# taz.de -- Filmfestspiele in Venedig – Lidokino Teil 3: Viel zu liebes Thesenkino
       
       > Migration angemessen zu thematisieren, scheint nicht so einfach zu sein,
       > vor allem im Film. Selbst Ai Weiwei ist das nicht gelungen.
       
 (IMG) Bild: Beeindruckt in „The Shape of Water“ als stumme Putzfrau: die Schauspielerin Sally Hawkins
       
       Bewegung überall: Migration ist eines der – naheliegenden – Themen der 74.
       Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig. Mit mehr oder weniger Erfolg. Ein
       ganzes Panorama an Konflikten eröffnet der libanesische Regisseur Ziad
       Doueiri im Wettbewerbsfilm „The Insult“. Eine scheinbare Lappalie wächst
       sich zur Staatskrise aus: Ein Bauarbeiter wird bei Renovierungsarbeiten in
       Beirut von einem Mieter schikaniert, verliert die Beherrschung und
       beschimpft diesen. Der will eine Entschuldigung, es kommt zum Prozess.
       
       In diese Konstellation packt Doueiri ein traumatisches Kapitel des Libanon.
       Der Bauarbeiter ist illegaler palästinensischer Flüchtling, der Mieter
       gehört der christlichen Minderheit im Land an. Beide haben Gründe, einander
       feindselig zu begegnen. Der Palästinenser, weil er im Land diskriminiert
       wird, der Christ, weil er fast Opfer palästinensischer Milizen wurde.
       Doueiri schert sich nicht groß um gestalterische Feinheiten, dank der
       beiden Hauptdarsteller Adel Karam und Kamel El Basha bleibt es dennoch
       nicht bei reinem Thesenkino.
       
       Größere filmische Probleme offenbart der im Exil lebende chinesische
       Künstler Ai Weiwei in „Human Flow“, seinem Dokumentarbeitrag im Wettbewerb.
       Ai will das Bild der Migration auf dem Planeten zeichnen, folgt
       Flüchtlingen von der griechischen Küste in den Norden des Landes,
       dokumentiert die Folgen der Schließung der Grenze durch Ungarn, ist bei der
       Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer dabei und fährt in den
       „Dschungel“ von Calais. Daneben reist er nach Syrien, Afrika oder in den
       Gazastreifen.
       
       Die Bilder sind eine wilde Mischung aus Handyvideos, wackeligen
       Freihandszenen und hochauflösenden Totalen oder Luftbildern. Neben den
       Flüchtlingsbewegungen, die er fast permanent illustriert, gibt er einzelnen
       Personen Gelegenheit, sich zu äußern. Das ist oft bewegend, ebenso oft aber
       beliebig, Ai setzt sich dabei zu sehr selbst in Szene. Trotz hehren
       Anspruchs eher eine Bruchlandung.
       
       Definitiv erfreulicher die versponnene Liebesgeschichte einer stummen
       Putzfrau (preisverdächtig: Sally Hawkins) mit einem Amphibienwesen (nach
       dem Vorbild des Ungeheuers von Guillermo del Toro in „The Shape of Water“).
       Eine Liebeserklärung an das Kino, mit Freude am Verspielten und üppig
       bebildert. Vielleicht ein wenig zu lieb.
       
       1 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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