# taz.de -- Italiens Migrationspolitik unter Salvini: Vorwurf der Freiheitsberaubung
       
       > Als italienischer Innenminister hatte Matteo Salvini immer wieder
       > Seenotrettung schikaniert. Nun droht ihm ein Prozess.
       
 (IMG) Bild: Jetzt geifert er nicht mehr: Matteo Salvini droht ein Gerichtsprozess
       
       ROM taz | Hat Matteo Salvini, Chef der Partei Lega und Anführer der
       italienischen Rechten, sich der Freiheitsberaubung in 150 Fällen schuldig
       gemacht? Am Donnerstag entscheidet der Senat in Rom, ob seine Immunität
       aufgehoben wird, ob der migrantenfeindliche und nationalistische Politiker
       [1][vor Gericht muss].
       
       Die Justiz will ihn belangen, weil er im August 2019 als Innenminister fast
       drei Wochen lang dem [2][Rettungsschiff „Open Arms“], das 150 Flüchtlinge
       an Bord hatte, die Einfahrt in einen italienischen Hafen verweigerte.
       Salvini hatte damit den Höhe- und Schlusspunkt seiner Zeit an der Regierung
       gesetzt, unter Ministerpräsident Giuseppe Conte und in Koalition mit den
       Fünf Sternen.
       
       Das Motto, mit dem er die Lega zur stärksten Partei Italiens machen konnte,
       lautete „Prima gli italiani!“ – „Italiener zuerst!“ Konsequent hatte er
       sich als Innenminister seit 2018 als „Verteidiger der italienischen
       Grenzen“ und gegen die „Invasion“ der Migrant*innen inszeniert. Mit dieser
       Masche führte der 47-jährige Mailänder die Lega zu spektakulären Erfolgen.
       
       Übernommen hatte er den Parteivorsitz erst im Dezember 2013, damals hieß
       der Verein noch Lega Nord und verstand sich als Interessenvertretung der
       reichen Nordregionen, gegen den „parasitären“, armen Süden des Landes und
       gegen das „diebische Rom“. Doch nach Skandalen um den Parteigründer Umberto
       Bossi schien die Lega vor dem Aus zustehen; bei den Wahlen 2013 kam sie auf
       magere 4 Prozent.
       
       Salvini aber verordnete eine radikale Kurswende, weg vom Nordseparatismus,
       hin zum Ultranationalismus, der vor allem auf harte Attacken gegen EU und
       Euro setzte – und auf [3][rüde Ausfälle] gegen Migrant*innen. Er, der noch
       wenige Jahre zuvor erklärt hatte, „die italienische Fahne sagt mir nichts“,
       mutierte zum glühenden Italiener. Und die Rechnung ging auf. Schon bei den
       Parlamentswahlen 2018 schnellte seine Partei auf 17 Prozent hoch.
       
       ## Geifernd auf der Oppositionsbank
       
       An der Regierung gab er dann den Anti-Flüchtlings-Sheriff, ließ immer
       wieder NGO-Schiffe erst abweisen, dann in den Häfen beschlagnahmen und
       [4][mit hohen Geldbußen überziehen]. Bei den Europawahlen im Mai 2019 gab
       es dann schier unglaubliche 34 Prozent für die Lega.
       
       Daraufhin wollte er die Ernte einfahren. Im August 2019 ließ Salvini die
       Koalition platzen, in der Erwartung, bei dann unvermeidlichen Neuwahlen
       werde er den Durchmarsch machen und als Ministerpräsident „mit der vollen
       Macht“ durchregieren.
       
       Doch die Fünf Sterne und die mit ihnen bisher verfeindete, gemäßigt linke
       Partito Democratico machten ihm einen Strich durch die Rechnung, legten
       eine neue Regierungskoalition auf und bestätigten Giuseppe Conte im Amt.
       
       Seitdem drückt Salvini, geifernd wie eh und je, die Oppositionsbank, doch
       seine [5][Lega ist wieder im Abstieg]. Heute kämen sie nur auf 25 Prozent,
       während die ebenfalls rechtsnationale populistische Partei Fratelli
       d’Italia im Aufwind ist. Jetzt kommt womöglich mit einem Prozess wegen
       Freiheitsberaubung neuer Ärger auf Salvini zu.
       
       30 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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