# taz.de -- Einsatz im Mittelmeer: Embargo gegen Libyens Warlords
       
       > Die EU will mit einer neuen Militärmission die Einhaltung des
       > Waffenembargos in Libyen überwachen. Kann das gelingen?
       
 (IMG) Bild: Alltag Krieg: Ein Vorort von Tripolis am Sonntag. Der Waffenschmuggel fördert den Konflikt in Libyen
       
       BERLIN/TUNIS taz | Auf dem Papier ist die EU bestens aufgestellt, um
       Waffenlieferungen nach Libyen zu stoppen. Zu Wasser setzt die
       EU-Marinemission „[1][Eunavfor Sophia“], 2015 zum Kampf gegen „Schleuser“
       im Mittelmeer entstanden, seit 2016 das fünf Jahre zuvor vom
       UN-Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo gegen Libyen durch. Zu Lande
       hilft seit 2013 die EU-Grenzschutzmission „[2][Eubam Libya]“ der libyschen
       Regierung bei der Grenzsicherung.
       
       Das Problem: [3][„Sophia“ hat seit Ende März 2019 keine Schiffe mehr], nur
       noch ein paar Überwachungsflugzeuge – weil Italien keine aus dem Meer
       gefischten Flüchtlinge mehr aufnehmen wollte. Eubam wiederum wurde im April
       2019 auf zwei Schlauchbooten nach Tunesien evakuiert – als der
       aufständische General Chalifa Haftar seine Offensive auf die libysche
       Hauptstadt begann.
       
       Die beiden bestehenden Instrumente der EU in Libyen sind also faktisch tot.
       Nur ihre Mandate laufen noch, bis Ende März beziehungsweise Ende Juni 2020.
       
       Am Montag einigten sich die EU-Außenminister in Brüssel grundsätzlich auf
       eine neue Marinemission vor Libyen. Sie soll nichts mehr mit
       Flüchtlingsrettung zu tun haben, nur noch mit der Überwachung des
       Waffenembargos gegen Libyens Konfliktparteien.
       
       ## Die EU – ein Papiertiger?
       
       Das Konzept des EU-Außenbeauftragten Josip Borrell zu der neuen Mission,
       das der taz vorliegt, ist ambitioniert. Der gesamte libysche Luftraum – ein
       Gebiet von 1,76 Millionen Quadratkilometern – soll überwacht werden, auch
       mit Satelliten. Die Marinekomponente soll vorrangig vor dem Ostteil der
       libyschen Küste und weitab von den Küsten suspekte Schiffe verfolgen. „Eine
       sichtbare Stationierung mächtiger staatlicher Kapazitäten“ – im Klartext:
       Kriegsschiffe – soll eine „handfeste Demonstration der politischen
       Verpflichtung der EU“ darstellen.
       
       Vor Libyen will die EU also beweisen, dass sie kein Papiertiger ist. Das
       ist vor allem im Sinne Deutschlands, das am 19. Januar in Berlin eine
       [4][Libyen-Konferenz] ausgerichtet hatte und nun auf Europa zur Umsetzung
       hofft. In Berlin hatten sich alle interessierten Staaten darauf
       verständigt, ihre Einmischung in Libyen zu beenden und einen
       Friedensprozess voranzubringen.
       
       Einige wenige konkrete Fortschritte sind zu erkennen: Am 12. Februar goss
       der UN-Sicherheitsrat die Abschlusserklärung von Berlin in Form einer
       UN-Resolution, bei Enthaltung Russlands.
       
       Ein Komitee der international anerkannten Regierung des Ministerpräsidenten
       Fajez al-Sarradsch in Tripolis und der Rebellenarmee LNA (Libysche
       Nationalarmee) von General Haftar in Ostlibyen hat sich bereits einmal in
       Genf getroffen und soll das diese Woche erneut tun.
       
       Ein politischer Dialog soll mit ersten Gesprächen in Algerien am 26.
       Februar beginnen – Algerien handelt stellvertretend für die Afrikanische
       Union (AU). Die EU will mit ihrem Vorstoß parallel zu den politischen
       Bemühungen der Afrikaner eine militärische Eindämmung des Konflikts
       leisten, indem sie den Waffennachschub für die Kriegsparteien stoppt.
       
       Doch einen offiziellen Waffenstillstand gibt es in Libyen immer noch nicht,
       und ein Kommandeur regierungstreuer Einheiten aus der Hafenstadt Misrata
       berichtet der taz, dass er jederzeit mit einem Angriff von Haftars LNA
       rechne.
       
