# taz.de -- Nominierte Regierungsbeauftragte Ataman: Der Chor der Empörten
       
       > Ferda Ataman könnte Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung werden.
       > Seit sie für die Position vorgeschlagen wurde, läuft eine Kampagne gegen
       > sie.
       
 (IMG) Bild: Lassen sich die Vorwürfe gegen Ferda Ataman überhaupt belegen? Unser Autor findet: Nein
       
       Manch eine bekommt das Etikett „umstritten“ ziemlich rasch. Der frühere
       SPD-Politiker Thilo Sarrazin brauchte Jahre dafür, der ukrainische
       Botschafter Andrij Melnyk gut vier Kriegsmonate. Bei der vom Ampel-Kabinett
       vorgeschlagenen Kandidatin für das Amt der Unabhängigen Bundesbeauftragten
       für Antidiskriminierung war es eine Sache von wenigen Tagen. Die
       „umstrittene Publizistin Ferda Ataman“ ist nun hier und dort zu lesen.
       
       Der Tagesspiegel fragte vor ein paar Tagen Kolleg:innen verschiedener
       Medien, ob die „umstrittene Publizistin“ Ataman die Richtige für das Amt
       sei. „Großes Fragezeichen“, lautete eine der Antworten. Das Amt sei
       überflüssig, erklärte ein anderer, „irgendetwas zwischen Feigenblatt und
       Versorgungspöstchen“. Ferda Ataman sei „Teil des Problems und nicht der
       Lösung“, sie beleidige und sei beleidigt. Eine Kollegin der taz antwortete
       auf die „Geeignet?“-Frage: „Unentschieden.“
       
       Ist also Ferda Ataman medial abgeschrieben, bevor sie an diesem Donnerstag
       vom Bundestag vermutlich gewählt wird? Kommt die gebürtige Stuttgarterin,
       die einer säkularen muslimischen Familie entstammt, selbst nicht gläubig
       ist, noch raus aus der Schublade? In die hatte sie als einer der Ersten der
       Islamexperte Ahmad Mansour gesteckt, [1][der behauptete], in Atamans
       Weltbild „existiert Rassismus, der von Nichtweißen ausgeht, nicht“.
       
       ## Orchestrierte Kampagne?
       
       Die Stimmungsmache der Springer-Presse war das eine – schon da ergab sich
       der Eindruck einer orchestrierten Kampagne. Doch dann erschienen auch in
       anderen Medien kritische Texte. [2][Auf dem Onlineportal des Magazins Der
       Spiegel ] durfte sich die studentische Beauftragte für Diversitätsförderung
       an der Berliner Charité, Fatma Özdağlar, äußern. Sie forderte für den
       Posten „eine Person, mit der man diskutieren kann, ohne mit der
       Rassismuskeule erschlagen zu werden“. Eine Person, die auch den
       „politischen Islam, Clankriminalität und Antisemitismus als klare Probleme
       thematisiert“. Dabei fordert Ataman schon seit Jahren bessere politische
       Konzepte zur Bekämpfung des Antisemitismus – um nur eines der Argumente zu
       entkräften.
       
       [3][Ein Kommentator der Süddeutschen Zeitung] wunderte sich nicht, dass
       sich Ferda Ataman „gezwungen sah, zahlreiche Beiträge ihres
       Twitter-Accounts“ zu löschen. Aber könnte dafür nicht auch der Grund sein,
       dass die Journalistin seit vielen Jahren von Rechten gehetzt wird und sich
       nicht vorstellen wollte, was mit ihren gut 10.000 Tweets gemacht wird?
       
       Noch ein [4][Blick in den Tagesspiegel:] In ihm durfte ein „Islamforscher
       aus Berlin-Neukölln“, von dem zuvor wenig zu hören war, in einem
       Gastbeitrag schreiben, Ataman ignoriere Ehrenmorde, und „hält nicht viel
       davon, auf die Diskriminierung von Frauen, den Antisemitismus, die
       Homophobie und den Rassismus in Deutschlands wachsenden islamischen
       Gemeinden aufmerksam zu machen“. Aber lassen sich diese Vorwürfe denn
       überhaupt belegen, die über die tausendfach geäußerte Klage hinausgehen,
       laut der Ataman Deutsche als „Kartoffel“ beleidigt hat? Nein.
       
       Was aber hängenbleibt: Sogar der Spiegel, die Süddeutsche und der
       Tagesspiegel sind gegen Ataman, also demnächst so gut wie alle. Was in den
       Hintergrund gerät: die breite Unterstützung für die Kandidatin – vom Rat
       für Migration über die „Charta für Vielfalt“ und den Direktor der
       Bildungsstätte Anne Frank bis hin zum einstigen Unions-Kanzlerkandidaten
       Armin Laschet. Bemerkenswert ist ferner, wenn von einer Organisation gar
       nichts zu hören ist – was nahelegt, dass sie in den Chor der Empörten nicht
       einstimmen will. Das trifft zum Beispiel auf den Zentralrat der Juden zu.
       
