# taz.de -- Kommentar Volksabstimmung in Ungarn: Kurze Suggestivfrage
       
       > Wegen der Aufnahme von nur 1.300 Flüchtlingen will Orbán ein Referendum
       > durchführen. Das ist lächerlich und gefährlich.
       
 (IMG) Bild: Will das Magyarentum retten: Viktor Orbán.
       
       Europa droht an der Uneinigkeit über die Flüchtlingspolitik zu zerbrechen.
       Und was macht Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán? Er setzt eine
       Volksbefragung an, die seine Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen
       rechtfertigen soll.
       
       160.000 Flüchtlinge will die EU in den nächsten zwei Jahren auf die
       Mitgliedsstaaten verteilen. 1300 von ihnen würden auf Ungarn entfallen. Das
       ist 0,13 Promille der ungarischen Bevölkerung und entspricht etwa der
       Anzahl von Asylwerbern, die Österreich in diesem Jahr innerhalb von zwei
       Monaten aufnehmen will. Der streitbare Premier sieht dadurch „das
       ethnische, kulturelle und konfessionelle Antlitz Ungarns“ gefährdet.
       
       Orbán weiß genau, wie lächerlich diese Befürchtung ist. Aber er weiß auch,
       dass Pathos und nationalistische Töne in Ungarn gut ankommen. Seit an den
       Grenzen zu Serbien und Kroatien ein dornenstrotzender Zaun errichtet wurde,
       ist seine Popularität gestiegen.
       
       Innenpolitische Gefahr droht ihm nicht von der zerstrittenen Linken,
       sondern einzig von der faschistischen Jobbik, die noch scheußlichere
       Maßnahmen gegen alles Fremde propagiert. Landauf, landab dürfen
       Bürgermeister Denkmäler für faschistische oder antisemitische Gestalten der
       jüngeren Vergangenheit enthüllen. Der Opfermythos, der mit der Zerschlagung
       Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg geboren wurde, wird nach Kräften
       gepflegt.
       
       ## Schutzsuchende sind bei Orbán „Wirtschaftsmigranten“
       
       Viktor Orbán versteht sich als Vorreiter einer Festungsmentalität, die sich
       nach und nach in fast ganz Europa breit gemacht hat. Mit der
       Visegrád-Gruppe, der neben Ungarn Polen, Tschechien und die Slowakei
       angehören, hat er einen Fanklub, der die EU nur dann gut findet, wenn man
       dort Subventionen abholen kann.
       
       Gemeinschaftliche Politik, vor allem wenn sie gegen enge nationalistische
       Interessen verstößt, wird als Zumutung zurückgewiesen. Solidarität ist ein
       Fremdwort. Schon vor fast einem Jahr hat Ungarn die Schutzsuchenden, die
       damals die Westbalkanroute entdeckten, pauschal als „Wirtschaftsmigranten“
       diffamiert. Allen, die es nach Ungarn schafften, wurde unmissverständlich
       signalisiert: Wir wollen euch hier nicht.
       
       Für das Referendum, das frühestens im Sommer, wahrscheinlich aber erst im
       Herbst stattfinden kann, gibt es weder eine juristische noch eine
       demoskopische Notwendigkeit. Mit seiner suggestiven Fragestellung dient das
       Plebiszit einzig der Mobilisierung zugunsten der Regierungspartei Fidesz.
       
       25 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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