       Kommandeure beider Seiten berichten, dass kaum ein Kämpfer Vertrauen in
       Konferenzen und Abkommen hat. „Anders als die Diplomaten glauben wir daran,
       dass dieser Machtkampf nur mit der Waffe entschieden werden kann“, sagt der
       regierungstreue Frontkommandeur: „Wir bereiten uns darauf vor, Haftars
       Truppen aus Westlibyen zu vertreiben.“
       
       Selbst wenn Europa jetzt nur noch ein Waffenembargo statt eines
       Waffenstillstands überwacht, sind die Herausforderungen immens. Haftar
       setzt aus Ägypten und den Emiraten gelieferte gepanzerte
       Truppentransporter, lasergesteuerte Artillerie und Drohnen ein. Allein im
       Februar registrierten die Spezialisten der Webseite „[5][ItalmilRadar]“
       mehr als 15 Flüge von Boeing-757-Fliegern oder Iljuschin-Schwertransportern
       aus den Emiraten auf Haftars Militärflughafen Al-Khadim bei Bengasi.
       
       ## Eubam verscheucht von Schmugglern
       
       Die Regierungstruppen in Misrata wiederum bekamen seit der Berlin-Konferenz
       türkische Luftabwehrraketen, Drohnen und Störsender, die in zivilen
       Containerschiffen geliefert wurden. „Bis vor vier Wochen trauten wir uns
       kaum mit mehreren Kämpfern auf die Straße, da die vom Boden unsichtbaren
       Drohnen uns sofort ins Visier nahmen. Mit der Störtechnik der türkischen
       Spezialisten sind Haftars Drohnen keine große Gefahr mehr“, so der
       Kommandeur in Misrata zur taz.
       
       Schon unter friedlicheren Umständen scheiterte eine EU-
       Grenzüberwachungsmission in Libyen an der Hartnäckigkeit der bewaffneten
       Gruppen. Die Grenzmission Eubam entstand im März 2013, um die libyschen
       See-, Land- und Luftgrenzen zu sichern. EU-Spezialisten schulten libysche
       Milizionäre zu Grenzbeamten um und versuchten, die Abläufe auf
       internationale Standards zu bringen.
       
       Doch an lukrativen Schmuggelorten wie dem libysch-tunesischen Grenzübergang
       Ras Jadir durften die unbewaffneten Spezialisten nicht aktiv werden, und
       klar war, dass die EU-Beamten abziehen würden, sollten sie in Gefahr
       geraten.
       
       Als die libyschen Warlords von der defensiven Einsatzregeln der EU-Mission
       Wind bekamen, ging alles ganz schnell. Bewaffnete griffen ein Fahrzeug der
       Kolonne der bulgarischen Missionsleiter an – es gab keine Verletzten, aber
       Eubam wurde evakuiert und danach konnten die Schmuggler unbehelligt
       arbeiten. Die EU-Grenzmission kehrte später mit nur noch ein paar
       Diplomaten nach Tripolis zurück.
       
       ## Söldner und Sicherheitsfirmen
       
       Ein Problem von „Eunavfor Sophia“ als auch „Eubam Libya“ wird auch jede
       neue EU-Mission haben: Als EU-Missionen sind sie zur Zusammenarbeit mit der
       libyschen Regierung in Tripolis verpflichtet, also einer der beiden
       Kriegsparteien, während die EU selbst hoffnungslos zerstritten ist.
       „Sophia“ und Eubam werden derzeit beide von Italienern geführt – Italien
       ist der engste Verbündete der Regierung in Tripolis. Haftar wird innerhalb
       der EU vor allem von Frankreich gestützt.
       
       Und während die Berliner Libyen-Konferenz neben den Waffenlieferungen auch
       die Anwesenheit ausländischer Söldner in Libyen als Problem erkannte – von
       der Türkei eingeflogene syrische Rebellen auf Regierungsseite, die private
       russische Sicherheitsfirma „Wagner“ bei Haftar –, lassen sich alle
       internationalen Diplomaten in Libyen selbst von privaten Sicherheitsfirmen
       schützen.
       
       Französische Firmen sind vielfach präsent. Das Eubam-Büro in Tripolis stand
       lange Zeit unter dem Schutz von GardaWorld aus Kanada. Dieser Marktführer
       im privaten Sicherheitsgeschäft, der vor allem britische Exsoldaten
       einsetzt, half bereits im Krieg 2011 den libyschen Rebellen gegen Gaddafi.
       [6][Zum Beraterstab der Firma gehört Berichten zufolge die ehemalige
       EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton aus Großbritannien.]
       
       17 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.operationsophia.eu/
 (DIR) [2] https://eeas.europa.eu/csdp-missions-operations/eubam-libya_en
 (DIR) [3] /EU-Mission-Sophia-im-Mittelmeer/!5588995/
 (DIR) [4] /Libyen-Konferenz-in-Berlin/!5657705/
 (DIR) [5] https://www.itamilradar.com/
 (DIR) [6] https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/500816/Ehemalige-Chefdiplomatin-der-EU-bekommt-Job-bei-umstrittener-Sicherheitsfirma
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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