# taz.de -- Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten: Freie Hand für die Cops
       
       > Die Öffentlichkeit in den USA bleibt bei ungeklärten Todesfällen wachsam.
       > Trumps Justizminister scheint etwas dagegen zu haben.
       
 (IMG) Bild: Gedenken an die Opfer von Polizeigewalt in Baton Rouge
       
       NEW YORK taz | Jordan Edwards war 15 und auf dem Heimweg von einer Party,
       als ein Polizist ihn am Samstag in Balch Springs, einem Vorort von Dallas,
       Texas, mit einem Kopfschuss tötete. Der Gymnasiast war mit zwei Brüdern und
       einem Freund im Auto unterwegs. Die Jugendlichen hatten – das ist bei einem
       solchen Ereignis in den USA ein wichtiges Detail – keine Waffen, sie waren
       nicht betrunken, sie fuhren nicht zu schnell und sie zeigten keine
       Aggressivität gegenüber der Polizei. „Jordans Geschwister haben ihren
       besten Freund verloren“, erklärten die trauernden Eltern Charmaine und
       Odell Edwards. Sie baten auch darum, keine Demonstrationen in ihrem Namen
       abzuhalten.
       
       Nach [1][Statistiken der Bürgerrechtsgruppe „Killed by Police“], die in
       Ermangelung offizieller Zahlen die Polizeigewalt erfasst, war Jordan
       Edwards das 385. Polizeiopfer dieses Jahres in den USA. Er war zugleich
       eines der jüngsten. Was seinen Fall anders macht, ist, dass die Polizei
       ihre zunächst beschönigende Darstellung seiner Todesumstände rasch
       korrigierte.
       
       Zunächst hatte Polizeichef Jonathan Haber in Balch Springs behauptet, das
       Auto mit den Jugendlichen sei rückwärts auf seinen Offizier zugefahren. Am
       Dienstag korrigierte der Polizeichef dann öffentlich seine „unfreiwillig
       falsche“ Darstellung. Er teilte mit, dass der Offizier entlassen sei, und
       begründete das damit, dass die Videoaufzeichnungen der Polizei zeigen, dass
       der Wagen der Jugendlichen sich wegbewegt habe und dass die Schüsse „im
       Widerspruch zu unseren zentralen Werten standen“.
       
       Offizier Roy Oliver hatte am Samstagabend auf einen Notruf reagiert, in dem
       von „minderjährigem Betrunkenen“ die Rede war. Als der weiße Offizier in
       das Haus in der Vorstadt ging, wo die Jugendlichen feierten, hörten Jordan
       Edwards und seine Brüder Geräusche, die sie für Schüsse hielten. Daraufhin
       brachen die Jungen auf. Aus unbekanntem Grund schoss der weiße Offizier von
       außen auf das Auto, in dem die vier afroamerikanischen Jugendlichen saßen.
       Er traf Jordan Edwards in den Kopf.
       
       ## Hinweise auf Bürgerrechte gelöscht
       
       Das ungewöhnliche Eingeständnis der Polizei in Texas mag mit den Versuchen
       der letzten Jahre zusammenhängen, die Polizeigewalt einzudämmen. Immer mehr
       Polizeibezirke haben „Körper-Kameras“ für Polizisten eingeführt. Auch der
       Täter in Balch Springs trug eine solche Kamera. Nach Protesten von
       Bürgerrechtsgruppen in Ferguson, in New York, Baltimore und anderswo hatte
       die Obama-Regierung auch mehrfach eigene Untersuchungen örtlicher
       Polizeibehörden angeordnet, das Justizministerium hatte Anklagen erhoben,
       und der Präsident selbst hatte sich mit Appellen gegen die Gewalt der
       Polizei, der unverhältnismäßig viele schwarze Männer zum Opfer fallen, zu
       Wort gemeldet.
       
       Das Engagement änderte wenig an den Zahlen. [2][Nach Statistiken] der
       Washington Post starben 2015 mindestens 991 Menschen in den USA durch
       Polizeigewalt, 2016 waren es immer noch 957 Opfer. 30 Prozent der Opfer
       sind schwarz – während der Anteil von AfroamerikanerInnen an der
       Gesamtbevölkerung nur 13 Prozent beträgt. Doch immerhin sah es so aus, als
       könnten die Obama-Reformen langfristig für Veränderungen sorgen.
       
       Mit Donald Trump ist diese Hoffnung vorbei. Er hat der Polizei
       Rückendeckung versprochen und umgekehrt die Unterstützung ihrer
       Gewerkschaften erhalten. Bei seinen Meetings hat er Bürgerrechtsgruppen wie
       Black Lives Matter für die Gewalt verantwortlich gemacht, und direkt nach
       seinem Amtsantritt ließ er die Hinweise auf Bürgerrechte von der Webseite
       des Weißen Hauses löschen und durch eine Eloge auf die Polizei ersetzen.
       Sein Justizminister Jeff Sessions hat mitgeteilt, dass sich sein
       Ministerium nicht mehr an Ermittlungen über Polizeigewalt beteiligen werde.
       
       Am selben Tag, an dem der Polizeichef in Texas seine Kehrtwende machte,
       zeigte sich, dass die neue Regierung in Washington es ernst meint. Das
       Justizministerium entschied am Dienstag, dass es keine Anklage wegen der
       tödlichen Polizeischüsse auf Alton Sterling erhebt. Der schwarze
       CD-Verkäufer war im Sommer 2015 in Baton Rouge, wo zwei weiße Polizisten
       ihn zu Boden gerungen hatten, erschossen worden. Passanten haben diese
       Polizeigewalt gefilmt.
       
       4 May 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://killedbypolice.net/
 (DIR) [2] https://www.washingtonpost.com/graphics/national/police-shootings-2017/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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