# taz.de -- Einstufung des Verfassungsschutzes: Entscheidung zur AfD verzögert sich
       
       > Mit einer Klage bremst die AfD den Verfassungsschutz aus. Ihre Einstufung
       > als rechtsextremer Verdachtsfall könnte zur Hängepartie werden.
       
 (IMG) Bild: Einstufung in den Sand gesetzt? Der Chef des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang
       
       BERLIN taz | Es hätte ein großer Schlag werden können, doch nun haben der
       Verfassungsschutz und der Innenminister den ersten Schritt dazu
       verstolpert. Wohl noch diese Woche sollte die gesamte [1][AfD] als
       rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden. So berichteten es mehrere
       Medien, [2][darunter die taz]. Daraufhin aber reichte die AfD Eilanträge
       vor dem Verwaltungsgericht Köln ein – und konnte das Prozedere damit
       vorerst verzögern.
       
       Ein Sprecher des Kölner Verwaltungsgerichts bestätigte am Montag der taz,
       dass der Verfassungsschutz auf die Eilanträge eine „Stillhaltezusage“
       ankündigte. Bis zu einer Entscheidung des Gerichts würde das Bundesamt
       damit nicht aktiv werden.
       
       Offen aber blieb, worauf genau sich die Stillhaltezusage bezog. Denn die
       AfD hatte sowohl gegen eine Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall
       geklagt als auch gegen eine entsprechende öffentliche Verkündung. Möglich
       wäre also, dass der Verfassungsschutz in Sachen AfD nun vorerst gar nichts
       unternimmt. Oder, was durchaus auch möglich ist, dass er nur die
       öffentliche Verkündung unterlässt – intern die Partei aber als
       Verdachtsfall einstuft.
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich dazu nicht äußern. „Mit
       Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußern wir
       uns in dieser Angelegenheit nicht öffentlich“, sagte eine Sprecherin der
       taz. Auch der Gerichtssprecher wollte sich zu Details des Verfahrens nicht
       äußern. Er ließ ebenso offen, wann das Gericht über die Eilklagen
       entscheiden werde.
       
       ## Die Bundestagswahl im Nacken
       
       Damit könnte eine mögliche Neueinstufung der AfD zur Hängepartie werden.
       Bereits seit Anfang 2019 ist die Partei als Prüffall beim Bundesamt
       eingestuft. Nach zweijähriger Prüfung wollte der Geheimdienst nun zu
       Jahresbeginn seine Entscheidung verkünden, ob eine Hochstufung als
       Verdachtsfall erfolgt, ob also „gewichtige Anhaltspunkte“ für
       verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen – oder eben nicht. Dies sollte
       jetzt erfolgen, auch um nicht zu nah an die baldig beginnenden Landtags-
       und Bundestagswahlkämpfe heranzurücken und sich dem Vorwurf auszusetzen,
       diese zu beeinflussen. Nun aber droht genau das zu passieren.
       
       Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dessen Haus die Fachaufsicht über
       die Einstufung hat und das Gutachten des Verfassungsschutzes zuletzt
       intensiv prüfte, sagte zu der Verzögerung am Montag nichts. Auch hier die
       Begründung einer Sprecherin: das laufende Gerichtsverfahren in Köln. Im
       Ministerium galt zuletzt die Ansage, eine juristische Niederlage gegen die
       AfD im Falle einer Einstufung unbedingt zu verhindern.
       
       Die AfD beruft sich in ihren Klagen unter anderem auf das Recht der
       Parteien auf Chancengleichheit nach dem Grundgesetz. Die Strömung des
       „Flügels“ um den Thüringer Landeschef Björn Höcke, die sich offiziell
       inzwischen aufgelöst hat, hat das Bundesamt bereits im vergangenen Jahr als
       gesichert rechtsextrem eingestuft.
       
       Zentral für die inhaltliche Entscheidung des Verfassungsschutzes mit Blick
       auf die Gesamtpartei ist nun, wie groß dessen Einfluss auf die AfD als
       Ganzes ist. Wird die Partei als Verdachtsfall eingestuft, dürften auch
       nachrichtendienstliche Mittel wie Telefonüberwachung und V-Leute zu ihrer
       Beobachtung eingesetzt werden.
       
       ## Die AfD taktiert – mit Erfolg?
       
       Eine weitere Klage sowie der dazugehörende Eilantrag der AfD betreffen
       direkt den „Flügel“. Nach Ansicht des Bundesamtes war dessen Auflösung
       taktisch motiviert, der „Flügel“ ist demnach weiter einflussreich in der
       Partei. Mit ihrer Klage will die AfD dem Verfassungsschutz nun untersagen,
       dass dieser die Anzahl der „Flügel“-AnhängerInnen nennen darf. Zuletzt war
       von 7.000 die Rede.
       
       In der AfD hatte zuletzt insbesondere das Lager um Parteichef Jörg Meuthen
       zumindest taktisch viel dafür getan, um eine Einstufung der Gesamtpartei
       abzuwenden. Dazu gehören die Annullierung der Mitgliedschaft [3][des
       ehemaligen Brandenburger Landeschefs und „Flügel“-Strippenziehers Andreas
       Kalbitz] und die Auflösung des „Flügels“. Dazu gehört auch Meuthens Rede
       auf dem Parteitag im Dezember in Kalkar, in der er die Partei ermahnte, sie
       solle nicht „immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter auftreten“.
       
       Und dazu gehören auch ein Grundsatzbeschluss des Bundesvorstands im
       November, in dem dieser die Freiheitlich-demokratische Grundordnung im
       Sinne des Grundgetzes bejaht und eine Anfang vergangener Woche überraschend
       veröffentlichte „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen
       Identität“.
       
       Darin bekennt sich die AfD vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als
       „Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“ – was
       man bei so mancher Äußerung des einen oder anderen AfD-Politikers
       allerdings bezweifeln kann. Unterschrieben haben die Erklärung über 30
       Mitglieder der Bundes- und Landesspitze, darunter auch Höcke. Der
       Verfassungsschutz sah zuletzt im „biologisch-rassistischen oder
       ethnisch-kulturellen Volksbegriff“ der AfD ein Indiz für die mögliche
       Verfassungsfeindlichkeit der Partei.
       
       25 Jan 2021
       
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