# taz.de -- Kanzleramtschef im Cum-Ex-Ausschuss: About Scholz
       
       > Wolfgang Schmidt (SPD) sagt im Untersuchungsausschuss, was er alles nicht
       > weiß – und warum sein Freund Olaf Scholz trotzdem unschuldig ist.
       
 (IMG) Bild: Scholz' Abteilung Attacke: Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt im Hamburger Rathaus
       
       HAMBURG taz | [1][Wolfgang Schmidt] ist so etwas wie das Alter Ego von
       [2][Olaf Scholz], sozusagen Scholz, nur in kommunikationsbegabt. Die beiden
       kennen sich von einer WG-Party, Schmidt war persönlicher Referent und dann
       Büroleiter von Scholz als SPD-Generalsekretär und diente seinem Kumpel
       seither in der Bundestagsfraktion, im Arbeitsministerium, als Staatsrat in
       Hamburg, als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und heute als
       Kanzleramtschef.
       
       Dass er Scholz' engster Berater sei, will er im Untersuchungsausschuss der
       Hamburger Bürgerschaft zur Cum-Ex-Affäre dennoch nicht gelten lassen. Denn
       wer Scholz kenne, wisse, dass der keine Berater brauche. „Ich bin nicht der
       Betreuer von Olaf Scholz – aber wir sind seit 25 Jahren befreundet.“ Sein
       Vorteil sei: „Ich weiß, wie er tickt.“
       
       Es war nicht zu erwarten, dass Schmidt seinen langjährigen Freund und Chef
       im Ausschuss belasten würde. Und das könnte er nach eigenen Angaben auch
       gar nicht: Er sei in seiner Funktion als Senatskanzleichef „nicht für
       Steuerverfahren zuständig“ gewesen. Er habe „keine eigene Anschauung“ zu
       der Frage, ob Scholz Einfluss auf die Entscheidung der Finanzverwaltung
       genommen habe, [3][illegal erstattete Kapitalertragssteuer von der
       Warburg-Bank nicht zurückzufordern]. Und von den Gesprächen, die Scholz
       2016 und 2017 mit Warburg-Chef Christian Olearius geführt hat, [4][an die
       Scholz sich aber heute nicht erinnert], hatte Schmidt damals „keine
       Kenntnis“.
       
       Die Befragung des Zeugen Schmidt hätte also schnell beendet sein können.
       Aber Schmidt wäre nicht Schmidt, wenn er es darauf beruhen ließe. Er nutzte
       seinen Auftritt für eine Generalabrechnung. In einer fast einstündigen
       Suada stellte der Minister seine Sicht auf die Cum-Ex-Affäre dar, die er
       nicht aus „dienstlicher Kenntnis“ gewonnen, sich aber akribisch angelesen
       und rechtlich bewertet hatte – als Jurist, wie er betonte.
       
       ## Scholz war „zurückhaltend“, Olearius optimistisch
       
       Und die lässt sich so zusammenfassen: Scholz habe keinen Einfluss auf das
       Steuerverfahren gegen Warburg genommen, das hätten sämtliche Zeug:innen
       im Ausschuss bestätigt. Auch der öffentlich gewordene [5][Eintrag aus
       Olearius' Tagebuch] deute nicht darauf hin: Der hatte notiert, er habe im
       Gespräch mit Scholz den Eindruck gewonnen, „dass wir uns keine Sorgen
       machen müssen“, also dass die Bank keine Rückforderung von der Stadt
       befürchten müsse. Schmidt möchte den Blick auf die Worte davor lenken, die
       seiner Ansicht nach in der Berichterstattung zu kurz gekommen sind: Von
       Scholz' „zurückhaltender“ Reaktion ist da die Rede, aus der Olearius
       Wohlwollen abgeleitet hat.
       
