# taz.de -- Feministische Außenpolitik: Baerbock versteht man nicht
       
       > Die meisten Leute in Deutschland wissen nicht, was feministische
       > Außenpolitik bedeutet. Die Außenministerin sollte den Begriff erklären
       > können.
       
 (IMG) Bild: Die grüne Außenministerin Baerbock spricht in Ankara mit geflüchteten Frauen aus Syrien und Irak
       
       Wissen Sie, was feministische Außenpolitik ist? Seit Annalena Baerbock
       (Grüne) als Außenministerin durch die Welt reist, führt sie diesen Begriff
       im Munde. Es ist schon länger ein Anspruch der Grünen, nicht nur die
       Gesellschaft, sondern auch die Außenpolitik geschlechtergerechter,
       feministischer zu gestalten. Doch was heißt das eigentlich?
       
       Die einen definieren [1][feministische Außenpolitik] als „Überzeugung, dass
       Geschlechtergerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe Voraussetzung für
       nachhaltigen Frieden und Sicherheit in der Welt sind“, so wie das
       [2][Auswärtige Amt] es tut. Andere verstehen es „holistisch“, wie die
       [3][Politikwissenschaftlerin Kristina Lunz] in der taz mal formulierte:
       „Für uns geht es um ein Infragestellen der grundlegenden Paradigmen von
       Außen- und Sicherheitspolitik. Das sogenannte realistische Paradigma muss
       analysiert und hinterfragt werden: Können Staaten wirklich nur durch
       militärische Stärke, Dominanz und Unterdrückung anderer überleben?“
       Wiederum andere sagen, das sei alles [4][viel zu unkonkret] und helfe daher
       kaum weiter.
       
       Dennoch sprechen linke und grüne Kreise gern und oft von einer
       feministischen Außenpolitik, die angesichts der aktuellen Ereignisse im
       Iran und in Afghanistan dringend nötig sei. Aber wissen auch die Menschen
       jenseits politischer Kreise, was sich hinter dem Begriff verbirgt?
       
       Dieser Frage sind die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)
       und die Körberstiftung nachgegangen – und sind zum kaum überraschenden
       Ergebnis gekommen, dass hierzulande niemand so recht weiß, was das
       eigentlich ist. Laut der Umfrage, die der taz exklusiv vorliegt, haben über
       60 Prozent der Befragten den Begriff „feministische Außenpolitik“ noch nie
       gehört. Oder sie wissen nicht, was er bedeutet. Das Unwissen steigt, je
       älter die Menschen werden und weniger gebildet sie sind.
       
       ## Triggerwort Feminismus
       
       Auch zwischen Ost- und Westdeutschen klafft eine Lücke: Es sind öfter
       Ostdeutsche, die mit dem Begriff nichts anfangen können. Hinzukommt, dass
       allein das Attribut feministisch als eine Art negatives Triggerwort wirkt:
       Feminismus als Störfaktor im Patriarchat. Hier steht die Terminologie der
       Realität im Wege, lässt sich die Bilanz der DGAP und Körberstiftung
       zusammenfassen.
       
       Nun ist feministische Außenpolitik ein [5][recht junger Politikanspruch].
       Schweden hat als erstes Land der Welt 2014 eine feministische Außenpolitik
       eingeführt. Kernpunkte dieses Ansatz sind drei R: Rechte, Ressourcen,
       Repräsentation – von Frauen und Mädchen in allen gesellschaftlichen
       Bereichen. Jüngst kam ein viertes R dazu: Realitätscheck. Die feministische
       Außenpolitik soll regelmäßig evaluiert und Fort- und Rückschritte
       dokumentiert werden.
       
       Angesichts Baerbocks lascher Haltung zu den anhaltenden Proteste im Iran
       sind mittlerweile selbst Feminist:innen skeptisch, welche Wirkung eine
       feministische Außenpolitik grundsätzlich entfalten kann. „Wenn die
       [6][Frauenrechtsproteste im Iran] kein Fall für eine feministische
       Außenpolitik sind – dann gibt es keine feministische Außenpolitik“, schrieb
       die Autorin und Ärztin Gilda Sahebi vor kurzem in der taz.
       
       16 Oct 2022
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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