# taz.de -- AfD und Verfassungsschutz: Das Bibbern der Beamten
       
       > Der Verfassungsschutz könnte die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall
       > einstufen. Verbände richten klare Appelle an die Beamten in der Partei.
       
 (IMG) Bild: Lehrer und Agitator: Björn Höcke hat der Verfassungsschutz besonders im Visier
       
       BERLIN taz | Die Mahnungen sind deutlich: „Beamte müssen sich glasklar von
       Extremisten distanzieren, da gibt es keine Diskussion“, sagt Ulrich
       Silberbach, Vorsitzender des Beamtenbunds, der taz. „Und sollte der
       Verfassungsschutz bei der AfD extremistische Bestrebungen sehen, dann gilt
       es hier deutlich Abstand zu halten.“
       
       Ganz ähnlich betont es Jörg Radek, Vizechef der Gewerkschaft der Polizei
       (GdP): „Der Polizeidienst und ein Engagement bei der AfD passen nicht
       zusammen. Je aufmerksamer der Verfassungsschutz die AfD in den Blick nimmt,
       umso größer muss die Distanz unserer Beamten sein.“
       
       Die Ansagen kommen nicht ohne Grund. Denn kommende Woche könnte der
       Verfassungsschutz bekanntgeben, wie er weiter mit der AfD umgeht. Und
       vieles spricht dafür, dass eine [1][Hochstufung zum rechtsextremen
       Verdachtsfall] erfolgt. Damit würde der Geheimdienst erstmals der AfD im
       Gesamten „gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“
       attestieren. Fortan könnten gegen die Partei auch nachrichtendienstliche
       Mittel wie Telefonüberwachung oder V-Leute eingesetzt werden.
       
       Das Bundesamt für Verfassungschutz selbst hatte eine Entscheidung Anfang
       2021 angekündigt, aktuell schweigt es. In Sicherheitskreisen aber wird von
       einer Einstufung ausgegangen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab
       sich am Mittwoch zugeknöpft. Ein Sprecher dementierte die Meldung, Seehofer
       habe der Einstufung bereits zugestimmt. Das Ministerium hat die
       Fachaufsicht über das Verfahren und prüft dieses juristisch – eine
       Niederlage gegen die AfD vor Gericht soll unbedingt vermieden werden.
       
       ## Bereits 2019 als Prüffall eingestuft
       
       Bereits vor zwei Jahren hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD
       [2][als Prüffall eingestuft]. Den rechtsextremen „Flügel“ um Björn Höcke
       und Andreas Kalbitz sowie die AfD-Jugend wertete der Geheimdienst bereits
       damals als Verdachtsfall, eine Stufe höher. Im März 2020 erklärte der
       Verfassungsschutz den „Flügel“ dann sogar [3][zum vollen
       Beobachtungsobjekt]: Dieser sei eine „erwiesen extremistische Bestrebung“.
       
       Der „Flügel“ löste sich in der Folge auf. Seine AnhängerInnen um Höcke aber
       blieben in der AfD weiter aktiv. Kalbitz wurde dagegen aus formellen
       Gründen aus der Partei ausgeschlossen – wogegen er sich bis heute
       juristisch wehrt. Der Verfassungsschutz machte zuletzt aber deutlich, dass
       die „Flügel“-Leute in der AfD weiter prägend seien. Daran hat offenbar auch
       der [4][jüngste Appell von Parteichef Jörg Meuthen], sich zu mäßigen,
       nichts geändert.
       
       Kommt es tatsächlich zur Einstufung als Verdachtsfall, dürfte vor allem die
       Nervosität der Beamten in der AfD steigen. Denn diese sind zur
       Verfassungstreue und zu politischer Mäßigung verpflichtet. Unter den
       AfD-Abgeordneten im Bundestag und den Landesparlamenten finden sich mehrere
       PolizistInnen und Bundeswehrangehörige. Björn Höcke ist Lehrer, der
       sächsische Rechtsaußen Jens Maier ein Richter, der Baden-Württemberger
       Thomas Seitz ein Staatsanwalt.
       
       Schon 2019, nach der ersten Einstufung der AfD, hatte Seehofer [5][ein
       Gutachten eingeholt]. Das Ergebnis: Eine reine Mitgliedschaft in einer
       Partei, die vom Verfassungsschutz als Prüf- oder Verdachtsfall eingestuft
       ist, bleibt beamtenrechtlich noch ohne Konsequenz. Entscheidend sei das
       individuelle Verhalten. Exponierte Posten, umso mehr von den bereits als
       verfassungsfeindlich deklarierten „Flügelianern“, könnten hier zum Problem
       werden. Zu prüfen sei immer im Einzelfall. So wurde dem „Flügel“-nahen
       Seitz bereits 2018 tatsächlich sein Beamtenstatus aberkannt.
       
