# taz.de -- Gesetzentwurf gegen Drohungen: Listen mit Suggestiv-Charakter
       
       > Die Große Koalition will die Veröffentlichung von Feindeslisten
       > bestrafen. Ein erster Gesetzentwurf zeigt, wie heikel das Vorhaben ist.
       
 (IMG) Bild: Von ihr fehlt noch ein Vorschlag zur Strafnorm bei Feindeslisten: Justizministerin Christine Lambrecht
       
       KARLSRUHE taz | Die Große Koalition will im Herbst erneut das Strafrecht
       verschärfen. Erstmals soll es dann unter Strafe gestellt werden, sogenannte
       „Feindeslisten“ zu veröffentlichen. Das Vorhaben ist zwar keine Reaktion
       auf die Drohbriefe vom sogenannten [1][“NSU 2.0“], doch die derzeitige
       Stimmung dürfte für weitere Strafrechtsverschärfungen günstig sein.
       
       Als „Feindeslisten“ oder „Todeslisten“ werden bisher vor allem Namens- und
       Adresssammlungen bezeichnet, die [2][von Rechtsextremisten angelegt werden]
       und deren politische Gegner erfassen. Die NSU-Terroristen hatten eine
       solche Liste verfasst, ebenso der Ex-Bundeswehr-Soldat Franco A., der im
       Herbst wegen Terrorvorbereitungen vor Gericht stehen wird. Auch die
       Nordkreuz-Gruppe, die sich in Mecklenburg-Vorpommern auf einen „Tag X“
       vorbereitete, sammelte Adressen von vermeintlichen Feinden.
       
       Ein spezielles strafrechtliches Verbot forderte als Erstes das
       Bundeskriminalamt (BKA) im Oktober 2019. Auch Innenminister Horst Seehofer
       (CSU) unterstützte die Forderung. In den [3][Gesetzentwurf gegen
       Hasskriminalität] vom März dieses Jahres wurde dann aber keine
       entsprechende Strafnorm aufgenommen. Vielmehr wurde seitens der
       Bundesregierung zunächst behauptet, die verschärfte Bestrafung der
       Bedrohung erfasse auch Feindeslisten. Das stimmte aber nicht, da die
       Aufstellung einer Feindesliste nicht zwingend die Androhung von Straftaten
       enthält.
       
       Die CDU/CSU drängte deshalb koalitionsintern, doch noch einen speziellen
       Tatbestand gegen Feindeslisten einzuführen. Die SPD zeigte sich
       grundsätzlich offen, warnte aber vor Schnellschüssen. So wurde das Gesetz
       gegen Hasskriminalität Mitte Juni ohne eine entsprechende Norm beschlossen.
       Hauptinhalt war die Einführung einer Anzeigepflicht für soziale Netzwerke.
       Diese müssen ab nächstem Jahr strafbare Hasspostings nicht nur löschen,
       sondern auch dem BKA melden.
       
       ## Interne Listen bleiben legal
       
       Der Vorschlag der CDU/CSU für eine Strafnorm gegen Feindeslisten umfasst
       vier Tatbestandsmerkmale: Erstens müssen personenbezogene Daten
       zusammengetragen werden. Zweitens müssen diese veröffentlicht werden.
       Drittens muss dies geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Und
       viertens muss die Liste subjektiv dazu bestimmt sein, die Bereitschaft von
       anderen zu fördern, gegen die in der Liste genannten Personen Straftaten zu
       begehen.
       
       Damit würden allerdings keine Feindeslisten erfasst, die Extremisten nur
       intern anfertigen und aufbewahren. Der Union geht es um die öffentliche
       Einschüchterung, wie zum Beispiel durch die im Internet kursierende Liste
       #WirKriegenEuchAlle.
       
       Die Straftaten, die durch die Liste ausgelöst oder gefördert werden sollen,
       müssen nach dem Entwurf keine Gewalttaten sein, es würden schon
       Beleidigungen genügen.
       
       Auch eine ausdrückliche Aufforderung, Straftaten zu begehen, soll nicht
       erforderlich sein; denn dafür gibt es bereits andere Strafnormen. Die
       Förderung von Straftaten muss also irgendwie anders suggestiv bewirkt
       werden. Dies ist sicher der heikelste Punkt des Gesetzentwurfs. Hier
       müssten Ermittler und Gerichte künftig Absichten in einen Text hineinlesen,
       die eben nicht explizit genannt werden.
       
       Die rechtspolitischen Sprecher Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) und Johannes
       Fechner (SPD) sind sich einig, dass die neue Strafnorm nicht die
       Pressefreiheit und auch nicht die Tätigkeit von NGOs einschränken soll.
       Nicht jede Liste mit Rassisten oder Umweltsündern solle künftig bestraft
       werden. Die Abgrenzung wird aber schwierig sein.
       
       Die Koalition will im September konkrete Verhandlungen über die neue
       Strafnorm aufnehmen. Bis dahin soll auch das Bundesjustizministerium einen
       Vorschlag vorlegen.
       
       30 Jul 2020
       
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