# taz.de -- Algerien, Marokko und Tunesien: Frankreich schränkt Visa stark ein
       
       > Frankreich schließt die Tür für viele Einreisende aus dem Maghreb. Es ist
       > ein Druckmittel, damit die Länder abgewiesene Migranten zurücknehmen.
       
 (IMG) Bild: Paris im Juli 2021: ein Protestcamp gegen die französische Migrationspolitik
       
       PARIS taz | Frankreich will die Einreise aus Algerien, Marokko und Tunesien
       erschweren. Die Zahl der erteilten Visa soll „drastisch“ vermindert werden,
       heißt es von Seiten der Regierung – um 50 Prozent für Algerien und Marokko
       und um 30 Prozent für Einreisegesuche aus Tunesien. Diese Maßnahme sei eine
       Konsequenz der Weigerung der Maghreb-Staaten, ihre von Frankreich
       abgewiesenen Staatsangehörigen zurückzunehmen, erklärte Regierungssprecher
       Gabriel Attal am Dienstagmorgen dem Radiosender Europe 1.
       
       „Es handelt sich um eine drastische und noch nie dagewesene Entscheidung.
       Sie wurde aber notwendig, weil diese Staaten ihre Landsleute, die wir nicht
       in Frankreich behalten möchten oder können, nicht zurücknehmen wollen“,
       bestätigte Attal. Die Regierungsbehörden von [1][Marokko], Tunesien und
       [2][Algerien], drei traditionell sehr eng mit Frankreich verbundene Länder,
       hätten sich also die Situation selber zuzuschreiben.
       
       Die angekündigte restriktive Visapolitik müsse in diesem Sinn als
       diplomatisches Druckmittel in einer politischen Eskalation zwischen Paris
       und den drei betroffenen Nationen verstanden werden. „Am Anfang steht der
       Dialog, dann folgen Drohungen, und jetzt machen wir die Drohungen wahr“,
       sagte Attal. Vorher nämlich hätten Premierminister Jean Castex und der
       französische Innenminister Gérald Darmanin die Botschafter der drei Länder
       gewarnt.
       
       Nunmehr würden diese Sanktionen in die Tat umgesetzt, und sie würden so
       lange andauern, bis die Behörden von Algerien, Marokko und Tunesien die
       „Regeln“ der Zusammenarbeit in diesem Bereich der Migrationspolitik
       akzeptierten und die nötigen Papiere ausstellten, damit Frankreich
       unwillkommene Immigrant*innen in diese Herkunftsländer zurückschaffen
       kann.
       
       Louis de Raguenel, der neue Chef der Politikredaktion, der vom
       rechtsextremen Magazin Valeurs actuelles zu Europe 1 gekommen ist, verweist
       in diesem Zusammenhang, und in seinem Sinne als Rechtfertigung der
       verschärften Visapolitik, auf die Statistik der effektiven Rückschaffungen.
       Die offiziellen Zahlen seien „noch nie so schlecht gewesen“, sagt er.
       
       Zwischen Januar und Juli hätten die französischen Gerichte 7.731
       algerischen Staatsangehörigen einen Ausreisebefehl erteilt, von denen aber
       nur 22 in ihre Heimat zurückgekehrt seien. In rund 8.000 Fällen habe Paris
       eine zwangsweise Abschiebung verlangt, doch nur für 20 Gesuche habe Algier
       den Passierschein ausgestellt. Für Marokko und Tunesien sehe die Statistik
       nicht wesentlich anders aus. Bei den Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung
       handelt es sich zum Teil um Studierende, deren Visum nicht verlängert
       wurde, oder auch um Geflüchtete, deren Asylgesuch abgelehnt wurde.
       
       In Frankreich macht im Vorfeld der Wahlen von 2022 derzeit vor allem die
       extreme Rechte, aber zunehmend auch die bürgerliche Rechte Druck auf die
       Regierung. Sie bezichtigen die Regierung der Tatenlosigkeit angesichts
       einer wachsenden Zahl von sich illegal in Frankreich aufhaltenden Menschen
       und ziehen eine Verbindung zwischen Terrorismus oder Drogenkriminalität und
       einer angeblich „unkontrollierten“ Einwanderung.
       
       Jordan Bardella, derzeit Vorsitzender vom rechtsextremen Rassemblement
       National, begrüßte dementsprechend die Verschärfung, möchte diese aber
       „erst aufgrund der Ausführung“ beurteilen. Staatspräsident Emmanuel Macron
       habe 2017 vor der Wahl versprochen, dass mit ihm 100 Prozent der
       Ausreisebefehle befolgt würden. Dieses Wahlversprechen habe er in keiner
       Weise gehalten.
       
       29 Sep 2021
       
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