# taz.de -- Debatte um koloniale Museumsbestände: Die Peitsche des Hendrik Witbooi
       
       > Um die Erforschung der deutschen Kolonialzeit steht es schlecht. Zu lange
       > standen die Sammlungen im Schatten der NS-Verbrechen.
       
 (IMG) Bild: Diese unrechtmäßig entnommenen Grabbeigaben wurden von einem Berliner Museum zurückgegeben
       
       Die Debatte über die Herkunft kolonialer Objekte in ihren Sammlungen hat
       nun auch die deutschen Museen mit voller Wucht erfasst. Und das ist gut so.
       Sie beschleunigt die Rückgabe unrechtmäßig erworbener Objekte. So wird das
       Land Baden-Württemberg Ende Februar die von deutschen Kolonialtruppen
       erbeutete Familienbibel und Peitsche des Nama-Anführers Hendrik Witbooi
       (1830–1905) an den Staat Namibia zurückgeben.
       
       Bislang gehörten beide Kulturgüter zur Sammlung des Stuttgarter
       Lindenmuseums. Die Rückgabe sei, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann,
       ein „bedeutendes Signal“ im Prozess um Versöhnung und Aufarbeitung der
       deutsch-namibischen Kolonialgeschichte. Namibia war von 1884 bis 1915
       deutsche Kolonie.
       
       Unter den meisten Museumsmacher*innen und bundesdeutschen Politiker*innen
       herrscht Einigkeit, dass 100 Jahre nach Ende von Deutschem Kaiserreich und
       der Phase des Imperialismus mehr geschehen müsse. [1][Zu lange standen die
       Sammlungen aus den Kolonialkontexten] im Schatten der monströsen Verbrechen
       des Nationalsozialismus, von Schoah und Zweitem Weltkrieg. Hier war in den
       vergangenen Jahren einiges passiert. Stätten wie die Topographie des
       Terrors gehören heute zum Pflichtprogramm von Berlin-Reisenden.
       
       Doch um die Erforschung und Erinnerung an die Kolonialzeit steht es
       deutlich schlechter. Es existieren kaum übergreifende Institute. Und immer
       noch lagern in den Asservatenkammern deutscher Museen sogar Überreste
       menschlicher Gebeine. Diese hatten einst Anthropologen und Ethnologen für
       ihre Rasseforschungen benutzt. [2][Dem Nationalsozialismus gingen diese
       voraus.] Um die Jahrhundertwende wurden Menschen anderer Kontinente wie
       Tiere in großen exotistischen Schauen ausgestellt.
       
       ## Komplette Offenlegung
       
       Dennoch sollte man sich jetzt vor Schwarz-Weiß-Malerei hüten: in den
       heutigen bundesdeutschen Museen arbeiten überwiegend Menschen, die sich
       demokratischen Werten verpflichtet fühlen und die keineswegs dem früheren
       wilhelminisch-preußischen Überlegenheitskult anhängen. Michelle Müntefering
       (SPD), parlamentarische Staatssekretärin für Kultur, sowie Monika Grütters
       (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, bekannten
       sich in einer gemeinsamen Erklärung zur Verantwortung der Bundesrepublik
       was Raubkunst und Kolonialismus anbetrifft.
       
       Die Diskussion bietet die Chance, ein weiteres Kapitel zur Vorgeschichte
       der deutschen Demokratien besser zu verstehen. Und sie kann transnationale
       Kontakte vertiefen, die Zirkulation von Sammlungen und Wissen verstärken.
       Voraussetzung dafür ist allerdings die komplette Offenlegung der Bestände,
       die transparente Darstellung der Erwerbskontexte und eine
       selbstverpflichtende Anzeige bei dem Verdacht illegaler Aneignung.
       
       Um die Zusammenarbeit bundesdeutscher Museen mit ausländischen
       Institutionen zu fördern, hat das Auswärtige Amt am Montag den Aufbau einer
       „Agentur für Internationale Museumskooperation“ angekündigt. Diese ist laut
       Andreas Görgen, Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, durch den
       Bundeshaushalt 2019 zunächst mit 8 Millionen Euro ausgestattet. Sie soll
       offenbar die durch nationale Zollbestimmungen oft eingeschränkte
       Zirkulation von Museumsobjekten und Sammlungen erleichtern, ebenso den
       interkontinentalen und interdisziplinären Wissentransfer koordinieren
       helfen sowie Partnerinstitutionen im Ausland fördern.
       
       Bisher hapert es nicht nur an der Digitalisierung der deutschen
       Museumsbestände – ohne Digitalisierung keine Internationalisierung der
       Forschung –, sondern auch an der Offenheit deutscher Behörden. Deutsche
       Museen oder Institutionen wie das Goethe-Institut mögen teils bereits „auf
       Augenhöhe“ mit Wissenschaftlern oder Künstlern aus anderen Ländern
       Ausstellungen erarbeiten. Für die Bundesrepublik bekommen diese deshalb
       noch lange kein Einreisevisum.
       
       16 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Fanizadeh
       
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