# taz.de -- Die Ampel und die Religion: Weniger Interesse am R-Faktor
       
       > Eigentlich will die Bundesregierung den Bereich „Religion und
       > Außenpolitik“ stärken. Doch viel Raum nimmt allein das Thema
       > Religionsfreiheit ein.
       
 (IMG) Bild: Die Religionsfreiheit indigener Gruppen sei mit Klimaschutz verbunden, sagt Frank Schwabe (SPD)
       
       Die Ampel fremdelt mit dem Thema Religion. Nicht nur beim Amtseid, auch in
       der Amtsführung. Im Oktober äußerte der Ex-Berater des Auswärtigen Amts,
       [1][Nikodemus Schnabel, in der taz die Sorge], dass das Religionsreferat
       612 unter Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu kurz kommen könnte.
       Dabei steht im Koalitionsvertrag der Ampel eigentlich, dass die Regierung
       den Bereich „Religion und Außenpolitik“ stärken will.
       
       Auch im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
       Entwicklung (BMZ) hat das Interesse am R-Faktor nachgelassen. Zwar gehe die
       Kooperation mit religiösen Akteuren auf der Arbeitsebene weiter, sagt die
       Politikwissenschaftlerin Julia Leininger vom German Institute of
       Development and Sustainability. Aber Religion sei kein Thema von
       Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD): „Die Ministerin fokussiert
       sich stärker auf [2][feministische Entwicklungspolitik] und Klima.“
       
       Schulzes christlich-sozialer Vorgänger Gerd Müller hatte 2014 beschlossen,
       religiöse Organisationen und Personen in die deutsche Entwicklungspolitik
       einzubinden. In der internationalen Zusammenarbeit stand Müller nicht
       allein mit dieser Idee, die Weltbank etwa beschäftigt sich schon seit Ende
       der neunziger Jahre mit dem Ansatz. Generell spielt in den internationalen
       Beziehungen seit den Anschlägen vom 11. September die „Rückkehr der
       Religion“ eine Rolle.
       
       Unter Müller entstand die International Partnership on Religion and
       Sustainable Development, in der staatliche, zwischenstaatliche und
       religiöse Entwicklungsorganisationen sitzen. Außerdem begann man in
       konkreten Entwicklungsprojekten verstärkt religiöse Player einzubinden, um
       die Effektivität zu steigern. Und: Das Amt des Beauftragten der
       Bundesregierung für Religionsfreiheit wurde geschaffen, ebenfalls
       angesiedelt im Entwicklungsministerium.
       
       Auf diesen Beauftragten habe sich jetzt der politische Fokus verlagert,
       sagt Julia Leininger: „Bei einer Weltlage, in der wir immer mehr
       Autokratisierung sehen, in der die Demokratie und damit auch
       Religionsfreiheit weltweit schwindet, ist das ein wichtigeres Thema
       geworden.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe ist seit einem Jahr
       der Beauftragte der Ampel für Religionsfreiheit. Von seinem CDU-Vorgänger
       Markus Grübel hebt Schwabe sich ab, nicht nur dadurch, dass sich in seinem
       Titel jetzt neben der Religions- auch die Weltanschauungsfreiheit findet.
       
       ## Schwabe fokussiert sich auf Indigene
       
       Auf Anfrage sagt Schwabe, selbst: „Es gibt eine Szene, weltweit, aber auch
       in Deutschland, die sich sehr stark mit dem Thema Religionsfreiheit
       beschäftigt. Die machen das aber sehr häufig aus einer Eigenmotivation.“ Er
       hingegen wolle sich auch für Gruppen einsetzen, deren
       gesellschaftspolitische Ziele er nicht teile. Es ist aber durchaus
       erkennbar, mit welchen Gruppen Schwabe sympathisiert.
       
       [3][Indigene Gruppen würden ihre Territorien oft mit religiösen
       Vorstellungen in Verbindung bringen], sagt er. Der Schutz der
       Religionsfreiheit Indigener habe insofern auch mit Umwelt- und Klimaschutz
       zu tun. „Im Jahr 2021 waren über 40 Prozent der [4][ermordeten Umwelt- und
       Landrechtsaktivist*innen] Indigene, obwohl sie nur gut 6 Prozent der
       Weltbevölkerung ausmachen – diese Zahl ist erschreckend.“
       
       „Spirituelles Erbe und geerbte Konflikte – Indigene und ihre
       Religionsfreiheit“ hieß auch eine Konferenz, die Schwabe im Herbst im
       Entwicklungsministerium veranstaltete. In seinem Religionsfreiheitsbericht
       spielen Indigene verstärkt eine Rolle. In Bezug auf Svenja Schulz sagt
       Schwabe, man müsse darauf achten, „dass bei neuen Akzenten, die im
       Ministerium gesetzt werden, zum Beispiel der feministischen
       Entwicklungspolitik, das Thema Religion schon auch auf der Tagesordnung
       bleibt“.
       
       Aus dem Ministerium wiederum heißt es, dass Schwabe die gesamte
       Bundesregierung bei Sitzungen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen
       vertreten soll. Das ist insofern bemerkenswert, als das Thema
       Menschenrechte bei der UNO vom Auswärtigen Amt vertreten wird. Zumindest
       die Religionsfreiheit kommt bei der Ampel also nicht zu kurz.
       
       27 Dec 2022
       
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