# taz.de -- Aufnahme von Geflüchteten in Italien: Quarantäne-Schiff für Geflüchtete
       
       > Nach Suizidversuchen auf der Ocean Viking will Italien den Geflüchteten
       > helfen. Das Tauziehen zwischen Regierung und NGOs geht aber weiter.
       
 (IMG) Bild: Gerettet, aber auf engem Raum: Die Bedinungen auf der Ocean Viking sind für viele unerträglich
       
       Am Montag sollen die 180 Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffs Ocean
       Viking endlich auf die italienische Fähre Moby Zazà übernommen werden, um
       dort 14 Tage in Quarantäne zu gehen. Nach mehr als zehn Tagen gibt Italien
       damit seine Weigerung auf, die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge zu
       übernehmen.
       
       Erst am 22. Juni war die von der NGO SOS Méditerranée betriebene Ocean
       Viking aus dem Hafen von Marseille ausgelaufen. Wegen der Corona-Pandemie
       hatte sie dort drei Monate lang vor Anker gelegen. Eine erste Gruppe von 51
       Flüchtenden wurde dann am 25. Juni zwischen Lampedusa und Malta gerettet,
       weitere 130 Menschen wurden bei drei weiteren Einsätzen bis zum 30. Juni an
       Bord genommen.
       
       Gleich sieben Anfragen richtete die Ocean Viking vom 26. Juni an Malta und
       Italien, um sich einen sicheren Hafen zuweisen zu lassen. Doch Antworten
       gab es keine; nur ein Flüchtling wurde am vergangenen Montag wegen
       gesundheitlicher Probleme von den italienischen Behörden evakuiert.
       Ansonsten gilt die Ansage beider Länder: Seit dem Ausbruch der
       COVID-Pandemie [1][verfügen sie nicht mehr über sichere Häfen]. Italiens
       Regierung hatte Anfang April ein entsprechendes Dekret erlassen, dem
       zufolge die Gesundheitsdienste angesichts der Überforderung durch COVID
       eine adäquate Betreuung der Flüchtlinge nicht gewährleisten könnten.
       
       Stattdessen sind die NGOs seitdem aufgefordert, die geretteten Menschen in
       dem Flaggenstaat ihrer Schiffe an Land zu bringen. Der Ocean Viking hätte
       damit eine Reise bis nach Norwegen bevorgestanden. Zu solchen Fahrten kam
       es in den vergangenen Wochen jedoch nie. Stattdessen erlebte Italien
       mehrfach das gleiche Tauziehen zwischen Regierung und NGOs, das es schon in
       den Zeiten gegeben hatte, als der Lega-Anführer Matteo Salvini in seiner
       Eigenschaft als Innenminister die Politik der „geschlossenen Häfen“
       verfolgte.
       
       ## Mehrere Suizidversuche und Hungerstreik
       
       Allerdings gewährte die italienische Regierung den 211 Flüchtlingen, die
       von der Sea Watch gerettet worden waren, am 21. Juni nach „nur“ 48 Stunden
       deren Aufnahme. Sie wurden im sizilianischen Hafen Porto Empedocle von der
       zum Quarantäneschiff umfunktionierten Fähre Moy Zazà an Bord genommen. Bei
       den Tests erwiesen sich dann 28 Flüchtlinge als Corona-positiv.
       
       Gegenüber der Ocean Viking dagegen bewegte sich Italien erst, nachdem sich
       in den letzten Tagen die Lage an Bord dramatisch verschlechtert hatte. Zwei
       Flüchtlinge sprangen über Bord (konnten aber wieder aufs Schiff
       zurückgebracht werden), sechs unternahmen Suizidversuche, zwei traten in
       einen Hungerstreik. Daraufhin rief am Freitag der Kapitän den Notstand an
       Bord aus. „Die Situation auf dem Schiff hatte sich dermaßen zugespitzt,
       dass die Sicherheit der 180 geretteten Menschen und der Besatzung nicht
       mehr gewährleistet werden konnte“, erklärte SOS Méditerranée.
       
       Am Samstag gingen daraufhin ein italienischer Psychiater und ein
       kultureller Mediator an Bord des Schiffs. Der Arzt schilderte wenigstens
       offiziell die Situation als nicht besonders beunruhigend – doch noch am
       gleichen Tag verfügte die Regierung die Übernahme der Menschen durch die
       Moby Zazà. Sie soll am Montag erfolgen, während am Sonntag bei allen
       Flüchtlingen Corona-Abstriche vorgenommen werden sollten.
       
       Für die 180 Geretteten zeichnete sich damit ein positiver Ausgang ab.
       Gleiches gilt nicht für jene mehr als 90 Menschen an Bord eines Boots, das
       die Ocean Viking am 27. Juni nach einem Notruf zwölf Stunden lang gesucht
       hatte. Sie waren von der libyschen Küstenwache abgefangen und [2][zurück
       nach Libyen gebracht worden], und sechs der Flüchtlinge sollen die
       Strapazen des Fluchtversuchs nicht überlebt haben.
       
       5 Jul 2020
       
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