# taz.de -- Kommentar 40 Jahre Mullah-Regime: Der Irrtum der iranischen Linken
       
       > 40 Jahre nach Chomeinis Machtübernahme ist der Lack des islamistischen
       > Regimes ab. Wenn die Generation von 1979 ausstirbt, brechen viele
       > Konflikte auf.
       
 (IMG) Bild: Unterdrückte Konflikte werden auch im Iran irgendwann an die Oberfläche dringen
       
       Auch 40 Jahre [1][nach der Machtübernahme der Islamisten] im Iran
       beschäftigen diese die Weltöffentlichkeit. Im vergangenen Sommer
       [2][versuchten Agenten des Regimes], eine Veranstaltung der iranischen
       Exilopposition in Paris anzugreifen. Drahtzieher war ein Botschaftsrat
       Irans in Wien. Und [3][in Syrien] oder Jemen sind Irans
       „Revolutionsgarden“, die Pasdaran, militärisch offen und entscheidend
       tätig. Die Mullahs fördern im ganzen Nahen Osten den
       religiös-fundamentalistischen Extremismus, etwa die palästinensische Hamas
       oder die libanesische Hisbollah.
       
       In Iran selbst sind die sich selbst ernennenden Abgesandten Gottes auf
       Erden mehr gefürchtet als geliebt. Vier Jahrzehnte nachdem der damals
       77-jährige Ajatollah Ruhollah Chomeini mit seiner Rückkehr in den Iran am
       1. Februar 1979 die Macht an sich riss, ist der Lack des islamistischen
       Regimes ab.
       
       Der heutige Iran besteht aus Parallelwelten, wo im Geheimen, im Privaten so
       ziemlich alles betrieben wird, was im Sinne der Theokratie auf keinen Fall
       betrieben werden dürfte: Sex, Drogen, Internet. Dazu ist die Ökonomie des
       an und für sich reichen Landes dauerhaft im Keller. Während die Konten von
       Mullahs und Pasdaran-Generälen prall gefüllt sind, geht es der breiten
       Öffentlichkeit schlecht. Immer wieder kommt es zu sozialen Protesten, die
       das Regime gewaltsam niederschlagen lässt – und mit
       religiös-nationalistischen Phrasen zu ersticken sucht. Die Rhetorik der
       Mullahs spult sich verlässlich an USA, Weltkapital [4][und Israel auf].
       
       Die agitatorische Verbindung national-religiöser Behauptungen mit sozialen
       Fragen ist seit Ajatollah Chomeini bestimmendes Element iranischer Politik.
       Er wetterte gegen die Reformen des Schahs, als der in den 1960er Jahren das
       Land modernisieren wollte. Chomeini war die Gleichberechtigung der Frauen
       ebenso ein Dorn im Auge wie die Landreformen, mit denen der Schah die Macht
       des Großgrundbesitzes einschränken wollte. Es war der große Irrglaube der
       iranischen Linken, mit diesem Demagogen und Menschenhasser ein Bündnis
       eingehen und diesen gar lenken zu können. Der islamistische Extremismus
       duldet keine Macht neben sich.
       
       Beerbt wurde Chomeini nach seinem Tode 1989 von seinem Kampfgefährten Ali
       Chamenei. Legendär die Worte des heute obersten Führers Irans, mit denen er
       1982 den Krieg mit dem Nachbarland Irak begrüßte: „Der Segen des Krieges
       ist für uns unvorstellbar groß.“ Tatsächlich konnten die Mullahs im
       Schatten der religiös-nationalistischen Mobilisierung ihre Terrorherrschaft
       erst durchsetzen.
       
       Schon 1979 war der gemäßigte Flügel der schiitischen Geistlichkeit mit der
       Entwicklung zum religiösen Totalitarismus nicht einverstanden. Er strebt
       auch heute – wie die Kräfte aus der organisierten Zivilgesellschaft und der
       im Untergrund tätigen politischen Opposition – eine laizistische
       Staatsordnung an.
       
       Spannend ist die Frage, wer den 1939 geborenen Chamenei als Führer der
       Diktatur beerben wird. Das Regime verausgabt sich derzeit mit seinen
       kostspieligen militärischen Abenteuern in Syrien und im Jemen. Die Führer
       der Pasdaran benehmen sich wie Anführer eines Staats im Staat. Beim Ableben
       der alten Revolutionsgeneration von 1979 dürften all die Konflikte zutage
       treten, die unter der Oberfläche die iranische Gesellschaft heute prägen.
       Der neuen Generation von Pasdaran und Hardliner-Mullahs dürfte die
       Autorität der Alten fehlen, um weiterhin der Bevölkerung ihren Willen
       aufzuzwingen. Allein mit Waffengewalt, das zeigte schon der Sturz des
       Schahs im Januar 1979, lässt sich nicht dauerhaft regieren.
       
       1 Feb 2019
       
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