# taz.de -- Inklusives Performanceprojekt in Hamburg: Kollektiv statt konkurrierend
       
       > Humor hilft: Drei Tage lang beschäftigt sich das „Democratic Bootcamp“ in
       > Hamburg mit den Hierarchien und Ausschlussmechanismen im Kulturbetrieb.
       
 (IMG) Bild: Endlich alle Rollen übernehmen: Proben für das „Democratic Bootcamp“
       
       HAMBURG taz | Was haben [1][„Wetten, dass …?“], „Wer wird Millionär?“ und
       so viele andere Gameshows gemeinsam? Tugenden der Vereinzelung und
       Konkurrenz, die der arbeitsteilige Kapitalismus hervorbrachte, werden in
       solchen TV-Formaten zur Unterhaltung für die ganze Familie. Es sind die
       Gottschalks und Jauchs unserer Gesellschaft, die als Showmaster
       allabendlich das Credo „The Winner Takes It all“ in die Köpfe von Millionen
       Zuschauenden hämmern. In Hamburg bringt das „Democratic Bootcamp“ nun eine
       ganz eigene Gameshow [2][auf die Bühne] – dabei herrscht nicht das Gesetz
       der Konkurrenz, sondern das des Kollektivs.
       
       „Democratic Bootcamp mag etwas militärisch klingen“, räumt Jutta Schubert
       ein, aber letztlich drückt es genau aus, was das Ziel des Projekts ist:
       „Wir wollen dem Theater mit einer Intensität und Bestimmtheit demokratische
       Strukturen verleihen, die es schon lange nötig hat.“ Schubert ist Teil der
       Künstlerischen Leitung des Bootcamps und ansonsten Projektleiterin bei
       Eucrea. Das ist [3][ein bundesweit aktiver Verein], der sich für die
       Teilhabe und Ausbildung von Menschen mit Behinderungen in Kulturbetrieben
       engagiert.
       
       Im „Democratic Bootcamp“ steht nun die Auseinandersetzung mit den
       Arbeitsprozessen im Theater im Vordergrund. Es treffen acht unabhängige
       Theatergruppen aus ganz Deutschland und der Schweiz aufeinander. Darunter
       sind unter anderem die Hamburger Gruppe [4][„Meine Damen und Herren“], die
       Berliner Gruppe „Theater Tikwa“ und das feministische Performance-Kollektiv
       „She She Pop“. Alle Gruppen haben untereinander Tandems ausgebildet, sodass
       jeweils zwei Kollektive miteinander eine Performance entwickelt haben. Am
       Ende treten diese vier Tandems in einer, eben, Gameshow an.
       
       Schubert verweist auf die Hierarchien und Machtasymmetrien, die auch in
       Kulturbetrieben allgegenwärtig seien – und immer wieder zu Ausschluss und
       Diskriminierung führten. „Im Democratic Bootcamp wird demokratisch
       entschieden“, sagt Schubert. Und das ist keine Kleinigkeit: Jede kreative
       Entscheidung wird im Kollektiv ausgehandelt, also von insgesamt 30 Leuten.
       Statt einer Regisseur*in gibt es eine künstlerische Leitung, die aus
       fünf Dramaturg*innen besteht.
       
       Während der Proben zu „Die Show“ ertönt eine verzerrte Stimme: Es ist die
       Gameshow selbst, die da aus dem Off spricht. Sie führt in der Inszenierung
       ein Eigenleben. Diese Show also, gespielt von Melanie Lux, wehrt sich mit
       aller Macht gegen die Kollektive; die versuchen schließlich, das Prinzip
       des Genres, also den eingangs erwähnten Wettbewerb, auf den Kopf zu
       stellen.
       
       Demgegenüber offenbart die Show ihren narzisstischen, boshaften Charakter:
       Immer wieder stellt sie die Theaterleute vor Herausforderungen; schließlich
       sieht sie sich auch in einer Konkurrenz – zu Spielleitergrößen wie
       [5][Thomas Gottschalk]. Die Gameshow selbst wird so zum leibhaftigen
       Antagonisten des kollektiven Arbeitens.
       
       Die Theatertruppen antworten auf die Gängelung mit anspruchsvollen
       Performances, welche das ganze Spiel ad absurdum führen. „Meine Damen und
       Herren“ etwa verkleiden sich als Haushaltsgeräte, „die auf der Bühne
       lebendig werden“, sagt die Schauspielerin Melanie Lux. „Sie reden dann über
       ihre jeweiligen Aufgaben, die sie im Alltag haben.“ So findet die Reflexion
       über die Arbeitsprozesse auch eine szenische Umsetzung. Lux, selbst Teil
       von „Meine Damen und Herren“, ist am „Democratic Bootcamp“ als Dramaturgin
       beteiligt.
       
       „Die Idee zu dem Projekt erwuchs aus dem Bedürfnis vieler Menschen mit
       Beeinträchtigungen heraus, die im Theater verschiedene Rollen übernehmen
       wollen, was ihnen aber oft verwehrt bleibt“, sagt Schubert. „Daher wollten
       wir schauen, wie verschiedene Theaterkollektive arbeiten.“ Außerdem gehe es
       darum, neue Wege für kreative Prozesse insgesamt zu eröffnen.
       
       Eine Methode, demokratisch kreativ sein zu können, sei der Humor: „Ohne
       Humor geht gar nichts“, sagt Melanie Lux. Und selbst wenn es hinter der
       Bühne auch schon mal Streit gebe, funktioniere die demokratische
       Arbeitsstruktur erstaunlich gut.
       
       Neben „Die Show“ wird es auf der dreitägigen Veranstaltung noch ein
       Trainingslager sowie eine „Democratic Disco“ geben. Im Rahmen des
       Trainingslagers sollen in Form eines Symposiums verschiedene Themen rund
       um das Thema kollektives Arbeiten kritisch erarbeitet werden.
       
       1 Dec 2022
       
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 (DIR) [3] https://www.eucrea.de/
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 (DIR) [5] /Thomas-Gottschalk/!t5026400
       
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