# taz.de -- Homosexuelle Adoptiveltern: „Genauso gute Eltern“
       
       > Klare Tendenz: Das Adoptionsrecht für Schwule und Lesben muss ausgeweitet
       > werden. Kinder könnten Sicherheit, Unterhalts- und Erbansprüche gewinnen.
       
 (IMG) Bild: Schön wär's, das gleiche Recht bei Adoptionen. Bald vielleicht Realität.
       
       KARLSRUHE taz | Selten gab es am Bundesverfassungsgericht so viel Einigkeit
       zwischen Klägern, fast allen Sachverständigen und auch den Richtern. Das
       Urteil wurde bei der Verhandlung am Dienstag zwar noch nicht verkündet,
       aber die Tendenz war mit Händen zu greifen: Das Adoptionsrecht von
       eingetragenen homosexuellen Partnerschaften muss ausgeweitet werden.
       
       Derzeit können Schwule und Lesben nur in zwei Konstellationen Kinder
       adoptieren: Als Einzelpersonen können sie schon immer ein fremdes Kind
       annehmen. Seit 2005 gibt es zusätzlich die sogenannte Stiefkindadoption.
       Hier bringt einer der Partner ein leibliches Kind in die Beziehung ein und
       der andere Partner adoptiert es dann.
       
       Verboten sind derzeit aber zwei andere Konstellationen: Homosexuelle
       Partner können nicht gemeinsam ein fremdes Kind adoptieren. Auch die
       sogenannte Zweitadoption ist nicht möglich, bei der erst ein Partner als
       Einzelperson das fremde Kind annimmt und anschließend der andere Partner
       zusätzlich adoptiert.
       
       Um diese Zweitadoption, auch Sukzessivadoption genannt, ging es jetzt in
       zwei Fällen in Karlsruhe. Der erste Fall spielt in Münster. Eine lesbische
       58-jährige Innenarchitektin hatte vor rund neun Jahren in Bulgarien ein
       Mädchen adoptiert, das inzwischen 13 Jahre alt ist. Die Architektin lebt
       schon seit zwanzig Jahren mit ihrer Freundin zusammen, einer heute
       53-jährigen Ärztin. Diese würde das Mädchen gerne auch adoptieren, darf
       aber nicht.
       
       Das Oberlandesgericht Hamm verteidigte die geltende Rechtslage: Der Schutz
       des Kindes sei „am ehesten in einer aus Vater, Mutter und Kind bestehenden
       Familie gewährleistet“. Die Ärztin erhob Verfassungsbeschwerde gegen das
       Urteil und die Gesetzeslage.
       
       ## Kein Grund zur Diskriminierung
       
       Ähnlich ist der zweite Fall aus Hamburg. Hier geht es jedoch um ein
       schwules Paar. Ein Partner hat vor 12 Jahren ein neugeborenes Kind aus
       Rumänien adoptiert. Sein Partner würde gerne auch Vater sein, darf aber
       nicht. In Hamburg zweifelt auch das dortige Oberlandesgericht an der
       Gesetzeslage und legte diese dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
       Die Diskriminierung sei nicht gerechtfertigt.
       
       Faktische Unterstützung gab es in Karlsruhe von Birgit Grundmann,
       Staatssekretärin im Justizministerium. „Gleichgeschlechtliche Partner sind
       genauso gute Eltern“, sagte sie unter Berufung auf eine Studie ihres
       Ministeriums. Die Entwicklung von Kindern sei in solchen Familien genauso
       gut. In der Regel erlebten die Kinder keine Stigmatisierung, und wenn doch,
       könnten die Eltern sie gut auffangen.
       
       Michael Coester vom Familiengerichtstag wies darauf hin, dass die Kinder in
       beiden Fällen schon seit Jahren in den Familien mit zwei Müttern oder zwei
       Vätern lebten. Sie könnten durch eine zusätzliche Adoption des anderen
       Elternteils nur gewinnen: Sicherheit, Unterhalts- und Erbansprüche.
       
       Auch gegen eine eventuelle Hänselei in der Schule helfe es nicht, wenn das
       zweite Elternteil kein Adoptionsrecht habe. „Gesellschaftliche
       Diskriminierung darf nicht auch noch Anlass für rechtliche Diskriminierung
       sein“, warnte Marion von zur Gathen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
       Die psychologischen Sachverständigen Sonja Schwarz und Anja Kannegießer
       wiesen darauf hin, dass es für die Erziehung von Kindern nicht gut sei,
       wenn die sozialen Eltern nicht gleichberechtigt sind.
       
       „Du hast mir gar nichts zu sagen“, könne ein pubertierendes Kind dann dem
       Elternteil entgegenhalten, das rechtlich nur die Partnerin der Mutter ist.
       Auch im Fall einer Trennung der Homopartnerschaft könne es Probleme geben,
       betonte Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und
       Familienrecht. „Nur wenn beide Partner das Sorgerecht haben, kann das
       Familiengericht anhand des Kindeswohls prüfen, bei wem das Kind künftig
       leben soll.“
       
       ## Angst vor einer konservativen Kampagne
       
       Nach derzeitiger Rechtslage komme das Kind automatisch zu dem Elternteil,
       der es adoptiert hat. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck berichtete aus der
       Praxis der Gesetzgebung. Es habe keine sachlichen, sondern nur politische
       Gründe gehabt, dass 2004 nur die Stiefkindadoption beschlossen wurde, nicht
       aber auch die Zweitadoption: „Unser Koalitionspartner, die SPD, hatte Angst
       vor einer konservativen Kampagne, wenn Homosexuellen ein zu großzügiges
       Adoptionsrecht gewährt wird.“ Nun müsse leider wieder das
       Bundesverfassungsgericht bei der Gleichstellung nachhelfen.
       
       Die Richter, auch der konservative Senatsvorsitzende Ferdinand Kirchhoff,
       zeigten sich dazu gerne bereit. Als einer von zehn Sachverständigen, Klaus
       Zeh vom Deutschen Familienverband, die geltende Rechtslage verteidigte,
       versuchten gleich mehrere Richter, ihn von deren Mängeln zu überzeugen.
       
       Das Urteil wird vermutlich nur das Verbot der Zweitadoption beanstanden.
       Das Verbot der gemeinsamen homosexuellen Adoption wird dann aber auch nicht
       mehr lange zu halten sein.
       
       18 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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