# taz.de -- Beihilfe zum Mord in Stutthof: Zwei frühere SS-Männer angeklagt
       
       > Die beiden über 90-jährigen Männer geben zu, im KZ Stutthof gearbeitet zu
       > haben. Eine Beteiligung am Massenmord leugnen sie.
       
 (IMG) Bild: Das ehemalige Konzentrationslager im polnischen Sztutowo ist heute ein Musem
       
       BERLIN taz | Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat gegen einen 93 und einen
       92 Jahre alten Mann Anklage wegen Beihilfe zum Mord in mehreren hundert
       Fällen im [1][Konzentrationslager Stutthof] bei Danzig erhoben. Beide
       Beschuldigte haben eingeräumt, in Stutthof als Wachmänner eingesetzt worden
       zu sein. Sie bestreiten aber, sich an Tötungshandlungen beteiligt zu haben.
       Sie hätten auch behauptet, von den Morden in Stutthof erst nach dem Krieg
       erfahren zu haben. Über die Zulassung der Anklage entscheidet demnächst das
       Landgericht Münster.
       
       Die Anklageerhebungen durch die in Dortmund beheimatete Zentralstelle für
       nationalsozialistische Massenverbrechen in Nordrhein-Westfalen sind
       Ergebnis von Ermittlungen der Nazi-Verfolger in Ludwigsburg. Dort hatte
       Oberstaatsanwalt Jens Rommel von der Zentralen Stelle für Ermittlungen
       gegen NS-Verbrechen Ende letzten Jahres die komplizierten Vorermittlungen
       gegen 12 mutmaßliche NS-Täter abgeschlossen und an die zuständigen
       Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Ermittelt wird seitdem in Hamburg,
       Stuttgart, Dortmund, München, Lübeck, Celle und Itzehoe.
       
       Weitere Verfahren sind in Frankfurt am Main, Gera und Oldenburg anhängig.
       Dabei geht es um ehemalige SS-Wachmänner, die in Majdanek und Auschwitz
       eingesetzt worden waren. Zudem wird einem 94-Jährigen in Celle eine
       Beteiligung an einem Massaker im französischen Villeneuve d'Asq nahe Lille
       vorgeworfen. In Osnabrück ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen
       anderen 94-Jährigen, der am [2][Massenmord von Babi Jar] bei Kiew in der
       Ukraine beteiligt gewesen sein soll, dem im September 1941 mehrals 33.700
       Juden zum Opfer fielen.
       
       Bei den meisten Fällen geht es aber wie in Münster um Verbrechen im KZ
       Stutthof. Das seit 1939 bestehende KZ wandelte sich um 1944 durch den Bau
       von Gaskammern und Verbrennungsöfen zu einem Vernichtungslager. In Stutthof
       und seinen Außenlagern sind nach Recherchen von Historikern Zehntause
       Häftlinge inhaftiert und gequält worden, mehrere Tausend starben durch
       Vergasungen und Morde mit Schusswaffen.
       
       ## Grausame Lebensverhältnisse Merkmal der Tötungsmaschine
       
       Die Dortmunder Anklage richtet sich gegen einen heute 93-jährigen
       ehemaligen SS-Sturmmann aus dem Raum Borken, dem vorgeworfen wird, zwischen
       1942 und September 1944 das Lager sowie Außenkommandos bewacht zu haben.
       Der zweite Beschuldigte lebt heute in Wuppertal und soll 1944 und 1945 als
       SS-Sturmmann in Stutthof eingesetzt gewesen sein.
       
       Die Anklage wirft beiden vor, durch ihre Tätigkeit zu Tötungshandlungen
       beigetragen zu haben, auch wenn sie keine individuellen Morde begangen
       haben sollten. Oberstaatsanwalt Andreas Brendel von der Anklagevertretung
       sagte der taz, er gehe von einem „einheitlichen Tatgeschehen“ in Stutthof
       aus. Er kann sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
       letzten Jahr stützen, nach der eine individuelle Tat, begangen in einem KZ,
       nicht unbedingt für eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord notwendig
       ist. Die Anklage geht nicht nur auf Morde ein, zu denen es während der
       Dienstzeit der beiden SS-Männer gekommen ist, sondern erklärt auch die
       furchtbaren Lebensverhältnisse für die Häftlinge – darunter viele Juden –
       als ein Merkmal der Tötungsmaschine.
       
       Ob es in Münster zu einem Prozess kommen wird, dürfte auch davon abhängen,
       ob die beiden Angeklagten trotz ihres hohen Alters verhandlungsfähig sind.
       Dazu sagte Brendel der taz, beide hätte auf ihn während zweier
       Hausdurchsuchungen den Eindruck gemacht, rüstig genug für einen Prozess zu
       sein.
       
       15 Nov 2017
       
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