörde
 (DIR) Westjordanland
 (DIR) Jair Lapid
 (DIR) Israel
 (DIR) Westjordanland
 (DIR) Linke Szene
 (DIR) Westjordanland
 (DIR) Holocaust
 (DIR) Palästinenser
 (DIR) Israel
 (DIR) Knesset
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ermittlungen zu Arafats Tod: Kein Polonium im Körper
       
       Spezialisten aus Russland haben kein Gift im Körper von Jassir Arafat
       gefunden. Untersuchungsergebnisse aus der Schweiz und Frankreich stehen
       aber noch aus.
       
 (DIR) Rücktritt PNA-Präsident: Das Zerwürfnis mit Abbas
       
       Der Ministerpräsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Salam Fajad,
       tritt zurück. Es gab Streit um die Reichweite seiner Kompetenzen.
       
 (DIR) Westjordanland vor neuen Unruhen: Die Gräber sind schon angelegt
       
       Viele Palästinenser rechnen mit einer dritten Intifada. Auf dem
       „Märtyrerfriedhof“ von Deheische wurden bereits 14 Ruhestätten ausgehoben.
       
 (DIR) Regierung in Israel: Die neue Koalition steht
       
       Zum ersten Mal seit Jahrzehnten müssen die Ultraorthodoxen in Israel in die
       Opposition. Jair Lapid von der Zukunftspartei wird Erziehungsminister.
       
 (DIR) EU erhöht Druck auf Israel: Nicht mehr „Made in Israel“
       
       Stagnation prägt Gaza und das Westjordanland: EU-Diplomaten schlagen eine
       Kennzeichnung von Waren und Boykottmaßnahmen vor.
       
 (DIR) Kommentar Krawalle in der Westbank: Zurück auf der Weltkarte
       
       Nach dem Tod eines palästinensischen Häftlings droht eine dritte Intifada.
       Die jetzigen Unruhen nutzen der Abbas-Regierung aber nur, solange sie nicht
       eskalieren.
       
 (DIR) Kolumne Leuchten der Menschheit: Das antisemitische Erbe
       
       Links und antisemitisch? Wolfgang Kraushaars Studie „Wann endlich beginnt
       bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel“ kommt zu diesem Schluss.
       
 (DIR) Armut im Westjordanland: Kinder werden zu Müllsammlern
       
       Der Autonomiebehörde fehlen zugesagte Gelder. Vom Einkommen ihrer
       Mitarbeiter sind eine Million Menschen abhängig. Schon jetzt leben viele
       Palästinenser in Armut.
       
 (DIR) Arabische Wahrnehmung Holocaust: Zorn und Mitleid
       
       Omar Kamil untersucht die Erinnerung an den Holocaust in der arabischen
       Welt. Blockiert dort die Kolonialerfahrung eine angemessene Wahrnehmung?
       
 (DIR) Häftlingsprotest in Israel: Palästinenser im Hungerstreik
       
       Fünf palästinensische Gefangene kämpfen für bessere Haftbedingungen. Drei
       von ihnen sind in einem lebensbedrohlichen Zustand.
       
 (DIR) Israel und Palästina: Stopp der Siedlungsaktivitäten
       
       Komission des UN-Menschenrechtsrats fordert sofortiges Ende der
       Besatzungspolitik. Die Regierung in Jerusalem verweigert Kooperation.
       
 (DIR) Debatte Wahlen in Israel: Heraus aus der Opferrolle
       
       Die palästinensischen Israelis könnten am Dienstag die Regierung Netanjahu
       beenden. Stattdessen boykottieren viele die Wahlen zur Knesset.