       Die hätte durchaus andere Schlüsse zugelassen, wie Scholz-Versteher Schmidt
       aus seinem Erfahrungsschatz zu berichten weiß: Bittsteller empfange Scholz
       häufig reserviert. „Scholz ist in vielen Gesprächen eine Sphinx, er hört
       eher stoisch zu.“ Immer wieder seien Leute nach ihrem Termin bei Scholz bei
       ihm, Schmidt, vorstellig geworden und hätten gefragt: „Mag der mich nicht?
       Wie soll ich das deuten?“
       
       Eigentlich, meint Kanzleramtsminister Schmidt, sei in der Hamburger
       Finanzbehörde beim Steuerbetrug der Warburg-Bank auch gar nichts schief
       gegangen. Im Gegenteil: Die Steuerverwaltung habe im Dezember 2016, wenige
       Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist, einen veränderten Steuerbescheid an
       Warburg ausgestellt und damit die Verjährungsfrist um weitere fünf Jahre
       verlängert – auch wenn an diese Wirkung damals kaum einer der Beteiligten
       geglaubt hat. In der Presse sei davon aber kaum etwas zu lesen gewesen, da
       heiße es immer: „Hamburg hat die Forderung verjähren lassen.“ Das hat
       Schmidt so „empört“, dass er sich pauschale Presseschelte nun endgültig
       nicht mehr verkneifen kann: „Einer schreibt vom anderen ab, Fakten hemmen
       ja den Erzählfluss.“
       
       Dass Hamburg auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro zunächst
       verzichtete, hält Schmidt nach damaligem Kenntnisstand für rechtlich
       plausibel – das habe im Ausschuss sogar ein Kölner Staatsanwalt bestätigt,
       der gegen die Warburg-Bank wegen Steuerhinterziehung mit den
       Cum-Ex-Geschäften ermittelt. Und selbst wenn die Bank mit ihrer noch
       laufenden Klage gegen den Steuerbescheid Erfolg hätte, würde das Kölner
       Landgericht das Geld auf strafrechtlichem Wege einziehen. „Das Geld bleibt
       beim Staat – wenn auch“, so viel Hamburger Lokalpatriotismus leistet sich
       der Bundesminister noch, „in diesem Fall bedauerlicherweise in NRW.“ Am
       Ende habe der Staat wegen der günstigen Strafzinsen sogar noch Gewinn
       gemacht, sagt Schmidt, und grinst.
       
       Schlusswort seines fulminanten Pro-Scholz-Plädoyers: „Sie haben jetzt zwei
       Jahre ermittelt – und es ist nicht das kleinste Indiz, geschweige denn ein
       Beleg für eine politische Einflussnahme zutage getreten. Ich denke, da kann
       man sagen, dass da nichts gewesen ist.“
       
       ## Scholz-Aussage im Finanzausschuss wird veröffentlicht
       
       Auch die vom Spiegel verbreitete Nachricht des Tages erschüttert diese
       Gewissheit nicht: Die Anwälte der Warburg-Inhaber haben demnach auch den
       Finanzausschuss des Bundestags – wie auch jeweils die Zeugen im Hamburger
       Ausschuss – partiell vom Steuergeheimnis befreit. Das macht den Weg frei
       für die Veröffentlichung eines Protokolls jener Aussage von Scholz dort,
       über die verschiedene Medien berichtet hatten, sie stehe im Widerspruch zu
       dem von ihm vor dem Hamburger Ausschuss geltend gemachten völligen
       Gedächtnisverlust hinsichtlich seiner Treffen mit Olearius.
       
       „Ich begrüße das“, sagte Schmidt, weil man dann aufräumen könne mit
       Spekulationen, Scholz habe etwas verheimlicht. „Spoiler: hat er nicht.“ Es
       bereitet Schmidt sichtliches Vergnügen, aus dem Nähkästchen zu plaudern:
       „Ich hatte dem Vorsitzenden des Finanzausschusses den Tipp gegeben, mal bei
       den Anwälten der Warburg-Bank nachzufragen.“
       
       30 Sep 2022
       
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