# taz.de -- Digitalpakt auf der Kippe: Länder stoppen neue Schulcomputer
       
       > Der milliardenschwere Digitalpakt droht zu scheitern, weil sechs
       > Bundesländer die Zustimmung verweigern. Doch sie geraten unter Druck.
       
 (IMG) Bild: Geht auch auf dem Fußboden: Lernen mit Tablet
       
       BERLIN taz | Robert Giese könnte es sehr gut gebrauchen, das Geld aus dem
       milliardenschweren „Digitalpakt“. Eigentlich wollen Bund und Länder die
       entsprechende Vereinbarung diesen Donnerstag unterschreiben. Giese ist
       Schulleiter der Fritz-Karsen-Schule in Berlin. Dort kommen auf 1.250
       Schüler ganze 200 Rechner. Selbst in den höheren Jahrgangsstufen gibt es
       pro Klassenzimmer nur ein oder zwei Geräte – und die seien alles andere als
       zeitgemäß, sagt Giese: „Im Wesentlichen haben wir gebrauchte Modelle, viele
       davon sind eine Spende.“
       
       Geld für neue Rechner hat die Schule nicht. 20.000 Euro ist sein
       Jahresbudget für Anschaffungen, Baumaßnahmen und Fortbildungen. „Davon
       kann ich nie im Leben Tablets für alle anschaffen“, bedauert Giese.
       
       Weil viele Schulen im Land ähnliche Sorgen haben und die Kassen der
       zuständigen Länder notorisch leer sind, will nun der Bund helfen und den
       Schulen Geld für Laptops, Tablets und WLAN zur Verfügung stellen. 5
       Milliarden Euro hat die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU)
       schon Ende 2016 für eine zeitgemäße digitale Ausstattung in den
       Klassenzimmern versprochen. Über zwei Jahre warten die 40.000 Schulen im
       Land bereits auf dieses Geld. Nun wollte Wankas Nachfolgerin Anja
       Karliczek (CDU) endlich liefern.
       
       Doch daraus wird wohl erst mal nichts: Sechs Bundesländer,
       Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und
       Sachsen-Anhalt, haben Widerstand angekündigt. Sie wollen die ausgehandelte
       Vereinbarung zum Digitalpakt nicht mittragen, weil ihnen die
       Grundgesetzänderung, auf der diese basiert, zu weit geht. Der Digitalpakt
       kann dann nicht wie geplant am 1. Januar in Kraft treten.
       
       ## „Einfallstor für Einflussmöglichkeiten“
       
       In einem Debattenbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
       (FAS) nennen fünf Ministerpräsidenten von CDU, CSU und Grünen – Armin
       Laschet, Volker Bouffier, Michael Kretschmer, Markus Söder und Winfried
       Kretschmann – die Grundgesetzänderung ein „Einfallstor für
       Einflussmöglichkeiten des Bundes in die Bildungspolitik“. Die Länder
       bekämen zwar Geld vom Bund, könnten von diesem nun aber auch gesteuert und
       kontrolliert werden. „Sie würden insofern ähnlich behandelt wie
       nachgeordnete Behörden des Bundes“, schließen die Politiker.
       
       Eigentlich waren die Pläne des Bundes lange bekannt. Union und SPD haben
       sich im [1][Koalitionsvertrag] darauf verständigt, die Länder unter anderem
       bei der Digitalisierung der Schulen zu unterstützen und dazu das
       Grundgesetz anzupassen. Vor zwei Wochen vermeldeten Karliczek und die
       Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK) einen Durchbruch: [2][Die
       Verhandlungen zum Digitalpakt seien auf der Zielgeraden].
       
       Am vergangenen Donnerstag stimmten auch die Regierungsparteien im Bundestag
       zusammen mit FDP und Grünen der erforderlichen Grundgesetzänderung mit
       Zweidrittelmehrheit zu. Am 14. Dezember wäre dann der Bundesrat an der
       Reihe und alles perfekt gewesen. Doch nun stehen der Digitalpakt und auch
       weitere Vorhaben, etwa im sozialen Wohnungsbau, auf der Kippe. Denn die
       sechs Länder repräsentieren 31 von 69 Stimmen im Bundesrat und damit mehr
       als genug, um eine Zweidrittelmehrheit zu verhindern. Und somit wird wohl
       auch die für diesen Donnerstag in der KMK angesetzte Zustimmung zum
       Digitalpakt wieder von der Tagesordnung verschwinden.
       
