# taz.de -- Iran sagt Buchmessen-Teilnahme ab: Mullahs verordnen Kulturboykott
       
       > Iranische Verleger werden der Frankfurter Buchmesse fernbleiben. Der
       > britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie tritt als Gastredner auf.
       
 (IMG) Bild: Winke-winke, Iran: Salman Rushdie im Oktober 2015.
       
       BERLIN taz | Die literarische Großmacht Iran holt zum Schlag aus. Nachdem
       die Frankfurter Buchmesse ankündigte, ihre Auftaktpressekonferenz kommenden
       Dienstag mit Salman Rushdie als Gastredner zu bestreiten, mussten die
       iranischen Verleger ihre geplante Beteiligung an der weltweit größten
       Buchmesse absagen.
       
       Konkreter Grund der jetzigen Absage der Islamischen Republik Iran an die
       Frankfurter Buchmesse ist allein die Anwesenheit Salman Rushdies.
       
       Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie sei wegen seiner den
       „Islam beleidigenden Bücher“ in der islamischen Welt verhasst, teilte das
       Kultusministerium in einer von iranischen Medien am Donnerstag
       veröffentlichten Presseerklärung mit. Auch sein neuer Roman „Zwei Jahre,
       acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ richte sich gegen islamische Werte
       und Überzeugungen, so das iranische Kultusministerium.
       
       Offenbar sieht man sich in Teheran auch kulturell keineswegs nur als
       Regionalmacht, sondern hegt global hegemoniale Ansprüche. Schließlich ist
       man zur Zeit in Syrien mit eigenen Bodentruppen zur Unterstützung Assads
       unterwegs und hat dem Westen gerade ein Atomabkommen abgerungen, das den
       Mullahstaat in einigen Jahren in den Stand einer Atommacht versetzen
       dürfte.
       
       Rushdie ist als „Keynote-Speaker“ bei der [1][Auftakt-Pressekonferenz der
       Buchmesse am 13. Oktober] angekündigt. Der indisch-britische Autor und
       Booker-Preisträger war 1989 mit einer „Fatwa“ belegt worden. Militante
       Islamisten hatten seinen Roman „Die satanischen Verse“ als gotteslästerlich
       gegeiselt und zur Ermordung des 1947 in Bombay geborenen Autors aufgerufen.
       
       ## Sieg des magischen Realismus
       
       Irans Revolutionsführer und oberster schiitischer Geistlicher Ayatollah
       Khomeini hat die weltweit gültige Fatwa 1989 ausgesprochen, die
       halbstaatliche iranische Stiftung Chordat zunächst ein Kopfgeld von einer
       Million US-Dollar auf die Ermordung Rushdies ausgesetzt.
       
       In der Phase der reformorientierten Regierung unter dem Theologen Mohammed
       Chatami wurde die Fatwa rhetorisch abgemildert. Chatami sagte, laut Islam
       stehe auf Gotteslästerung zwar die Todesstrafe, aber Iran werde sie nicht
       ausführen. Doch halten die geistlichen Führer des Irans unter
       Khomeini-Nachfolger Ali Chamenei bis heute an der Fatwa fest. Chameini ist
       die oberste geistliche Autorität des Schiitenstaates, zugleich auch
       Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte.
       
       „Seine Biographie und sein literarisches Werk verleihen ihm eine gewichtige
       Stimme in der weltweiten Diskussion über Meinungsfreiheit im Publizieren“,
       hat Buchmessen-Direktor Juergen Boos die Einladung an Rushdie begründet.
       
       Meinungsfreiheit ist im Jahr des Attentats auf die Redaktion von
       „Charlie-Hebdo“ eines der Schwerpunktthemen der Buchmesse 2015. Nun hat die
       Literatur eines einzelnen den Iran samt Länderstand und sieben mehr oder
       weniger unabhängigen Ausstellern in die Flucht geschlagen. Wenn dies kein
       Sieg des magischen Realismus ist. (Mit Material von dpa)
       
       8 Oct 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.buchmesse.de/de/fbm/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Fanizadeh
       
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