# taz.de -- Gesetze gegen Hasskriminalität: Den Nährboden austrocknen
       
       > Die Koalition will Hass im Netz bekämpfen. Linken und Grünen ist das zu
       > wenig, sie fordern mehr Geld für Initiativen gegen rechts.
       
 (IMG) Bild: Renate Künast spricht während der Bundestagsdebatte mit FraktionskollegInnen
       
       BERLIN taz | SPD-Chefin Saskia Esken machte vor Kurzem eine Morddrohung
       öffentlich, die sie per Mail bekam. Man werde ihr mit einem scharfen Beil
       ein Hakenkreuz ins Gesicht schneiden, drohte da jemand, der mit
       „Todesschwadron 88“ unterschrieb. Esken solle den Briefkasten vor ihrer Tür
       abbauen lassen. „Nicht das (sic!) sich dort eine Rohrbombe wiederfindet.“
       
       Morddrohungen an PolitikerInnen, wüste Beschimpfungen von engagierten
       BürgerInnen, Volksverhetzung auf Facebook und Co. – inzwischen gehört das
       zum [1][Alltag in Deutschland]. Zwei Drittel der von der Polizei
       registrierten Hasspostings kommen von Rechtsextremen. Die Große Koalition
       will den Hass eindämmen – und brachte am Donnerstag ein Gesetzespaket zur
       Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität in den Bundestag ein.
       
       „Wir werden unsere Demokratie mit allen Mittel des wehrhaften Rechtsstaates
       verteidigen“, sagte der parlamentarische Staatssekretär im
       Justizministerium, Christian Lange (SPD). Der Gesetzentwurf gebe den
       Sicherheitsbehörden „ein wirksames Mittel in die Hand, um den Hass und die
       Gewalt wirksam einzudämmen.“ Hass sei ein Angriff auf die Demokratie und
       bilde den Nährboden für rechtsextremistische Gewalttaten.
       
       Das [2][Gesetzespaket] widmet sich dem Problem auf mehreren Ebenen.
       Betreiber sozialer Netzwerke sollen in Zukunft selbst mit dafür sorgen,
       dass Hasstaten verfolgt werden. Facebook, Twitter und Co. sollen dazu
       verpflichtet werden, dem Bundeskriminalamt strafrechtlich relevante Inhalte
       zu melden – inklusive IP-Adresse und Port-Nummer der aggressiven
       NutzerInnen. Bisher müssen sie diese Inhalte nur löschen oder sperren.
       
       ## Lob aus Bayern
       
       Außerdem ist eine Verschärfung mehrerer Straftatbestände geplant.
       Beleidigungen im Netz sollen künftig mit zwei statt einem Jahr
       Freiheitsstrafe geahndet werden können, weil ihre Reichweite und Wirkung
       viel größer ist als eine Pöbelei in der Kneipe oder auf der Straße. Der
       Bedrohungstatbestand soll weiter gefasst und auch angedrohte
       Körperverletzungen oder angedrohte sexuelle Gewalt gegen Frauen ahnden.
       
       Betroffene sollen sich künftig besser schützen können, indem sie beim Amt
       leichter eine Auskunftssperre erwirken können. Dies verhindert, dass die
       Adresse an Dritte weitergegeben wird. Auch KommunalpolitikerInnen sollen
       durch ein erweitertes Strafrecht in Zukunft besser geschützt werden.
       
       Georg Eisenreich (CSU), Justizstaatsminister in Bayern, lobte die Pläne der
       Koalition. Wer strafbaren Hass bekämpfe, schränke die Meinungsfreiheit
       nicht ein. „Er schützt sie.“ Im Internet braue sich etwas zusammen, das
       eine „echte Gefahr“ für die Demokratie darstelle.
       
       Jürgen Martens, der Rechtsexperte der FDP-Fraktion, sagte, dass aus der
       Verrohung der Sprache Hass folge. Jener schlage um in Bedrohungen und werde
       immer häufiger zu Gewalt. Er übte aber auch Kritik. Die Meldepflicht für
       Plattformbetreiber sei „problematisch“, weil es einen Flaschenhals bei den
       Verfolgungsbehörden gebe. Verbote auszusprechen sei leicht, sie
       durchzusetzen schwieriger.
       
       ## Linke will Neonazis entwaffnen
       
       Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) forderte weitergehende
       Maßnahmen. So müssten etwa Neonazis und Reichsbürger in Abstimmung mit den
       Bundesländern entwaffnet und zivilgesellschaftliche Initiativen gegen
       Rechts finanziell besser gefördert werden. Auch gegen demokratiefeindliche
       Tendenzen in staatlichen Behörden müsse konsequent vorgegangen werden.
       
       Rechtsextreme hätten seit 1990 fast 200 Menschen getötet, sagte die Grüne
       Renate Künast. Das Gesetzespaket der Koalition greife zu kurz. Künast
       forderte ein Demokratiefördergesetz und ein restriktives Waffenrecht.
       Außerdem schlug sie für die Grünen vor, den Begriff „Rasse“ aus dem
       Grundgesetz zu streichen, um „ein Zeichen zu setzen“.
       
       Für die AfD-Fraktion übte der Abgeordnete Roman Johannes Reusch Kritik,
       etwa an der Anzeigepflicht für Betreiber sozialer Netzwerke. Die
       Beurteilung, ob ein Anfangsverdacht vorliege, sei eine klassische Aufgabe
       der Strafverfolgungsbehörden. Die Anzeigepflicht sei „ein Bruch mit unserer
       Rechtstradition“.
       
       12 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Ulrich Schulte
       
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