# taz.de -- Neues Gesetz für Geburtshilfe: Hebammen weiter unter Druck
       
       > Die neue Beschränkung der Haftpflicht für Fehler in der Geburtshilfe soll
       > die Hebammen entlasten. Ob sie greifen wird, ist fraglich.
       
 (IMG) Bild: Viele Hebammen können sich eine Haftpflichtversicherung nicht mehr leisten.
       
       BERLIN taz | Es war ein Tatbestand, den die Haftpflichtversicherungen und
       die Hebammen unbedingt ändern wollten: Wenn durch einen Fehler in der
       Geburtshilfe eine lebenslange Behinderung entsteht, muss die Haftpflicht
       der Hebamme zahlen, und zwar nicht nur an die Eltern, sondern auch an die
       Kranken- und Pflegekasse, die das behinderte Kind lebenslang finanziert.
       
       Das am Donnerstag beschlossene Versorgungsstärkungsgesetz will diesen
       Ersatzanspruch der Krankenkassen beschränken. Aber der Passus dürfte eine
       Flut von Gerichtsverhandlungen nach sich ziehen, rügt Maren Borgerding,
       Sprecherin des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) im Gespräch mit der taz.
       
       Im neuen Gesetz steht, dass ein Ersatzanspruch der Krankenkassen aufgrund
       von Behandlungsfehlern in der Geburtshilfe immer noch dann geltend gemacht
       werden könne, wenn die Hebamme den Schaden vorsätzlich oder „grob
       fahrlässig“ herbeigeführt habe. Bisher spielte der Grad der Fahrlässigkeit
       keine Rolle - die Haftpflichtversicherung musste auch bei „leichter
       Fahrlässigkeit“ zahlen. Der neue Passus werde nun dafür sorgen, dass es
       künftig „eine Flut von Gerichtsverfahren gibt, um zu klären, ob es sich um
       grobe Fahrlässigkeit gehandelt hat“, sagt Borgerding.
       
       Es geht um viel Geld: Bei festgestellten Fehlern in der Geburtshilfe lassen
       sich die Krankenkassen gegenwärtig alle durch eine Behinderung anfallenden
       Betreuungs- und Pflegekosten von der Haftpflichtversicherung erstatten.
       Inklusive des Schadensersatzes an die Eltern und des Ausgleichs für den
       Betreuungsaufwand kann für eine lebenslange Behinderung eine Schadenssumme
       von drei Millionen Euro zusammenkommen. Das hat die
       Versicherungsmaklerfirma Securon errechnet. Das ist der Grund, warum die
       Prämien für die Berufshaftpflicht der freiberuflichen Hebammen gestiegen
       sind und ab Juli bei 6200 Euro jährlich liegen. Für viele
       Geburtshelferinnen ist das zuviel.
       
       ## Immer weniger freiberufliche Hebammen
       
       Für den nun gesetzlich festgelegten Regressverzicht der Sozialkassen bei
       nur „leichter“ Fahrlässigkeit schätzt die Versicherungswirtschaft die
       Ersparnis lediglich auf fünf Prozent der Schadenssummen. „Das wird ein
       langer Prozess, auch mit den vielen Gerichtsverfahren zum Thema der
       Fahrlässigkeit, bis sich das in den Haftpflichtprämien bemerkbar machen
       könnte“, sagt Bernd Hendges von der Securon. Der teilweise Regressverzicht
       sei aber ein „Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Rainer Breeck von
       der Versicherungsmaklerfirma AON.
       
       Auch aufgrund der hohen Haftpflichtprämien ist die Geburtshilfe der
       freiberuflichen Hebammen auf dem Rückzug. Ein Konsortium versichert in
       einem bis Juli 2016 befristeten Vertrag die rund 2500 freiberuflichen
       Hebammen in der Geburtshilfe, die im Deutschen Hebammenverband (DHV)
       organisiert sind. Die Geburtshelferinnen im kleineren Berufsverband
       freiberuflicher Hebammen (BfHD) hingegen haben ab Juli diesen Jahres gar
       keine Berufshaftpflichtversicherung mehr.
       
       Es habe sich kein Versicherungskonsortium gefunden, bedauert Tabea Dietrich
       vom BfHD. Die dort nur noch 200 organisierten Hebammen in der Geburtshilfe
       brauchen eine Doppelmitgliedschaft im DHV, um dessen Haftpflicht zu
       bekommen, oder sie müssen die Geburtshilfe aufgeben. Die meisten Frauen im
       BfHD machen daher nur noch Betreuung und keine Geburtshilfe mehr.
       
       ## Finanzieller Ausgleich
       
       Hebammen in der Hausgeburt haben auch noch aus einem anderen Grund derzeit
       Probleme: Sie müssen mit dem GKV-Spitzenverband der Krankenkassen
       Qualitätskriterien vereinbaren, um in den Genuss des sogenannten
       Sicherstellungszuschlages zu kommen, der einen finanziellen Ausgleich
       bietet bei nur wenigen Hausgeburten im Jahr. Die Verhandlungen der
       Berufsverbände mit den Krankenkassen sind aber derzeit unterbrochen.
       
       Die GKV will festlegen, dass Schwangere, die eine Hausgeburt wollen, bei
       einer Terminüberschreitung spätestens am dritten Tag der Überschreitung bei
       einem Hausarzt einen Ultraschall machen lassen müssen, berichtet
       GKV-Sprecher Florian Lanz. Der Frauenarzt gibt dann eine Empfehlung ab, ob
       eine Hausgeburt noch anzuraten ist. Diese Verpflichtung zum Facharztbesuch
       bei einer Terminüberschreitung von nur wenigen Tagen, die ja sehr häufig
       ist, lehnen die Hebammenverbände ab.
       
       12 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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