# taz.de -- Türkei-Jubelanzeigen bei der „Welt“: Ein Umstand mit Geschmäckle
       
       > Verlage profitieren finanziell von der Imagepolitur der Türkei. Bei der
       > „Welt“ schmerzt das besonders. Ihr Korrespondent sitzt in der Türkei in
       > Haft.
       
 (IMG) Bild: Am Springer-Hochhaus wird weiter für die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel geworben
       
       Am Wochenende veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine ganzseitige
       Anzeige, die in geradezu zynischem Jubel die Niederschlagung des Putsches
       in der Türkei und die Wiederherstellung der „demokratischen Tradition“
       feierte. Herausgegeben wurde die für den Süddeutschen Verlag lukrative
       Werbung von der „Union der Kammern und Börsen der Türkei“. [1][Die Empörung
       ist groß.] Redaktionen wie die des Spiegels, der Bild und der Zeit betonen,
       ihnen habe die Anzeige auch vorgelegen, sie hätten die Veröffentlichung
       abgelehnt.
       
       Trotz dieser genüsslich formulierten Abgrenzung: Auch andere Verlage
       profitieren von der türkischen Imagepolitur und sind sich nicht zu fein
       dafür, dem Despotenland, das diese Woche sechs Menschenrechtsaktivisten,
       darunter die türkische Direktorin von Amnesty International, verhaften
       ließ, seine Leser gegen Geld zur Verfügung zu stellen. So lag vor etwa drei
       Wochen – pünktlich zu G20 – der FAZ und der Zeit die zwölfseitige
       Anzeigenbeilage „Turkey – Discover the potential“ bei. Zwölf Seiten, die
       die schönen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei loben,
       die enge Verbindung, die wirtschaftliche und kulturelle Freundschaft. Die
       die Türkei als Reiseland preisen. Eindeutig darauf ausgerichtet, das Image
       der Türkei zu reparieren.
       
       Initiatorin ist die von der Regierung unterstützte Dachorganisation
       Türkischer Exporteure (TIM). Verantwortlich für die Beilage, die auch in
       diversen anderen Ländern erschien, ist wiederum die türkische Firma Global
       Connection, die ihren Hauptsitz in Lausanne ausweist – wo allerdings nur
       die Buchhaltung sitzt.
       
       Global Connection ist wohl ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das seit
       Jahren die Türkei in ihren bunteren Farben darstellt und die Kunde vom
       fröhlichen, offenen Land zwischen den Kontinenten von seinen „Partnern“
       (darunter NZZ, Le Monde, Gazprom-Media, Al-Jazeera aber auch Politico und
       Burda International) verbreiten lässt. Auch der Axel Springer Verlag wird
       als „Partner“ geführt, mit Verweis auf die langjährige Zusammenarbeit mit
       der Welt. Der Deutschland-Kontakt von Global Connection ist die Berliner
       Adresse des Verlags.
       
       Auch die Telefonnummer führt zu Springer. Man erreicht einen nach eigener
       Aussage freien Mitarbeiter. Der bestätigt die Finanzierung der Beilage
       durch türkische Ministerien und dass die Welt jahrelang für Druck und
       Vertrieb zuständig gewesen sei.
       
       ## Aus Dreck der Despoten Geld machen
       
       Für diejenigen, die sich in der Türkei auskennen, die die schon seit Jahren
       stattfindende Unterdrückung und Kriminalisierung der Opposition und der
       Kurden beobachten, den Rückbau des Staates in ein Herrschermodell aus
       Tausendundeiner Nacht, für sie müssen die Texte, die die Türkei als ein
       Land schildern, in dem Milch und Honig fließen, wie Hohn klingen. Und auch
       Leserinnen und Leser von Zeit und FAZ muss die Beilage wie eine Veräppelung
       erscheinen. Ebenso wie denen des Tagesspiegels, die eine Woche vor dem G20
       eine achtseitige Beilage in den Händen hielten, die den Glanz der
       deutsch-chinesischen Beziehungen lobpreiste.
       
       Die Absicht der ehrwürdigen Verlage, mit dem Dreck der Despoten Geld zu
       machen und ihren Lesern Märchen aus dem Morgenland zuzumuten, dürfte bei
       vielen nicht gut ankommen. Bei der Zeit war zudem der Zeitpunkt ein
       überraschender. Die Werbung lag eine Woche vor dem Interview mit Präsident
       Erdoğan bei. Ein Umstand mit Geschmäckle.
       
       Für die Welt stellt sich die Situation noch ganz anders dar. Im März hatte
       man eine Türkei-Reisebeilage mit dem großen Logo von Global Connection im
       Blatt. Seit Februar ist der Welt-Korrespondent Deniz Yücel in der Türkei in
       Haft. Das Blatt und besonders der Chefredakteur bemühen sich glaubhaft um
       Solidarität und Unterstützung für Deniz Yücel, [2][haben sogar in der
       Türkei Verfassungsbeschwerde eingelegt]. Gleichzeitig verdienen sie daran,
       Märchen von der schönen Türkei zu verbreiten?
       
       ## Wer weiß Bescheid?
       
       Der freie Mitarbeiter sagt, die Zusammenarbeit sei beendet worden. Von der
       Zusammenarbeit will die Welt-Redaktion nichts gewusst haben. Solche
       Kooperationen gehen wie bei den meisten Verlagen über eine ausgelagerte
       Vermarktungseinheit, im Falle Springer Media Impact. Fakt ist: Die Beilage
       wurde in der Druckerei von Axel Springer im Auftrag der Zeit gedruckt.
       
       Die Bigotterie, dass Verlage, die sich für Demokratie und Pressefreiheit
       einsetzen, die noch dazu für die Freilassung ihrer Mitarbeiter kämpfen, an
       den Imagebeilagen der undemokratischen Staaten verdienen, bleibt. Dazu
       erbat die taz am Dienstag wie am Mittwochmorgen eine Stellungnahme von
       Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt. „Ein Gespräch lässt sich heute leider
       nicht einrichten“, heißt es per Mail.
       
       Einrichten lässt sich für Herrn Poschardt am Mittwochvormittag hingegen das
       Twittern im Dauertakt. [3][Für Tweets wie] „die wundebare [4][@MV_AM]
       antwortet auf meinen scharfen G20-kommentar – scharf!“ hat er Zeit.
       
       19 Jul 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pro-Erdoan-Anzeige-in-der-SZ/!5427053
 (DIR) [2] http://2140445%20V7
 (DIR) [3] https://twitter.com/ulfposh/status/887598185669165056
 (DIR) [4] https://twitter.com/MV_AM
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silke Burmester
       
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