# taz.de -- Menschenrechte in Marokko und Algerien: Die Schattenseiten Nordafrikas
       
       > Repression, Verfolgung von Andersdenkenden und Folter: Marokko und
       > Algerien sind keine sicheren Herkunftsländer, sagen Beobachter.
       
 (IMG) Bild: Hungerstreik in Athen: Algerische und marokkanische Flüchtlinge fordern die Öffnung der Grenzen.
       
       MADRID taz | Die Diskussion in Deutschland, Marokko und Algerien als
       sichere Herkunftsländer einzustufen, stößt in Nordafrika auf Befremden.
       Dortige Menschenrechtsorganisationen beklagen unter schwierigsten
       Bedingungen die Verletzung elementarer Menschenrechte sowie die
       Straffreiheit für beschuldigte Polizeibeamte, Militärs und Geheimdienste.
       Internationale Menschenrechtsorganisationen unterstützen sie dabei.
       
       „Was Marokko angeht, haben Diskurs und Realität nichts miteinander zu tun.
       Das Regime spricht von Respektierung der Menschenrechte und von
       Demokratie“, erklärt Khadija Ainani, Stellvertretende Vorsitzende der
       Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung (AMDH). „Marokko gibt sich als
       modernes, aufgeschlossenes Land. Europa kauft dies gerne ab. Aber die
       Wirklichkeit sieht anders aus. Es gibt weiterhin schwere Verstöße gegen die
       Menschenrechte“, so Ainani.
       
       Sie zählt auf: Aktivisten der „Bewegung 20. Februar“, die im Rahmen des
       Arabischen Frühlings entstand, werden verfolgt und inhaftiert, obwohl ihre
       Proteste gewaltfrei sind. Das gleiche gilt für politisch aktive Islamisten
       und „für Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung“.
       
       Besonders hart geht Marokko gegen Proteste in der seit 1975 besetzten und
       annektierten Westsahara vor. „Allein darüber zu reden, gilt schon als
       Hochverrat“, sagt Ainani. Menschen, die für die Unabhängigkeit dieses
       Territoriums eintreten, werden vor Militärgerichte gestellt. „Auch unsere
       Arbeit wird immer wieder schwer behindert, Kundgebungen und Veranstaltungen
       werden verboten“, berichtet die AMDH-Sprecherin.
       
       „Wer an der Oberfläche kratzt, wird auf Folter stoßen“, erklärt auch der
       internationale Generalsekretär von Amnesty International (AI), Salil
       Shetty. In einem Bericht von 2015 werden zahlreiche Fälle von schwersten
       Misshandlungen aufgeführt. „Egal ob man gegen Ungleichheit angeht oder für
       seine Überzeugung einsteht: Man läuft Gefahr, zum Opfer von Folter und
       Gewalt zu werden“, fasst Shetty zusammen.
       
       Im AI-Bericht ist unter anderem von Aufhängen an Beinen und Armen, von
       Vergewaltigung mit Gegenständen, Schlägen und von schmutzigem Wasser und
       Fäkalien, die in Mund und Nasse gegossen werden die Rede. Und wer seine
       Folterer anklagt, dem droht eine Verurteilung wegen „Verleumdung“ und
       „Falschaussage“.
       
       ## Illegale Ausreise ist strafbar
       
       Wer der Verfolgung entkommt, setzt sich einer ganz besonderen Gefahr aus.
       „Wird er wieder hierher abgeschoben, droht Haft“, weiß Ainani. „Denn das
       illegale Auswandern steht unter Strafe.“ Dieses Gesetz wurde auf Druck der
       Europäischen Union zur Bekämpfung der Migrationsströme verabschiedet. „Wenn
       all das ein sicheres Herkunftsland ausmacht, dann weiß ich auch nicht“,
       urteilt die AMDH-Sprecherin.
       
       Im benachbarten Algerien sieht es nicht besser aus. Proteste werden nach
       wie vor nach Gutdünken verboten, Initiativen und Parteien so gut wie keine
       zugelassen. Der allmächtige militärische Geheimdienst DRS hat zwar die
       Polizeibefugnisse entzogen bekommen, verfolgt aber weiterhin Menschen, die
       des radikalen Islamismus verdächtigt werden.
       
       Dabei geht er nicht zimperlich vor. In mehreren Kasernen werden – so AI –
       geheime Gefängnisse, die nicht dem Justizministerium unterstehen,
       unterhalten. Schwerste Folterungen, vergleichbar denen in Marokko, sollen
       dort weiterhin an der Tagesordnung sein. Algerien verhängt immer noch die
       Todesstrafe, auch wenn die Exekutionen 1993 ausgesetzt wurden. 2012 waren
       es 153 Todesurteile, 2013 war es 40.
       
       ## Spurlos verschwunden
       
       Internationale Menschenrechtsorganisationen wie AI und Human Rights Watch
       (HRW) beschweren sich immer wieder über die völlige Straffreiheit für die
       Verbrechen in den Jahren des blutigen bewaffneten Konflikts zwischen
       Algeriens Regierung und Islamisten in den 1990er Jahren. Je nach Schätzung
       verschwanden in den Händen von Armee, DRS, Polizei und Gendarmerie zwischen
       5.000 und 10.000 Menschen spurlos. Bis heute wurde dies nicht
       strafrechtlich aufgearbeitet.
       
       Auch um Pressefreiheit und Bürgerrechte steht es schlecht. Ehebruch und
       Homosexualität stehen unter Strafe. Kritische Journalisten werden immer
       wieder vor Gericht gestellt.
       
       Das Gleiche gilt für Verteidiger der Menschenrechte in Algerien. So wurde
       2012 der LADDH-Aktivist Abdelkader Kherba wegen „direkter Anstiftung zu
       einer Zusammenkunft“ und wegen des Filmens von Protesten der
       Justizangestellten zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Im
       März 2013 wurden 96 Gewerkschafter und Mitglieder der Zivilgesellschaft
       daran gehindert, nach Tunesien zum Weltsozialforum zu reisen.
       
       19 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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