       Für Beamtenbund-Chef Silberbach ist klar: „Wer nicht mit beiden Beinen auf
       dem Boden des Grundgesetzes steht, der kann kein Beamter sein. Es ist
       offensichtlich, dass es rechtsextremistische Tendenzen in Teilen der AfD
       gibt und dass die Partei sich nicht ausreichend davon distanziert hat.“
       
       ## Die AfD will juristisch dagegenhalten
       
       Auch GdP-Vize Radek begrüßt, dass der Verfassungsschutz „bei der AfD genau
       hinschaut“. Für Polizeibeamte könne es hier „kein Sowohl-als-auch geben“.
       Die politischen Bestrebungen der AfD „stehen konträr den Grundsätzen und
       Werten eines demokratischen und sozialen Rechtsstaats und einer offenen
       Zivilgesellschaft entgegen“. Radek verweist auf die „Tabubrüche“ von
       AfD-PolitikerInnen, das Verschieben des Diskurses „ins Unerträgliche“. Und
       weiter: „Sie sind daher mitverantwortlich für eine gesellschaftliche
       Spaltung.“
       
       Und auch Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
       warnte die Beamten in der AfD. Die Mitgliedschaft von Bundeswehrangehörigen
       in einer Organisation, die vom Verfassungsschutz als extremistischer
       Verdachtsfall bewertet werde, stelle für den Militärischen Abschirmdienst
       „grundsätzlich einen tatsächlichen Anhaltspunkt für Bestrebungen gegen die
       freiheitliche demokratische Grundordnung dar“, sagte ein Sprecher der taz.
       Dies müsse nicht zwingend ein Dienstvergehen ergeben, sei aber im
       Einzelfall zu prüfen. Der Sprecher betonte: „Soldatinnen und Soldaten sind
       verpflichtet, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des
       Grundgesetzes anzuerkennen und durch das gesamte Verhalten für ihre
       Erhaltung einzutreten.“
       
       ## Die AfD will juristisch dagegenhalten
       
       Die AfD will im Falle einer Einstufung Klagen dagegen einreichen. „Wir
       werden uns, wie wir wiederholt angekündigt haben, juristisch dagegen
       wehren“, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla.
       
       Mit einer eigenen Arbeitsgruppe versuchte die Partei zudem einer
       Beobachtung zu entgehen, auch mit Blick auf die Beamten in ihren Reihen. In
       Parteikreisen kursierte am Mittwoch auch ein als „Verschlusssache“
       eingestufter „Zwischenbericht“ des Berliner Verfassungsschutz über den
       dortigen AfD-Landesverband und einer möglichen Einstufung als
       Verdachtsfall. Dort heißt es, für die Berliner AfD gebe es bisher „keine
       zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche
       Bestrebungen“.
       
       Zwar seien einige Äußerungen „grob verallgemeinernd“, es gebe aber „nur
       wenige Inhalte, die im Grenzbereich einer radikalen Äußerung zur
       extremistischen Position gewertet werden können“. Zudem spreche etwa die
       Auflösung des „Flügels“ für ein Bekenntnis zur Grundordnung – eine
       Position, die im Verfassungsschutzverbund ziemlich einmalig sein dürfte.
       Dort hält man die Auflösung für rein taktisch motiviert.
       
       Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) reagierte sofort. Der Bericht sei
       „mitnichten finalisiert“ und enthalte „methodische Mängel“, teilte seine
       Verwaltung mit. „Die vorhandenen Erkenntnisse sind nicht nach den für den
       Verfassungsschutz geltenden Standards angemessen bewertet worden.“ Es
       handele sich um einen „noch laufenden, ergebnisoffenen Vorgang“.
       
       Geisel kündigte eine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats an, weil der
       Bericht an die AfD durchgestochen worden sei. Dazu werde es auch personelle
       Konsequenzen geben. Eine politische Beeinflussung der Prüfung verneinte
       Geisel: Den Bericht habe er bisher noch gar nicht gekannt. Auch die
       Berliner Linken sprachen von einem „handfesten Skandal“. Offenbar gebe es
       in den Sicherheitsbehörden Sympathisanten der extremen Rechten. Die Grünen
       forderten eine „schonungslose Aufarbeitung und einen anschließenden
       Neuanfang“ im Landesamt.
       
       Die AfD dürfte den Bericht indes als Futter für ihren Abwehrkampf gegen den
       Verfassungsschutz nutzen. Erst am Montag begegnete die Partei dem Vorwurf
       des Völkischen mit einer Erklärung, unterzeichnet auch von Höcke. Man
       bekenne sich „vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller
       Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“, unabhängig vom
       „ethnisch-kulturellen Hintergrund“, heißt es darin. Gleichwohl sei es
       legitim, „das deutsche Volk, seine Sprache und seine gewachsenen
       Traditionen langfristig erhalten zu wollen“.
       
       In der Partei ahnen viele aber, dass ihr das nicht mehr helfen wird. Die
       Erklärung ist damit wohl eher Munition für einen künftigen Rechtsstreit mit
       dem Verfassungsschutz. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland hatte zuletzt
       schon kundgetan, man werde eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz
       wohl nicht entkommen. Er appellierte an die Partei, sich davon nicht
       beeindrucken lassen. In einem Punkt äußerte Gauland aber bereits 2019 eine
       Befürchtung: [6][„Langfristig mache ich mir schon Sorgen, dass wir die
       Beamten verlieren.“]
       
       20 Jan 2021
       
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