       Der Grund für die plötzliche Blockade liegt in einem seit Jahren
       schwelenden Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen.
       Beim Digitalpakt ist er nun wieder offen aufgebrochen. Denn das Thema
       Schule ist heikel. Es ist – bisher – reine Ländersache. Und einige Länder
       wollen nicht, dass sich der Bund nun regelmäßig bei Schulthemen einmischen
       darf. Doch die weiteren Motive der Blockierer sind durchaus divers.
       
       ## Kompromiss gesucht
       
       „Wir brauchen den Digitalpakt“, sagt die baden-württembergische
       Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) der taz. „Aber dafür brauchen wir
       keine Grundgesetzänderung“. Den Digitalpakt würde ihr Land erst
       unterzeichnen, „wenn Einigkeit und Klarheit über den gesetzlichen Weg
       besteht“.
       
       Während sich das reiche Baden-Württemberg finanzielle Direktinvestitionen
       des Bundes grundsätzlich verbittet, plagen das arme Sachsen-Anhalt jedoch
       ganz andere Sorgen. „Fakt ist, Sachsen-Anhalt hat sich grundsätzlich für
       die Abschaffung des Kooperationsverbots ausgesprochen. Wir brauchen
       gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern“, so der sachsen-anhaltische
       Kultusminister Marco Tullner (CDU) zur taz. Dies müsse jedoch in einem
       realistischen Rahmen passieren. „Wenn der Bund auf einer Kostenteilung von
       50 zu 50 besteht, wird es im Bildungsbereich kaum gemeinsame
       Kooperationen geben können.“
       
       Tullner bezieht sich auf den Grundgesetzartikel 104b. Der soll künftig
       lauten: „Die Mittel des Bundes sind in jeweils mindestens gleicher Höhe
       durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich zu ergänzen.“
       Für den Digitalpakt gilt diese Fifty-fifty-Regelung noch nicht, aber für
       alle Programme, die der Bund ab 2020 auflegt. In der FAS schreiben die
       Ministerpräsidenten zu diesem Punkt, dies führe dazu, „dass Teile des
       Landesbudgets zumindest faktisch einem bundespolitischen Willen unterworfen
       sind“.
       
       Ein Rückschluss, den man in Berlin nicht zieht. „Die Grundgesetzänderung
       ist ausdrücklich kein Eingriff in die Zuständigkeit der Länder in
       Bildungsfragen“, sagt Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der
       SPD-Fraktion im Bundestag. Das ganze Hin und Her um das Kooperationsverbot
       ärgert Kaczmarek. „Das versteht doch kein Mensch mehr, dass der Bund in die
       digitale Ausstattung der Schulen investieren will und die Länder das
       blockieren.“ Kaczmarek sieht für die geplanten Bundesausgaben aber keine
       andere Möglichkeit: „Für den Digitalpakt brauchen wir die
       Grundgesetzänderung.“
       
       Bund und Länder werden nun wohl den Vermittlungsausschuss anrufen, um nach
       einem Kompromiss zu suchen. Im Bundesbildungsministerium schaut man derweil
       zu. „Zunächst müssen sich die Ministerpräsidenten positionieren“, so ein
       Sprecher von Karliczek.
       
       Diese stehen unter Druck, auch von zu Hause. NRW-Kultusministerin Yvonne
       Gebauer (FDP) ist etwa ganz und gar nicht auf Linie mit ihrem
       widerständigen Regierungschef Laschet. „Grundsätzliche Erwägungen zur
       Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern kommen jetzt zu spät und dürfen
       den Digitalpakt nicht erneut scheitern lassen“, schreibt sie in einer
       Stellungnahme für die taz und mahnt: „Nordrhein-Westfalen wäre gut beraten,
       im Vermittlungsausschuss besonnen und zielgerichtet an einer Lösung zu
       arbeiten.“
       
       Ob und wann die ersten Gelder fließen, ist indes unklar. Schulleiter Giese
       muss weiter auf die Rechner warten.
       
       3 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1
 (DIR) [2] /Grundgesetzaenderung-fuer-Bildung/!5550517
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Pauli
 (DIR) Anna Lehmann
       
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