       ## „Völliger Quatsch“
       
       Wie Kampagnenjournalismus aussieht, hat zuletzt der [5][Ex-Bild-Reporter
       Metin Gülmen], der heute für die Funke-Mediengruppe arbeitet, selbst
       transparent gemacht. Gülmen fand den Ehrenpräsidenten der
       Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände als Kronzeugen dafür,
       dass Ataman bei einer Veranstaltung im Kanzleramt nach dem Anschlag von
       Hanau nicht neben einem Kurden habe sitzen wollen, sogar die Sitzordnung
       änderte.
       
       Die [6][Bild] fand das so „brisant“, dass sie die Geschichte einfach
       abschrieb. Der taz sagte Ataman, weder das Funke-Blatt Der Westen, in dem
       Gülmen seinen Text veröffentlichte, noch Bild hätten diesbezüglich bei ihr
       nachgefragt. Sie hätte zu der Story gesagt: „Völliger Quatsch.“ Es gehört
       zu den journalistischen Grundsätzen, Betroffene von kritischer
       Berichterstattung zu konfrontieren. Stattdessen likte Gülmen einen Tweet,
       in dem es hieß: „Wenn man einen Dieb erwischt und man fragt ihn, ob er
       gestohlen hat, dann antwortet er zu 99,9 %, dass er unschuldig ist.“
       
       Auch der Islamismusexperte Mansour ist bei seiner Kritik an Ataman nicht
       redlich vorgegangen, [7][wie der Publizist Stephan Anpalagan am Mittwoch
       auf Twitter belegte.] Anpalagan bezweifelte, ob Mansour tatsächlich Atamans
       „Artikel, Interviews und Aktivitäten“ angeschaut habe.
       
       Hätte ihm andernfalls nicht auffallen müssen, dass Ataman im September 2020
       [8][für den Spiegel] einen Kommentar „Migranten, die gegen Migranten
       hetzen“ verfasst hatte? Der erste Satz lautete: „Können nur weiße Menschen
       Rassisten sein? Natürlich nicht.“
       
       Am Freitag bekommt Ahmad Mansour auf Vorschlag des Bundespräsidenten das
       Bundesverdienstkreuz ausgehändigt. Die Zeremonie im Roten Rathaus obliegt
       der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. [9][Sie sagt]: „Ahmad
       Mansour ist ein Berliner, auf den wir sehr stolz sind.“ Dabei ist Mansour
       auch umstritten. Und streitbar – so wie Ferda Ataman, die das ihr
       zugedachte Amt sehr wohl verdient hat.
       
       6 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.focus.de/politik/deutschland/kolumne-von-ahmad-mansour-ferda-ataman-das-abstruse-weltbild-unserer-neuen-anti-hass-beauftragten_id_107972725.html
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ferda-ataman-als-antidiskriminierungsbeauftragte-die-diskriminierung-der-kartoffel-kommentar-a-be08e89d-3e33-4d9e-b67c-fa084f415a1c
 (DIR) [3] https://www.sueddeutsche.de/meinung/bundesregierung-antidiskrimierungsbeauftrafte-ferda-ataman-kartoffel-1.5614060?reduced=true
 (DIR) [4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/kritik-an-ferda-ataman-die-regierung-darf-die-bedenken-vieler-migranten-nicht-ignorieren/28476202.html
 (DIR) [5] https://www.derwesten.de/politik/bundesregierung-news-tuerkei-migranten-ataman-id235777433.html
 (DIR) [6] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/ferda-ataman-neue-vorwuerfe-gegen-designierte-anti-hass-beauftragte-80577452.bild.html
 (DIR) [7] https://twitter.com/stephanpalagan/status/1544551784076771330
 (DIR) [8] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/selbsthass-bei-einwanderern-migranten-die-gegen-migranten-hetzen-kommentar-a-8ea5b590-b381-475f-8399-593b2c7119f2
 (DIR) [9] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1223619.php
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Meisner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Ferda Ataman
 (DIR) Antidiskriminierung
 (DIR) Antirassismus
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Ferda Ataman
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Interview
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Strafverfolgung in Niedersachsens Westen: Rassistisch grundierte Kooperation
       
       Die Kooperationsvereinbarung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und
       Städten der Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim klingt übel nach
       AfD.
       
 (DIR) Ferda Ataman über Kritik an Nominierung: „Ich werde noch viel lernen müssen“
       
       Als Ataman zur Leiterin der Antidiskriminierungsstelle nominiert wurde,
       brach ein Shitstorm los. Mit der taz sprach sie über ihren Job – und das
       Wort „Kartoffel“.
       
 (DIR) Leitung der Antidiskriminierungsstelle: Bundestag wählt Ferda Ataman
       
       Trotz massivster Kritik von Union und AfD: Die Publizistin Ferda Ataman ist
       die neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
       
 (DIR) Extremismusexpertin über Ferda Ataman: „Kein Shitstorm, sondern Kampagne“
       
       Ferda Ataman soll die Antidiskriminierungsstelle leiten. Heike Kleffner
       erklärt, warum Rechte dagegen Sturm laufen und weshalb das gefährlich ist.
       
 (DIR) Ferda Ataman soll Antidiskriminierungsstelle leiten: Sie ist die Richtige
       
       Nach vier Jahren wird die Leitung der Antidiskriminierungsstelle endlich
       wieder besetzt. Ferda Ataman fordert und ist deshalb die geeignete
       Kandidatin.