# taz.de -- Türkei gegen NGOs: Ein plumper Deckmantel
       
       > Ankara hat ein Gesetz beschlossen, das NGOs verbieten kann. Selbst
       > Lebensmittelspenden könnten künftig als „Finanzierung von Terroristen“
       > gelten.
       
 (IMG) Bild: Präsident Erdoğan hat alles im Griff – jetzt auch die für ihn unbequemen zivilen Initiativen
       
       Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan immer wieder
       Schaufensterreden über Reformen und Demokratieerneuerung hält und die EU zu
       einem Neuanfang in den gegenseitigen Beziehungen aufruft, ist seine
       Regierung in der Praxis dabei, die letzten demokratischen Spielräume in der
       Türkei zu beseitigen.
       
       Nachdem zunächst das Parlament, die Justiz und die Medien des Landes
       weitgehend unter die Kontrolle des Präsidenten gebracht wurden, sind nun
       die vielfach oppositionellen Berufsverbände und
       Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an der Reihe. Im letzten Jahr wurde
       ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Anwaltskammern der Türkei, in denen
       regierungskritische Juristen den Ton angeben, dadurch bedeutungslos gemacht
       werden sollen, dass regierungsnahe Konkurrenzorganisationen zugelassen
       werden.
       
       [1][Die türkische Ärztekammer], die die Regierung während der Pandemie
       immer wieder massiv kritisiert und auch die offiziellen Zahlen infrage
       stellt, wurde von Erdoğan bereits in die Nähe von Terroristen gerückt.
       Prompt forderte sein rechtsradikaler Koalitionspartner das Verbot der
       Kammer. Jetzt hat das Parlament auf Wunsch des Präsidenten ein Gesetz
       verabschiedet, mit dem NGOs verboten werden können, wenn eines ihrer
       Mitglieder verdächtigt wird, Terrororganisationen zu finanzieren.
       
       Das bedroht alle Nichtregierungsorganisationen und besonders solche, die in
       irgendeiner Weise in den [2][kurdischen Gebieten] aktiv sind. Selbst
       Lebensmittelspenden können da zur „Finanzierung von Terroristen“ mutieren.
       Die EU sollte sich von den Reden Erdoğans nicht blenden lassen und eine
       Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verweigern, solange die
       türkische Regierung [3][jede rechtsstaatliche Haltung ad absurdum] führt
       und ihre Kritiker mit allen Mitteln mundtot macht.
       
       Das betrifft die NGOs, aber auch die politischen Gefangenen, wie den
       früheren Vorsitzenden der Oppositionspartei HDP, [4][Selahattin Demirtaş],
       und andere, die selbst nach Aufforderung des Europäischen
       Menschenrechtsgerichtshofs nicht freigelassen werden.
       
       28 Dec 2020
       
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